Peter Grimm / 06.07.2023 / 06:58 / Foto: Pixabay / 79 / Seite ausdrucken

Das Verfassungsgericht kappt eine Spitze des Eisbergs

Über die Verfassungsgerichts-Entscheidung, die übereilte Beschlussfassung des Heizungsgesetzes zu untersagen, kann man sich als Zeichen eines kleinen Sieges der Vernunft durchaus freuen, doch mehr als ein kleines Zeichen ist es noch nicht. Die Grünen werden nicht aufgeben.

Das Bundesverfassungsgericht bremst die Bundesregierung, weil diese möglicherweise die Rechte des Parlaments missachtet – das gab es schon lange nicht mehr und das gibt es anscheinend nun endlich wieder. Nach einer höchstrichterlichen Entscheidung im Eilverfahren, die erst am späten Mittwochabend bekanntgegeben wurde, muss die für morgen im Bundestag geplante zweite und dritte Lesung des umstrittenen Gebäudeenergiegesetzes abgesagt werden. Es gibt nun keinen Beschluss vor der Sommerpause.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann hatte den Antrag auf eine einstweilige Anordnung gestellt. Die Verfassungsrichter sollten dem Bundestag die abschließende Beratung und Abstimmung über das Gesetz untersagen, wenn der Entwurf den Abgeordneten nicht mindestens 14 Tage vorher schriftlich vorliegt. Dem ist der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts nun fast in letzter Minute gefolgt. Das ist zweifellos die einzig richtige Entscheidung, dennoch hat die Bundesregierung offenbar nicht damit gerechnet. 

Selbstredend ist es ein Unding, so kurz vor der Sommerpause noch ein so stark in das Leben der Bürger eingreifendes Gesetz im Eiltempo durchs Parlament zu treiben. Aber was interessiert die Bundesregierung noch das Parlament, wenn die Koalitionsmehrheit im Prinzip steht? Dass einschneidende umstrittene Gesetze erst zum letztmöglichen Zeitpunkt vor der Sommerpause den Bundestag passieren, damit der Unmut der Bürger in den Ferien dem gnädigen Vergessen weichen kann, ist ja nicht neu. Dennoch war der Druck, mit dem die vormundschaftlichen Heizungsregeln durch den Bundestag getrieben werden sollten, in diesem Fall fast beispiellos. Der zur ersten Lesung offiziell eingebrachte Gesetzentwurf war zu diesem Zeitpunkt längst obsolet, das wussten die Abgeordneten, die darüber debattierten, doch sie wussten nicht, was in der geänderten Vorlage stehen würde. Das parlamentarische Verfahren lief bereits, als die Regierungsfraktionen noch über den Gesetzestext verhandelten, der tatsächlich zur Beschlussfassung vorgelegt werden sollte.

Die Expertenanhörung und die Ausschusssitzungen wurden noch stärker als je zuvor zu reinen Formalitäten degradiert. Experten wie Abgeordnete hatten quasi nur ein Wochenende bis zur ersten Ausschuss-Anhörung Zeit, um den fertigen Gesetzentwurf zu lesen und zu bewerten. Als die Anhörung am Montag lief, war der Öffentlichkeit bereits mitgeteilt worden, dass das Gesetz noch am Freitag beschlossen werden würde, dabei hatten es die Koalitionäre zu diesem Zeitpunkt offiziell noch nicht einmal auf die Tagesordnung der 116. Sitzung des Deutschen Bundestages gesetzt. Das hätte besser so bleiben sollen, doch dann platzierte man es erwartungsgemäß für 15.25 Uhr als vorletzten Tagesordnungspunkt für den morgigen Freitag. Das muss nun wohl rückgängig gemacht werden.

„Ein weiterer Katalysator für die AfD“

Die Ampelkoalition wurde bei einer Gesetzgebung ausgebremst, die sie selbst als Aufführung einer eigenwillige Machtprobe inszeniert hat. Das Bild für die Öffentlichkeit: Grün setzt sich durch, die SPD ist ohnehin eher auf der Seite der Ideologen, und die FDP durfte zwischenzeitlich ein wenig den bürgerlichen Bedenkenträger spielen, um dann doch wieder weitgehend den rotgrünen ideologischen Vorgaben in Sachen „Klimaschutz" zu folgen. Die sich immer noch liberal nennende Partei steht wohl wieder einmal als am stärksten blamiert da.

Am wenigsten fassen können es wahrscheinlich die Grünen, denn sie sind nennenswerten Widerspruch eigentlich nicht mehr gewöhnt. Vor allem nicht, wenn es um vormundschaftliche Vorhaben geht, die sie mit dem "Klimaschutz" begründen. Ihre Vertreter gehörten deshalb auch nicht zu den ersten Politikern, die sich noch in der Nacht zum Verfassungsgerichtsbeschluss äußerten. 

