Mehrere DDR-Oppositionsgruppen kündigen in einem Offenen Brief die Aufstellung eigener Kandidaten bei der bevorstehenden Kommunalwahl im mai an. das ist eine unverhüllte Kampfansage an das Regime. Eine Reaktion auf den Brief gibt es zunächst nicht.
In den Gruppen beginnen die Vorbereitungen. Wer sich als unabhängiger Kandidat zur Wahl stellt, geht ein erhebliches Risiko ein. Er macht damit seine Ablehnung der Einheitsliste der Nationalen Front deutlich und setzt sich dem Verdacht, die Organe und Institutionen der DDR verächtlich zu machen, aus. Das ist ein Straftatbestand.
Die Medien in Westdeutschland nehmen auch diese Aktion der Bürgerbewegung kaum zur Kenntnis. „Bild“ konzentriert sich an diesem Tag auf Spekulationen über künftige Staatsbesuche von BRD-Politikern in Polen. „Erst Kohl, dann Weizäcker: Reist der Bundespräsident zum Tag des deutschen Einmarsches nach Polen?“
Dies ist gewiss eine spannende Frage, war aber angesichts der Entwicklungen im zweiten deutschen Staat nicht unbedingt das Thema des Tages. Die Ignoranz der Medien gegenüber den spannenden Ereignissen in der DDR ist übrigens eines der Geheimnisse, warum die westliche Öffentlichkeit von der Herbstrevolution überrascht wurde.