Henryk M. Broder / 31.03.2009 / 05:20 / 0 / Seite ausdrucken

Around the Mall 12

Sie sehen aus, als wären sie gerade mit der Mayflower gekommen, die Männer tragen weite Hüte zu vollen Bärten, die Frauen Hauben über dem Dutt; sie sprechen eine eigene Sprache; sie heiraten untereinander, wobei die Eltern bei der Wahl des Partners mitreden; Sex vor der Ehe ist tabu, die Geburtenrate ist hoch; sie unterrichten ihre Kinder selbst, die Jugendlichen gehen weder ins Kino noch in die Disco, die Erwachsenen schauen nicht fern und hören nicht Radio; sowohl in den Familien wie in der Gemeinschaft gibt es eine klare Rollenzuweisung, die nicht hinterfragt wird; ihre Häuser erkennt man daran, dass sie nicht an das Stromnetz angeschlossen sind; den Strom, den sie brauchen, erzeugen sie mit Winrädern; sie fahren keine Autos, sondern Kutschen, die von Pferden gezogen werden; sie leben von Landwirtschaft, wobei sie weder bei der Aussaat noch bei der Ernte Maschinen benutzen; sie sind Fundamentalisten, aber sie beten daheim und sie missionieren nicht. Es ist extrem schwierig, ihrer Gemeinschaft beizutreten, aber sie lassen Austritte zu; sie haben einen strengen Moralcode, zwingen ihre Moral aber niemand auf.

Die Amish sind anders als die Anderen. Und dennoch hat weder die Gesellschaft ein Problem mit ihnen, noch haben sie ein Problem mit der Gesellschaft. Sie grenzen sich ab, aber sie werden nicht ausgegrenzt, nicht ausgelacht und nicht genötigt, sich der Gesellschaft anzupassen. Im Gegenteil, die Gesellschaft kommt ihnen entgegen und läßt sie sein, wie sie sind.

In Deutschland würde man von einer Parallelgesellschaft sprechen. Und das sind die Amish in der Tat. Der entscheidende Unterschied zu den Parallelgesellschaften, die sich in Deutschland, Holland und Frankreich etabliert haben, liegt darin, dass von den Amish keine Bedrohung ausgeht. Sie verüben keine Ehrenmorde und sie zeigen keine Verachtung für Menschen, die direkt neben ihnen nach anderen Regeln leben. Dafür arbeiten sie sechs Tage in der Woche und haben deswegen keine Zeit, sich darüber zu beschweren, dass sie zu kurz kommen.

In einer Parallelgesellschaft zu leben, ist keine Schande. Anderssein ist kein Makel. Man muss sich nur benehmen wollen.

Siehe auch: Amish in Brooklyn
http://news.yahoo.com/s/ap/20090331/ap_on_re_us/amish_in_brooklyn
Und hier gibt es auch Fotos:
http://www.ynetnews.com/articles/1,7340,L-3695558,00.html

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