Wolfgang Röhl / 19.03.2013 / 09:48 / 0 / Seite ausdrucken

Adolf toppt, Sexismus floppt. Über Magazinauflagen

Was Menschen bewegt, was sie lieben, lesen, kaufen, wählen oder eben nicht, versuchen Markt- und Meinungsforschungsinstitute auszuloten. Deren Ergebnisse sind bekanntlich mit Vorsicht zu genießen. Denn selbst in anonymisierten Umfragen machen sich die Befragten instinktiv besser als sie sind. „Besser“ heißt, sie heulen mit den anderen Wölfen des Rudels, deren Vorheuler wiederum in Redaktionstuben und Sendeanstalten sitzen. So kommt es zu manch einem Waterloo der Meinungsforschungsindustrie. Wie bei der vergangenen Niedersachsen-Wahl, als die von fast allen Medien plattgeschriebene und -gesendete FDP entgegen sämtlicher Prognosen fast 10 Prozent einsammelte. Viele CDU-Anhänger hatten den Meinungsforschern verschwiegen, dass sie den auf der Shitliste der Meinungsmacher stehenden Liberalen ihre Stimme leihen würden.

Ferner krankt das Meinungsgeforsche bekanntlich daran, dass die Fragestellung die Antwort bestimmt. Fragt man Bundesbürger schlicht, ob sie „erneuerbare“ Energien dem Kohle-, Gas- oder Atomstrom vorziehen, so ist ein Ja garantiert. Fragt man sie aber auch noch, ob sie dafür fünfmal so viel zu zahlen bereit wären, öfters Blackouts in Kauf nehmen würden und sich vorstellen könnten, ihre Waschmaschine nachts um vier anzuschmeißen, weil dann gerade mal ein kräftiger Wind bläst, sieht die Sache schon anders aus.

Danach fragt natürlich kaum ein Institut. Viele Umfragen werden von Ministerien, Parteien, Verbänden oder Pressuregroups wie Greenpeace bestellt. Auf ehrliche Antworten sind die nicht scharf. Sie wollen Munition für Kampagnen, mehr nicht.

Wer aber an der realen Stimmungslage der Nation interessiert ist, für den gibt es ein hübsches Indiz: den wöchentlichen Cover-Check der Mediendienste. Darin wird abgebildet, wie sich die Magazine „Spiegel“, „Stern“ und „Focus“ mit ihren aktuellen Titelthemen verkauft haben und wie die Tendenzen über Quartale und Jahre aussehen. Die „Abstimmung am Kiosk“ (Axel Springer) ist ein ziemlich valider Maßstab.*

Ein ehernes Prinzip lautet, jedenfalls beim Spiegel: Adolf und seine Spießgesellen gehen immer gut, am besten mit aufgeklebter DVD. Dass ein einschlägiger Spiegel-Titel kürzlich floppte, ist kein Gegenbeweis. Die Nummer 5/2013 („Hitlers Uhr, Deutschlands Geheimnis“) war wohl sogar der nach Nazikram lechzenden Spiegel-Leserschaft etwas zu abgedreht. „Tickt der Spiegel noch richtig?“ fragte der Branchendienst “Meedia” irritiert.

Höchst erfreulich für den Spiegel lief dagegen Heft 44/2012 (auf dem Titel: „Wüstenfuchs“ Rommel), ein dicker Klops an brauner Sauce. Mit 345.000 Einzelverkäufen am Kiosk landete das Sturmgeschütz damit einen Volltreffer - lange vorher nicht erreicht und seither nicht wieder. Dagegen stürzten Spiegel-Titel über den untreuen US-General Petraeus, die schlimme Deutsche Bank, Steinbrücks Peinlichkeiten und den angeblich total verunsicherten heutigen Mann ab, bis runter auf 267 000 EV.

Der Stern punktete in den vergangenen Monaten mit einem diätwilligen Moppel auf dem Titel (Heft 45/2012, 254 000 EV), einer sympathischen Katze sowie mit einem Depressionstitel in düsterer Jahreszeit. Im Gegenzug stürzte das von dem amtierenden US-Präsidenten stets begeisterte Magazin mit gleich zwei Obama-Titeln steil ab. Ebenso mit einem zwar originell gestalteten, jedoch etwas hämisch rüberkommenden Rententitel, der grafisch wie eine „SZ“-Beilage wirkte. Der Focus, im Einzelverkauf zumeist deutlich unter 100 000 Heften, stieg mit Burnout & Depressionen sowie mit Stil & Knigge bis auf 130 000 Verkaufte. Miserabel, sogar für Focus-Verhältnisse, verkaufte sich indessen der Titel „Wir wollen keine Frauenquote“, gestaltet wie ein legendäres Stern-Heft von 1971 („Wir haben abgetrieben“).

