Rainer Bonhorst / 19.09.2020 / 06:15 / Foto: Pixabay / 96 / Seite ausdrucken

Das Märchen von der Superspreaderin

Hier mein Vorschlag für das Unwort des Jahres: die Superspreaderin. Sie ist das Beispiel einer Hysteriegeburt, die sich vom Supermonster beim ersten Kontakt mit der Realität in ein Nichts auflöste. Eine Illusion, eine Fata Morgana, ein Phantasieprodukt. Es geisterte wie das Monster von Loch Ness durch die Medien und die Korridore der Politik. Real war nur die arme Frau, die nach einem Kneipenbesuch in Garmisch-Partenkirchen zur medizinischen Staatsfeindin Nummer eins hochgehypt wurde. Arme junge Frau. 

Arme Amerikanerin. Die 26-Jährige dürfte sich wie in Feindesland vorgekommen sein. Denn das kam den Erfindern der Superspreaderin gerade zupass. Dass sie eine Amerikanerin war, und damit unter dringendem Trump-Verdacht. Kein Wunder, dass der Gottseibeiuns von Washington/New York eine solche Ausgeburt der Hölle nach Deutschland exportieren würde. Sie kam wie gerufen.

Halb Garmisch-Partenkirchen soll sie angesteckt haben, weil sie unter Missachtung der strengen Corona-Regeln von Beisl zu Beisl gezogen sei. Eine Schneise der Corona-Verwüstung soll sie tornadogleich hinter sich zurückgelassen haben. Die Empörung breitete sich als Lauffeuer von Medium zu Medium aus. Politiker schlossen sich als apokalyptische Reiter der wilden Jagd an.

Allen voran natürlich Markus Söder, der Superschnelle. Er verdammte im Eiltempo die Arme als „Musterfall für Unvernunft“ und forderte „Konsequenzen“ und „harte Bußgelder“. Sogar die Staatsanwaltschaft wurde bemüht.

Und nun stellt sich die Frage, wo der „Musterfall an Unvernunft“ tatsächlich stattgefunden hat. Bei der Amerikanerin oder im deutschen Medien- und Politikerland? Denn tatsächlich ist die „Superspreaderin“, wie sich bald herausstellte, nicht von Kneipe zu Kneipe gezogen. Nach ihrem Corona-Test, dessen Ergebnis sie noch nicht hatte, hat sie wohl noch eine Wirtschaft besucht. Aber nichts weist darauf hin, dass sie dabei irgendjemanden angesteckt hat. Der Anstieg der Corona-Erkrankungen in Garmisch-Partenkirchen hat mit der armen Superbösewichtin, wie man jetzt weiß, nichts zu tun. Gor nix, um die Landessprache zu bemühen. Die ganze Aufregung, die offenbar um ein Vielfaches ansteckender war als das Corona-Virus, war a Schmarrn. Ein phantastisches Stück Hysterie mit einer Prise Antiamerikanismus.

Und jetzt? Vielleicht entschuldigt sich noch jemand bei der auf groteske Weise vorschnell und falsch Verdächtigten. Wie könnte so eine Entschuldigung lauten? Etwa so: Sorry, aber wir haben, wenn es um Corona geht, zur Zeit leider nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Foto: Pixabay

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E. Fischer / 19.09.2020

“Latten am Zaun”, geschätzter Herr Bonhorst, “Latten am Zaun”, um den großen süddeutschen Vordenker in Kompetenzkompetenzfragen zu bemühen. Ein erquickliches Wochenende für Sie. Beste Grüsse E. Fischer

Frank Stricker / 19.09.2020

Vielleicht gibts ja jetzt eine Entschuldigung vom hyperventilierenden Söder, ein Dirndl mit stars and stripes und eine Weißwurst-Flatrate….......

Michael Hinz / 19.09.2020

Ob Superspreaderin, die keine war, oder Netzwerke rechter Polizisten, die - privat -irgendeinen Blödsinn gepostet haben: Es geht jetzt um die Etablierung einer Empörungskultur. Basis bleibt die Political Correctness, die uns schon die Gesinnungsdiktatur und Zensur allerorten beschert hat. Frage: Wie weit ist der Weg noch von dieser Empörungskultur bis zum ersten neuen Gulag?

J.G.R. Benthien / 19.09.2020

Jeder messerstechende »Flüchtling« muss als »mutmasslicher« Täter bezeichnet werden, auch wenn er der einzige mit dem blutigen Messer im Umkreis von 20 Kilometern war. Bei Corona hingegen gilt die Unschuldsvermutung nicht mehr, da ist plötzlich alles eindeutig und erlaubt. Es kotzt mich nur noch an.

Bernhard Freiling / 19.09.2020

Die Latten am Zaun fehlen nicht nur hinsichtlich der Corona-Berichterstattung. Spätestens seit Chemnitz, wo der Mordanschlag eines Asylanten in eine Hetzjagd auf Ausländer umgedeutet wurde, gehen der Mainstream-Medienlandschaft zunehmend die Latten am Zaun aus. Oder ging es schon viel früher los? Als Merkel 2010 “Deutschland schafft sich ab” als “nicht hilfreich” deklarierte (ohne es gelesen zu haben) und sich der Mainstream einstimmig anschloß? ++ Brauchen wir ganz dringend so etwas wie eine virtuelle “Hall of Shame”, in der die größten Medienlügen für immer der Nachwelt erhalten bleiben, ohne daß man groß hinterher suchen muß? Wie wär’s ergänzend mit einer jährlichen Veranstaltung, natürlich öffentlich, anläßlich der die “Eduard-von-Schnitzler-Gedenkmedaille”, in Blech, Rost und stillem Gedenken, für die größte Medienschweinerei verliehen wird? ++ In den 1960er bis 1980er Jahren besaß die Bild-Zeitung das Monopol auf herbei halluzinierte “Sensationen”. Ein guter “Bild-Reporter” erspürte förmlich Dinge, “die in der Luft liegen”. War da mal nix zu finden, war er in der Lage, auch mal selbst was dorthin zu legen. Angesichts dessen, was heute so abläuft, scheint die gesamte Mainstream-Medienlandschaft vom damaligen Bild-Geist durchdrungen. Wobei die öffentlich rechtlichen Sendeanstalten diesen zur Kunstform erhoben haben. Einzig die Springer-Medien gerieren sich heute hin und wieder als Hort der Wahrheit. ++ Besitzt das nicht Alles, was eine gute Realsatire benötigt?

Stefan Riedel / 19.09.2020

“...Halb Garmisch-Partenkirchen soll sie angesteckt haben, weil sie unter Missachtung der strengen Corona-Regeln von Beisl zu Beisl gezogen sei. Eine Schneise der Corona-Verwüstung soll sie tornadogleich hinter sich zurück gelassen haben. ...”. Und in wessen Auftrag? Wir alle haben es schon immer geahnt. Donald Trump!

Gerd Heinzelmann / 19.09.2020

Ich kenne diesen “Skandal” nur als Gerücht. Ob das an der deutschen Presse liegt?

K. Schmidt / 19.09.2020

Diese Krise hinterlässt Bayern auf dem gleichen Niveau wie Berlin - politisch, wirtschaftlich und medial.

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