Eran Yardeni, Gastautor / 12.10.2013 / 00:03 / 4 / Seite ausdrucken

Der Friedens-Pate

Zwar kann man nur schwer voraussehen, was die Zukunft mit sich bringt, ganz ahnungslos aber steht man angesichts des Bevorstehendes trotzdem nicht. Ich kann z.B. mit bestimmter Gewissheit prophezeien, dass ich im kommenden Jahr keine Karriere als Profifußballer oder Gogo-Tänzer beginnen werde. Für die erstere bin ich zu alt, für die letztere zu klein und zu behaart. Genauso unwahrscheinlich ist, dass ich auf die Barrikaden gehen werde, um die Rechte aussterbender Arten verteidigen. Den Papst werde ich bis zum Ende 2014 garantiert nicht küssen und die kirgisische Staatsbürgerschaft werde ich nicht beantragen.

Eins kann ich aber nicht ausschließen und zwar, dass ich nächstes Jahr den Friedensnobelpreis bekommen werde.

Ich werde sogar ziemlich überrascht sein, wenn das nicht passieren wird. Mit der Verleihung des Preises an Jasser Arafat (1994) und später an Barack Obama signalisierten die Mitglieder der norwegischen Nobelkomitee, dass mit dem Preis nicht nur geehrt sondern auch parodiert werden kann. Dass jetzt die OPCW mit dem Preis bejubelt wird, ist nicht mehr als ein weiteres Glied dieser tragikomischen Kette.
 
Was ist eigentlich die OPCW? Es geht um eine Organisation, die „die Chemiewaffenbestände der Vertragsstaaten überprüfen und deren Vernichtung kontrollieren soll“.

Mit anderen Worten: Länder, die, aus welchem Grund auch immer sich freiwillig verpflichten, keine Chemiewaffe herzustellen bzw. ihr vorhandenes Chemiearsenal zu vernichten, machen die Türe ihrer Institute, Labore und Militärlager auf, um die Arbeit der Kontrolleure der OPCW zu ermöglichen. Alles freiwillig. Dass man nicht mitmachen muss, zeigt die Tatsache, dass nicht alle Länder die „Chemiewaffenkonvention“ ratifiziert haben.

Wenn man will, sind die Kontrolleure nicht mehr als die Ordnungsamtsbeamter der Staaten, die diese Konvention ratifiziert haben. Ihren Einsatz in Syrien verdanken sie der Zustimmung Assads, der so zu dem Paten dieses Preises geworden ist, es sei denn man ist so naiv, um zu glauben, dass die Verleihung des Preises an die OPCW nur zufällig mit ihrem jetzigen Einsatz in Syrien zusammenhängt.

Wenn jemand hier einen Friedensnobelpreis bekommen soll, dann sind es vor allem die Staaten, die die Chemiewaffenkonvention unterschrieben haben, weniger aber die Kontrolleure oder die Organisation, deren Existenz von der Zustimmung dieser Länder anhängt.

Hätte das Komitee sich für die Staaten anstatt für die Kontrolleure entschieden, wäre es nicht unbedingt vernünftiger, dafür aber wenigstens ein bisschen lustiger. Denn auch der Iran hat die Chemiewaffenkonvention ratifiziert.

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Leserpost

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Hans Gruner / 12.10.2013

Großartig geschrieben Henryk R. Chrusciels “post”. Und inhaltlich alles andere als banal. Jedoch wird in Niedeggen-besoffenen Köln (in der selbsterklärten “schönsten Stadt der Welt”) nicht jeder begeistert sein, wenn über ihren Helden so gewitzelt wird.

James Taylor / 12.10.2013

Rüstungskontrolleure sind, wie Sie richtig angemerkt haben, darauf angewiesen, dass Regierungen, oft sind es Diktaturen, Ihnen die Türen öffnen. Das tun die nur ungern und meist nur mit Druck von außen. Der Friedensnobelpreis ist ein Schutz für die Menschen, die vor Ort arbeiten, weil jeder Diktator nun weiß, dass “die Welt” auf deren Arbeit achtet. Richtig ist, dass der Welt die würdigen Anwärter für den Friedensnobelpreis ausgegangen sind. Richtig ist auch, dass die Welt bereits derart verkommen ist, dass man zum Schutz von Rüstungskontrolleuren einen Preis verleihen muss, damit diese ihrer Arbeit nachgehen können. Der von Ihnen festgestellte Mangel ist in dieser Logik noch gravierender, als Ihre Worte dies ausdrücken. Das herauszuarbeiten wäre eine Arbeit für einen Journalisten, der dann aber auch nicht auf halber Strecke stehen bleiben darf - wie Sie es taten.

Michael Geier / 12.10.2013

Cool down: der “Arafat; -EU; -Obama u. Chemiewaffenvernichtungs-Friedensnobelpreis”, weist mittlerweile nur selbige Analogien wie der “Bushido-Bambi” auf, nämlich überwältigende Gegenstandslosigkeit (bzw. weitestgehende Obsoleszenz:-)    Daher: nicht aufregen, obgleich die “eigentliche” Tragik nicht mehr zu leugnen ist:  es ist die “Stunde der Dilettanten”, die geschlagen hat, und die derzeit die “Geschicke” unserer schönen neuen (Schein)Welt bestimmen.

Henryk R. Chrusciel / 12.10.2013

Tut mir Leid, aber den nächsten Friedensnobelpreis wird Wolfgang Niedecken bekommen. In “Hart aber Fair” äußerte er bereits den Wunsch, der Untergang des Bootes vor Lampedusa möge als “Fukushima der Flüchtlingspolitik” einen Wendepunkt markieren. Da gerade ein weiteres Boot sank und, dank der EU-Politik kein Ende abzusehen ist, wird Niedecken von einem “Hiroshima der Flüchtlingspolitik” sprechen und eine beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft auslösen. Die europäischen Außengrenzen werden einfach abgeschafft, jeder Einreisende hat automatisch ein Bleiberecht und ein bedingungsloses Grundeinkommen. Jede europäische Familie ist verpflichtet, mindestens einen Neubürger aufzunehmen und ihm einen angenehmen Aufenthalt zu gewährleisten. Das Projekt der Mittelmeer -Union wird aufgegeben und durch das Friedensprojekt der Eurafrikanischen Union ersetzt. Die Straße von Gibraltar wird von einer mehrspurigen Brücke überspannt, die auch für Fußgänger, Last- und Zugtiere freigegeben wird. In Kürze wird das alte Europa in afrikanischer Fröhlichkeit und Lebenslust erblühen und sich in Eufrica umbenennen.

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