Prof. Dr. Micha Brumlik, Erziehungswissenschaftler mit Schwerpunkt „Theorie der Erziehung und Bildung“, hat in der taz einen Artikel über „Antisemitismus und Islamfeindlichkeit“ veröffentlicht, in dem er sich nicht nur mit dem Judenhass und der Islamophobie beschäftigt, sondern auch mit der Auseinandersetzung um das Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung und dessen Direktor, Prof. Dr. Wolfgang Benz. http://www.taz.de/1/debatte/theorie/artikel/1/vergleichen-heisst-nicht-gleichsetzen
Das allein wäre noch nicht bemerkenswert, denn „Wissenschaft“ heißt nicht nur, beieinander abschreiben und sich die Texte gegenseitig zur Rezension zu schicken, es heißt auch, einander beistehen und aus der Patsche helfen. Freilich: Brumliks Beitrag hat noch einen anderen Subtext. Benz geht demnächst in Rente, der Posten wird extern ausgeschrieben, was bedeutet, dass Werner Bergmann, Professor am ZfA, der lange als aussichtsreicher Nachfolger von Benz galt, es nicht wird. Auf den Fluren des ZfA wird deswegen über eine andere Möglichkeit spekuliert. Sie heißt zufällig Micha Brumlik, denn erstens gibt es zwischen Flensburg und Berchtesgaden nicht viele qualifizierte Kandidaten für den Posten, und zweitens wäre es für das angeschlagene Renommee des ZfA gut, wenn nicht nur ein Prof. sondern auch ein Jude es leiten würde. Da wäre es sicher nicht kontraproduktiv, wenn Brumlik sich beizeiten dezent in Stellung bringen würde.
Das ist, wie gesagt, eine Spekulation, aber sie steht auf solideren Füßen als Brumliks Versuch einer Ehrenrettung von Prof. Benz. Und wie bei fast jeder Gefälligkeit unter Kollegen erweist sie sich am Ende als ein Bärendienst.
Es geht damit los, dass Brumlik über das „renommierte Zentrum für Antisemitismusforschung in Berlin unter Leitung des ebenso renommierten Historikers Wolfgang Benz“ schreibt. Nun, wer renommiert ist, muss nicht als renommiert beschrieben werden. Das klingt wie die Ankündigung einer drittklassigen Band („Bekannt aus Film, Funk und Fernsehen“) an der Strandpromenade von Nienhagen.
Es geht weiter, indem Brumlik sich einer „Gruppe von Autoren“ annimmt, die sich zum Zwecke einer „publizistischen Kampagne“ zusammengetan hat. So denkt einer, der selber konspiriert und intrigiert, um voran zu kommen, und sich nicht vorstellen kann, dass andere auf eigene Rechnung und Gefahr schreiben und veröffentlichen. Und wenn ein paar Leute in einem Punkt übereinstimmen, dann bilden sie nicht eine Schnittmenge, sondern betreiben gleich eine „Kampagne“. Etwas anderes kann sich ein Theoretiker der Erziehung und Bildung nicht mal vorstellen.
Brumlik bewegt sich auf einem sehr schmalen Grat zwischen Lüge und Unwahrheit, wenn er schreibt: „Wolfgang Benz… ließ... wissen, dass wichtige Mitglieder des Zentralrats der Juden in Deutschland im persönlichen Gespräch nichts gegen eine solche Tagung einzuwenden hätten, was diese auf telefonischen Rückruf von Henryk M. Broder jedoch nicht bestätigen wollten - womit Benz nun beschädigt dastand.“
Benz hatte ausdrücklich drei Zeugen genannt: Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, den Gesandten der israelischen Botschaft und den SPD-MdB Gert Weisskirchen. Sowohl Lala Süsskind wie Ilan Mor versicherten, über dieses Thema mit Benz überhaupt nicht gesprochen zu haben; allein Gert Weisskirchen, auch er ein großer Taktiker vor dem Herrn, sagte weder ja noch nein und liess wissen, er wolle sich nicht äußern. Brumliks Formulierung – „was diese… jedoch nicht bestätigen wollten“ – ist eine zärtliche Untertreibung. Nicht das von Benz herbei gezauberte falsche Alibi ist das Problem, sondern dass er sich mit beiden Armen im Mustopf der Lüge erwischen liess.
Völlig aus der Luft gegriffen ist der Satz: „Nur zu gut zu verstehen ist gleichwohl, dass er (Benz) sich später weigerte, auf Einladung der Gruppe mit ihr öffentlich zu diskutieren.“
So wie es keine Gruppe gibt, gab es auch keine „Einladung der Gruppe“ mit ihr zu diskutieren. Was es gleichwohl gab, war eine geplante Diskussion über Antisemitismus bei der „Bnei Brit“ – mit Benz, Deidre Berger vom AJC und mir. Sie kam nicht zustande, weil Benz nicht mitmachen wollte und ich keine Lust hatte, allein mit einem Leichtgewicht wie Deidre Berger in die Bütt zu steigen.
Auch im weiteren Verlauf seiner Bemühungen, historische Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamophobie herauszuarbeiten, kommt Brumlik immer wieder auf die „genannte Autorengruppe“ zurück, um schließlich zu resümieren: „Das differenzierte Bild lässt keinen anderen Schluss zu, als dass die Autorengruppe sich ebenso fundamentalistisch verhält wie die radikalen Islamisten…“
Brumlik hat nicht nur vom Islam und Islamismus keine Ahnung, er weiß auch nicht, was Fundamentalismus ist. Er hält es mit Günter Grass, der die Gewaltexzesse empörter Moslems nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in Jyllands-Posten eine „fundamentalistische Antwort auf eine fundamentalistische Tat“ genannt hat. Und während die radikalen Islamisten den Dialog mit dem Rest der Welt suchen, indem sie sich in die Luft sprengen, Geiseln enthaupten und Mädchen heiraten, denen sie den Besuch von Schulen verbieten, suchen die Mitglieder der „Autorengruppe“ die Konfrontation um jeden Preis. Sogar mit dem renommierten Direktor eines ebenso renommierten Instituts.
Brumlik als akademischen Schaumschläger zu bezeichnen, der Gefälligkeitsartikel schreibt, um seine eigene Karriere zu befördern, wäre sicher ein wenig übertrieben. Kann sein, dass er nur ein politisch überkorrekter sprachloser Schwätzer ist. Man wird ja noch fragen dürfen. Vergleichen heißt ja nicht gleichsetzen.