Ach, die deutsche Talkshow-Schnattermaschinerie, von ihren Machern gern zur Debattenkultur geadelt, funktioniert im Printbereich offensichtlich schlecht. Was öffentlich-rechtliche TV-Redakteure auf ihre Agenda setzen, liegt am Kiosk oft wie Blei. Eine „Desaster-Woche für Spiegel, stern und Focus“ nannte der Branchendienst „Meedia“ die vor kurzem ausremittierte Heftwoche 6/2013: „Der schwächste Spiegel seit Start der IVW-Heftauflagenmessung Mitte der 1990er-Jahre, der zweitschwächste stern in dieser langen Zeit und der schwächste Focus aller bisheriger Zeiten.“

Was war auf den Covers der gefloppten Hefte?

Für „Deutschlands gescheiterte Familienpolitik“ (Spiegel-Titel) interessierten sich wenige. Das Thema, hoffnungslos zerredet, die zuständige Ministerin, hoffnungslos inkompetent, ein hoffnungslos langweiliges Terrain. Wer das als Spiegel-Blattmacher nicht ahnt, sitzt hoffnungslos am falschen Platz. Der Focus floppte mit der Titel-Frage: „Was darf Mann noch?“. Eine erneute Niederlage an der Verkaufsfront, hoch verdient wegen Anwanzens an ein bloß vermeintliches Trendthema.

Offenkundig ist die Mär vom untergehenden Mann, der vor Verunsicherung ob lauter starker Frauen kaum noch einen hoch kriegt, ja allein in den Oberstübchen von RedakteurInnen heimisch, welche ständig „Süddeutsche“, „taz“, „Zeit“ oder Geistesverwandtes konsumieren. Das schon erwähnte Spiegel-Debakel mit dem Titel-Thema „Oh, Mann!“ zeigte einen von seinem Sockel gestiegenen Proto-Typen in schierer Verzweiflungshaltung. Als ob der auf dem Klo sitzt und nicht kann.

Derlei Bilder mögen in den feuchten Träumen von Feministinnen vorkommen. Der Rest der Menschheit hat andere Vorstellungen.

Am Erstaunlichsten: der stern-Doppelflop. Das Magazin hatte mit den ranzigen Bemerkungen des Rainer Brüderle gegenüber einer bis dahin wenig bekannten stern-Journalistin ein bundesweites Hysteriefeuerwerk initialisiert, wurde mal gelobt und mal kritisiert, auf jedem Fall zitiert ohne Ende. Anderthalb Wochen schwamm der stern auf einer Welle der Aufmerksamkeit anderer Medien, als habe er Watergate aufgedeckt und nicht Dirndl-Gate. Er hätte sich -zumindest kurzfristig - verkaufen müssen wie ein neues iPhone.

Aber Fehlanzeige.

Nicht nur Heft 5/2013, das die betagten Erinnerungen der stern-Reporterin über ihr Bargeplänkel mit dem frivolen FDP-Granden enthielt, lief miserabel. Noch schlechter (221 000 Einzelverkäufe) lief die nachfolgende stern-Ausgabe, in der die Redaktion unter dem Titel „Der tägliche Sexismus“ die Brüderle-Geschichte „weitergedreht“ hatte (im Journalismus die Masche, ein singuläres Ereignis als repräsentativ für eine gesellschaftliche Tendenz aufzublasen).

Was das lehrt? Dies, zum Beispiel: so, wie eine Realwirtschaft existiert und eine ins Virtuelle abgedriftete Finanzwirtschaft, die nur eine Zeit lang von irgendwelchen Leerverkäufen lebt, gibt es auch handfeste, das Lese-Volk umtreibende Themen. Und dann gibt es da Themen, die allein in der erhitzten Imagination von Redaktionen existieren, in deren Konferenzen viel zu viel Genderquark, Quotengedöns und Sexismusgebrabbel breitgetreten wird.

Was dann manchmal am Kiosk als „absolutes Kassengift“ (Meedia) endet.

Mit „Hitlers Hunde“ könnte wenigstens der Spiegel demnächst mal wieder punkten. Blondi hatte doch sicher Vorgängerinnen? Nazis gehen immer. Hunde erst recht. Zusammen ein Dreamteam! Bringt 400 000 im Einzelverkauf, schätzungsweise.


* Das mussten auch Zeit und stern leidvoll erfahren. Die Zeit-Ausgabe vom 3.12. 2009 („Ab heute retten wir die Welt!“), anlässlich des damaligen Kopenhagener Weltklimagipfels weitgehend auf „Klimaschutz“-Themen gequält, verkaufte sich am Kiosk mau. Noch weitaus glückloser lief eine ähnlich gestrickte Ausgabe des stern. Die Macher beider Blätter beschlossen, so was nicht wieder aufzulegen. Heute sind moralinsaure Kampagnen von ähnlicher Penetranz („Woche der Brüderlichkeit/der Schwesterlichkeit/der Behinderten/der sozial Ausgegrenzten/der ausländischen Mitbürger“ etc. pp.) ein Privileg der öffentlich-rechtlichen Demokratieabgabe-Anstalten. Denen können die realen Interessen ihrer Hörer & Seher herzlich schnurz sein.

 

 

 

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