Henryk M. Broder / 16.05.2012 / 23:11 / 0 / Seite ausdrucken

Aborigines auf Abwegen

Kerstin M., die Pressefrau des Araki-Verlages in der Gesellschaft für Integrale Ökologie und Sozialforschung Leipzig, bewirbt ein neues Buch mit dem Titel “Die Queste”. Das bedeutet so viel wie “Die Suche”, aber “Die Queste” klingt irgendwie aufregender. “Es handelt sich um eine in Romanform beschriebene Rundreise des australischen Sozialpsychologen und Kulturforschers Steven, der an geschichtsträchtigen Orten Deutschlands, Polens und Österreichs das Leben der jüdischen Menschen im Dritten Reich aufarbeitet. Dazu wendet er die Weltsicht der Aborigines als Methode an, welche dem Leser neue Blickwinkel auf die Geschichte z. B. in Auschwitz oder im Geburtshaus Hitlers verschafft. Bei alldem ist das Buch pazifistisch und aufklärend. Im Anhang schicken wir Ihnen eine Buchbesprechung zur freien Verfügung.”

Die Buchbesprechung, die den Redaktionen zur freien Verfügung gestellt wird, wurde von Kerstin M. verfasst. Darin heisst es u.a.: “Steven hatte deutsche Eltern, die Mutter zu ihrer Zeit für ihre arische Schönheit bewundert, der Vater Jude, das damals einzig gültige charakterisierende Merkmal. Steven, der Sozialpsychologie studiert hat und dessen Hauptinteresse schon immer Kultur vergleichende Studien waren, begibt sich auf die Suche zum Verstehen der Geschichte seiner Eltern in Nazideutschland. Freunde und seine Frau begleiten ihn auf dieser Rundreise zu den geschichtsträchtigen Orten in Deutschland, Polen und Österreich. Sein Guide ist der Message Stone. Dessen Funktion basiert auf dem Weltverständnis der Aborigines. Steven besucht unter anderem das Konzentrationslager Auschwitz, den Adlerhorst, das Geburtshaus Hitlers, aus dem die Stadt Braunau nicht ein Mahnmal an die Vergangenheit, sondern eine gegenwärtige Stätte der tätigen Liebe, eine Behindertenwerkstatt, gemacht hat, und lässt überall dort den Stein für sich arbeiten. Auf Tonband beschreibt er die psychologische Wirkung auf sich. Es sind spirituelle Erfahrungen, Steven ‘träumt’ die Orte auf Aborigineart.”

Das ist es, was man beim Araki-Verlag in der Gesellschaft für Integrale Ökologie und Sozialforschung Leipzig unter Synergien versteht. Werbung und Rezension liegen in einer Hand. Steven wird es trotzdem schwer haben, denn bei LangenMüller kommt zur gleichen Zeit ein ähnliches Buch heraus, “Todleben” von Uwe von Seltmann. In der Pressemitteilung heisst es: “2006 treffen Uwe von Seltmann und Gabriela in einem Cafè in Krakau aufeinander und verlieben sich. Er ist deutscher Journalist, sie polnische Künstlerin. Doch während sein aus Österreich stammender Großvater während des Zweiten Weltkriegs als SS-Mann in Polen stationiert und an der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes war, wurde Gabrielas Großvater 1944 in Auschwitz ermordet. Sind sich diese beiden Männer je begegnet, ist der eine möglicherweise sogar für den Tod des anderen verantwortlich? Auf der Suche nach Antworten reisen Uwe und Gabriela von Seltmann durch Europa. Vom ukrainisch-polnischen Galizien, über Krakau, Lublin, Majdanek und Auschwitz nach Wien und bis ins spanische Galicien führt sie ihre Suche nach der Wahrheit. Sie sprechen mit Überlebenden des Holocausts, aber auch mit Angehörigen von NS-Verbrechern, um sich endlich ein Bild machen zu können über zwei verschiedene Familiengeschichten, die auf fatale Weise miteinander verbunden sind.”

Ja, das ist wirklich fatal. Wer weiss, vielleicht sind beide Großväter im selben KZ ums Leben gekommen, der eine wurde vergast, der andere ist besoffen vom Wachturm gefallen, so was verbindet. Noch toller wäre es nur, wenn sich Steven und Uwe von Seltmann irgendwo zwischen Auschwitz und Adlershorst begegnet wären und dabei vereinbart hätten, dass der eine die Geschichte des anderen zu Ende schreibt. Das wäre dann große Literatur - und ein Fall für Denis Scheck.

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