CDU-Fraktionschef Friedrich Merz sah sich – kaum verwunderlich – als Sieger und freute sich über die „schwere Niederlage für die Bundesregierung von Olaf Scholz". „Dem unsäglichen Umgang der Bundesregierung mit dem Parlament und der Öffentlichkeit wurde nun ein Riegel vorgeschoben", wird der CDU-Vorsitzende von der dpa zitiert. Das ist zwar richtig, nur sollte er sich an dieser Stelle vielleicht auch daran erinnern, wie die Bundesregierungen seiner Amtsvorgängerin Angela Merkel mit dem Parlament und der Öffentlichkeit umgegangen sind, insbesondere in den Jahren des Corona-Ausnahmezustands. 

Einen gewissen Unterhaltungswert hat es, dass Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki den vom Verfassungsgericht verfügten Stopp als „verdiente Quittung für die Grünen, die in dieses Verfahren einen unerklärlichen Druck hineingegeben haben" bezeichnet hat. Ist dem stellvertretenden Vorsitzenden der FDP nicht aufgefallen, dass seine Partei ebenso eine "verdiente Quittung" dafür bekommen hat, dass sie dem „unerklärlichen Druck" zuvor in den Koalitionsgesprächen einfach nachgab?

Im Hintergrund spielt noch eine ganz andere Quittung eine Rolle, nämlich die, mit der die Bürger derzeit in Wahlumfragen drohen. Kein Wunder, dass einer die Sprache darauf bringt, der im Herbst einer Wahl entgegensieht. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hat nach dpa-Meldungen erklärt: Je fehleranfälliger das Verfahren und je problematischer die Gesetzesvorlagen seien, „desto mehr ist das ein weiterer Katalysator für die AfD".

In jedem Fall hätte ein morgen beschlossenes Heizungsgesetz der AfD sehr geholfen. Doch ihr nutzt nicht nur die überstürzte Eile in der Beschlussfassung. Ihr nutzt auch das weitere Festhalten an einer rein ideologischen „Klimarettungs"- und Energiepolitik ohne Rücksicht auf Wirtschaft und Wohlstand. Die wagt sich aber auch kaum jemand aus der CDU grundsätzlich infrage zu stellen – wohl aber mehr und mehr die Bürger, allein schon angesichts der Rekord-Energiepreise. Die Grünen wiederum werden von ihren Vorhaben nicht lassen.

Insofern kann man sich zwar über die Verfassungsgerichts-Entscheidung als Zeichen eines kleinen Sieges der Vernunft freuen, doch am Ende ist das Gesetzgebungsverfahren beim Heizungsgesetz nur eine kleine Spitze eines großen Eisbergs.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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H. Nietzsche / 06.07.2023

“Die Grünen werden nicht aufgeben.” Ja klar, Ideologen ändern ihre Meinung nicht. Sie erkennen eine Schwachstelle im BVG und werden dran arbeiten. Sie werden dringend versuchen, mit einer “Nationalen Front des Demokratischen Deutschland” Gesetze durchzupeitschen, die zu einem AfD-Verbot führen. Dann herrscht im Bundestag die einzig wahre richtige Einstellung, und niemand mehr stört. Und Abwählen geht auch nicht mehr.

Robert Korn / 06.07.2023

Man freue sich nicht zu früh. Vielleicht wäre es sogar besser gewesen, die Koalition hätte am Freitag dieses Gesetz so wie jetzt eingebracht, beschlossen. Das wäre dann auch mit diesen Inhalten angreifbar gewesen. Jetzt haben die Regierenden Zeit und Gelegenheit, die gröbsten Fehler nachzubessern. Oder auch nicht, was weiß ich schon….

