Claudio Casula / 23.12.2011 / 08:48 / 0 / Seite ausdrucken

10 Bücher für den Gabentisch

Fast schon eine kleine Tradition: Empfehle gern eine Auswahl der Bücher
weiter, die ich im ablaufenden Jahr mit Gewinn (wieder-)gelesen habe.

Steven Pinker:
Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit

1033 Seiten (ohne Anhang, der noch mal 189 Seiten umfasst), aus denen sich
unendlich viel lernen lässt – über Geschichte, Psychologie, Ethnologie,
Hirnforschung und mehr. Grandioses Werk über den Prozess der Zivilisation,
der die menschliche Gewalt in all ihren Formen tendenziell zurückgehen ließ,
auch wenn sich mindestens eine Region der Erde ziemlich resistent dagegen
zeigt.

Jonathan Wilson:
Revolutionen auf dem Rasen
Eine Geschichte der Fußballtaktik

Hört sich sperrig an, ist aber alles andere als das. Höchst informative, gut
geschriebene und sehr unterhaltsame, mit Anekdoten gespickte Darstellung
fußballerischer Entwicklungsgeschichte – vom zunächst recht planlosen
Gekicke in der Frühzeit des Sports auf der britischen Insel über das
legendäre und weltweit praktizierte WM-System bis zum formvollendeten Tiki
Taka des FC Barcelona. Jedem Fußballfreund ebenso zu empfehlen wie jedem
Ingnoranten, der meint, auf dem Rasen liefen doch nur 22 Personen einem Ball
hinterher.

Simon Sebag Montefiore:
Jerusalem. Die Biographie

Packende Gesamtdarstellung der Geschichte der Heiligen Stadt aus der Feder
des bekannten Stalin-Biographen. Und, ja: Der Autor ist tatsächlich ein
Nachfahre des britischen Philanthropen Sir Moses Montefiore, der 1857 die
Windmühle in Mishkenot Sha´ananim bauen ließ. Nicht nur ein Muss für jeden,
der Jerusalem liebt; das Buch liefert unentbehrliches Faktenwissen, über das
man unbedingt verfügen sollte, wenn man von einer selbstverständlichen
Teilung Jerusalems schwadroniert.

George W. Bush:
Decision Points

GWB schildert entscheidende Momente seiner achtjährigen Präsidentschaft,
reichert sie mit Hintergrundinformationen und privaten Histörchen an und
legt dabei eine Fähigkeit zur Selbstkritik an den Tag, die man so manchem
ihm in herzlicher Feindschaft verbundenen Redakteur wünschen würde. Vom
SPIEGEL natürlich verrissen, aber das will nichts heißen, denn dass Bushs,
Rumsfelds und Rices Darstellungen ihrer Amtszeit von den üblichen
Verdächtigen in Bausch und Bogen abgekanzelt würden, ahnte man schon vorher.

Ian Kershaw:
Das Ende. Kampf bis in den Untergang -
NS-Deutschland 1944/45

Es scheint unglaublich, dass das weitgehend abgegraste Thema Zweiter
Weltkrieg immer noch in weiteren Facetten ausgeleuchtet werden kann. Und
keiner macht es besser als britische Historiker, die zu allem Überfluss auch
noch glänzend schreiben können. Ian Kershaw erzählt, warum die Deutschen
,selbst als der Krieg längst verloren war, bis zum bitteren Ende
durchhielten. Wissenschaftsprosa vom Feinsten.

Benny Morris:
One State, Two States
Resolving the Israel/Palestine Conflict

Bei Pro-Palästina-Aktivisten ist der Historiker längst unten durch, das
spricht für ihn. In seinem kurzen (200 Seiten) aber knackigen Buch zeigt
Morris auf, welche Ziele die jüdische und die arabische Nationalbewegung
hatten und wie sie sich zur Zweistaatenlösung verhielten und verhalten.
Nachdem die palästinensische Führung in dieser Hinsicht längst die Hosen
heruntergelassen hat, schadet es nichts, sich mit der langen Tradition der
kompromisslosen Ablehnung des Zionismus in der arabischen Welt vertraut zu
machen. Morris ist pessimistisch, also realistisch, was eine Friedenslösung
für Nahost angeht – und lässt den Leser ernüchtert zurück, wenn er´s nicht
schon vorher war.

Russell Shorto:
New York – Insel in der Mitte der Welt

Hochinteressante Darstellung der Frühzeit New Yorks, als die Holländer die
Kolonie Nieuw Nederland auf der Halbinsel Mannahatta gründeten und diesem
Flecken Erde frühzeitig einen liberalen Hauch verpassten. Im Mittelpunkt des
Werkes steht die Rivalität zwischen dem letzten Generaldirektor Pieter
Stuyvesant und dem heute weitgehend vergessenen Adriaen van der Dock, der
wohl als Erster eine Idee von einem neuen Amerika hatte. Shorto stützt sich
dabei auf zeitgenössische Quellen, die erst verwertbar wurden, seit ein
kauziger Experte für Altniederländisch viele tausend Seiten kaum lesbarer
Aufzeichnungen aus dem frühen 17.Jahrhundert übersetzt hat. Tolle Lektüre.

Joachim Fest:
Ich nicht

Kann mich nicht einmal an ein halbes Dutzend Autobiographien erinnern, die
mich derartig fasziniert haben wie die Erinnerungen Joachim Fests an seine
Kindheit und Jugend. Eine untergegangene Welt, in der Jungs noch draußen
herumtobten oder während einer Bahnfahrt freiwillig Heinrich Heine lasen.
Mit diesem Buch setzt Fest seinem Vater ein Denkmal, einem Mann, der sich
von seinem ersten Gehalt eine Goethe-Gesamtausgabe kaufte und der als
überzeugter Konservativer auch ein überzeugter Nazigegner war – und die
Konsequenzen trug, auch wenn er seiner Familie damit einiges zumutete. Dafür
machte er seine Kinder immun gegen die perverse Ideologie der braunen
Machthaber. Selten las ich ein persönliches Buch, das mich so beschäftigte.

Assaf Gavron:
Ein schönes Attentat

Irrwitziger Roman über einen Tel Aviver Yuppie, der auf dem Höhepunkt der
Terror-Intifada drei mörderische Anschläge überlebt und damit eine gewisse
Prominenz erlangt, die ihm einen weiteren Attentatsversuch einbringt.
Parallel wird die Geschichte aus der Perspektive eines jungen Palästinensers
erzählt, der den Israeli, der längst als Symbol für den Überlebenswillen
seines Volkes steht, gerade deshalb endgültig aus dem Weg räumen will.
Originell, schwarzhumorig, ziemlich verrückt.

Frederick Taylor:
Die Mauer
13. August 1961 bis 9. November 1989

Wer flockig geschriebene Bücher über deutsche Geschichte sucht, ist mit
einem (schon wieder!) britischen Historiker meistens gut bedient. Taylor
erzählt, was der Eiserne Vorhang für die Menschen bedeutete, die in seinem
Schatten lebten. Sollte vor allem jenen auf den Nachttisch gelegt werden,
die sich nach einer „kommoden Diktatur“ zurückzusehnen scheinen.

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