T.Plath / 06.07.2023

Ein Sieg. Leider nur ein vorläufiger und kleiner. Das dicke Ende kommt noch.  Wetten, dass? Was interessieren Rot-Grün die Menschen, die sich den extrem teuren Umbau nicht leisten können?  Da hilft auch kein Kredit. Den kann man sich nicht leisten.  Da hat man einfach Pech gehabt und hat zu gehorchen. Basta.  Aber egal.  Alles wird gut.  Die Schafe können dann gefälligst ihr altes kleines Haus oder die kleine Eigentumswohnung zum Dumpingpreis verkaufen.  Das Geld ist ja nicht weg (Habeck).  Es ist nur bei anderen. Dann wird das Eigentum vielleicht billig von dubiosen Firmen aufgekauft, die u.U. von der Regierung durchaus nicht unerwünscht sind.  So kann denn später teuer vermieteter Wohnraum für die Schafe oder auch für unsere neuen Mitbürger (die ja ohne Obergrenze zu uns kommen sollen und meistens von uns jahrelang finanziert werden, na klar) geschaffen werden.  So geht die kalte Enteignung von Bundesbürgern. Toll. Und dann kommt zum Schluß noch die Bürgerschelte der Politiker und der öffentlich-rechtlichen Medien und ihrer Kettenhunde.  Alles tönt:  “Was fällt euch ein, Protest zu wählen. Ihr habt uns zu wählen, ganz egal, was wir machen…”  Das wird dann sicher immer und immer wieder wiederholt werden , bis es der Letze glaubt.  Ach, was haben wir auch für eine tolle Regierung und tolle Mainstream-medien.  Das kleine Deutschland zeigt der Welt , wie es geht, auch wenn die Wärmepumpen im Winter massiv viel teuren Strom verbrauchen und für die Umwelt gar nichts bringen.  Und nebenbei wird unser schönes Grundgesetz mit den Grundrechten, die uns eigentlich zustehen, ganz kräftig sukzessive verwässert bis hin zur faktischen Löschung der Grundrechte.  Jawoll.  Deutschland hat es geschafft, eine Vielzahl seiner Bürger finanziell und moralisch zu ruinieren.  Klasse.  Nur weiter so.

Paul Ehrlich / 06.07.2023

Das alles ist eh ein ganz großer Schwindel mit Klimaschutz und CO2 Reduzierung. Warum wird denn CO2 in die Treibhäuser gepumpt? Damit die Tomaten besser wachsen. Es ist nicht klimaschädlich, CO2 ist schwerer als Luft, ist also in Bodennähe zu finden. Wie soll es dann bitteschön zur Erwärmung beitragen? Alles nur gigantische Abzocke und das nur in Teilen Europas. Und vor allem in Doofland. Wie kann man nur so blöd sein und sich von solchen Trotteln über den Tisch ziehen lassen. Hier müsste es schon lange so abgehen wie in Frankreich. Die dürften gar nicht mehr wissen wie Ihnen geschieht. Im Tierreich wird nie der Dümmste der Anführer.

Bernd Oberegger / 06.07.2023

Es wurde tatsächlich nur die Spitze eines Eisberges angekratzt. Merz benutzt einen CDU-Abgeordneten als Feigenblatt, Teil einer Überlegung im Kampf gegen die AFD. Es hätte Merz gut angestanden, den Eilantrag selbst zu stellen. Offensichtlich will man sich zukünftige Koalitionen mit den “Grünen” offenhalten. Man sieht in diesen doch den Überlebenssaft der CDU. Für wie dumm hält man die noch Wählenden?

Karsten Dörre / 06.07.2023

Man kann alle Gesetzesvorlagen als Katalysator für dieses oder jenes brandmarken oder befürworten. So ist das Leben in Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie.

Sepp Kneip / 06.07.2023

Welch grandiose Nachricht. Ja, die AfD wirkt. Ohne AfD im Nacken hätte auch sicher Heilmann diesen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gegen das beschleunigte Verfahren nicht eingereicht. Dass sich die AfD diesem Antrag angeschlossen hat, ist nur zu begrüßen. Hier hat Habeck wirklich eins auf die Schnauze gekriegt. Wird es der FDP nicht langsam mulmig in diesem Tollhaus? Manche Äußerung von FDP-Granden lässt darauf schließen. Es wird höchste Zeit, dass die AfD mit in die Regierungsverantwortung kommt. Es wird immer klarer, dass das Programm und die Forderungen der AfD richtig und für den Bürger gut sind. Und der Bürger scheint das immer und immer mehr zu begreifen. Dass die AfD in den Mainstream-Medien bezüglich des Antrag ans BVG nicht vorkommt, zeigt die Borniertheit dieser Spezies. Aber die AfD lässt sich auf Dauer nicht mehr totschweigen.

Martin Sauer / 06.07.2023

Hm, die Frage die sich stellt ist doch diese: Wieso kam denn der Merz nicht selbst auf die Idee diesen Weg zu gehen? Er sieht sich als Sieger, schmückt sich mit fremden Federn, was soll das? Er hätte einer völlig übereilten Entscheidung zugestimmt, da gibt es keine Frage, Informationen welchem Inhalt er zustimmt oder sich mal auftragsgemäß mit dem Inhalt beschäftigen—-Fehlanzeige! Ob die ganze Inszenierung nicht dazu gedacht war unschlüssigen oder unzufriedenen CDU/CSU Wählern eine Entscheidungshilfe zu bieten und sie weg von der AfD wieder in den Schoß der Blockpartei zu holen? Das wäre für mich persönlich vorstellbar, dann wäre die Entscheidung des Gerichts auch regierungskonform wie es sich gehört….. Die Freunde Der Plünderer (FDP) spucken ebenfalls jetzt große Töne, fallen aber beim ersten Hauch von Gegenwind um, diese Einhornstreichler, wer wählt diese Maulhelden?

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