Rainer Bonhorst / 07.09.2015 / 13:00 / 4 / Seite ausdrucken

Wunderbar und Wumbaba

In einer rein zufällig arrangierten Begegnung ist der politisch schwarze Minister Joachim Herrmann auf den kutanschwarzen Sänger Roberto Blanco getroffen. Die Begegnung des bayerischen Innenministers mit dem afrokubanischen Tunesien-Deutschen fand auf dem Nürnberger Volksfest statt, einem passenden Ort für den Höhe- und Schlusspunkt einer Posse um ein altes und vertracktes Problem der politisch korrekten Sprachwahl.

Minister Herrmann ist zwar sprachlich nicht so weit gegangen wie einst Axel Hacke mit seinem kleinen Handbuch des Verhörens „Der weiße Neger Wumbaba“. Aber er hat immerhin den Sänger („Ein bisschen Spaß muss sein“) einen „Neger“ genannt. Einen „wunderbaren Neger“ allerdings, und nicht etwa einen Wumbaba-Neger. Er hat es also eigentlich gut gemeint, aber das half nichts. Der CSU-Politiker, der die Farbe Schwarz bestimmt für eine sehr schöne Farbe hält, stand über Nacht bis zum Hals in einem Sumpf der Rassismusvorwürfe. Er hätte sich viel erspart, hätte er Blanco einen wunderbaren Schwarzen genannt, also die zur Zeit politisch korrekte Ausdrucksweise gewählt.

Nun gäbe es da die semantische Ausrede, dass „Neger“ nichts anderes heißt als „Schwarzer“. Aber das hilft nicht weiter, denn in der politisch korrekten Schwarz-Weiß-Malerei von heute sind solche Farb- und Wortnuancen nicht von Belang. Und es stimmt ja, dass „schwarz“ die von den Betroffenen akzeptierte Farbbezeichnung ist, während „Neger“ als despektierlich empfunden wird. So war der Begriff, als er noch üblich war, ja auch gemeint.

In Amerika ist das politisch korrektere Wort heutzutage ohnehin „African-American“. „Black“ geht auch, aber „African-American“ ist der Begriff, den die Schwarzen selber ankreuzen, wenn sie sich auf offiziellen Dokumenten rassisch einsortieren sollen. Diese Einsortierung ist im Land der Bindestrich-Amerikaner durchaus üblich. Amerikaner europäischen Ursprungs müssen sich Kaukasier nennen, worüber man auch wunderbar diskutieren könnte. Sprache, zumal die politisch korrekte, gibt halt oft Rätsel auf.

Heute ist es üblich, dass sich auch leuchtend helle „Schwarze“ als Afro-Amerikaner einsortieren. Sie tun das aus einem historischen Stolz heraus, weil sie früher, ob sie wollten oder nicht, auch dann als schwarz behandelt wurden, wenn die schwarze Beimischung sichtbar geringer war als die weiße. Also nennt sich heutzutage auch mancher schwarz, der es bei oberflächlicher Inaugenscheinnahme kaum ist.

Früher gab es auch das Gegenteil. Diejenigen „Schwarzen“, die sich einer sehr hellen Hautfärbung erfreuten, hofften zuweilen, dass sie „als weiß durchgingen“, was ihnen manche Diskriminierung ersparte. „She can pass for white“, war eine gängige Formulierung, brachte aber auch nicht nur Freude. Erstens klang bei dieser Formulierung der alte blütenweiße Hochmut mit. Zweitens gab es Familienkonflikte, wenn etwa eine Tochter, die „als weiß durchging“ und auch so lebte, ihre sichtlich dunkleren Eltern oder Geschwister besuchte.

All das war und ist natürlich darauf zurückzuführen, dass die Rassentrennung, die der alte Rassismus erzwingen wollte, daran scheiterte, dass die Liebe und der Sex sich nicht daran hielten. Und das war, um mal wieder einen bekannten Berliner zu zitieren, auch gut so.

In Lateinamerika hat der Rassismus nicht die nordamerikanisch-putitanischen Blüten getrieben, weshalb man dort auch sprachlich wahrnahm, dass es zwischen schwarz und weiß Zwischentöne gibt. Der Begriff „mulato“ ist das sprachliche Eingeständnis, dass die Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen nicht platonisch sondern lebensfroh sein können und oft sind, mit den dazugehörigen farblichen Auswirkungen. Aber die deutsche Übersetzung „Mulatte“ geht wieder gar nicht.

Roberto Blanco, um auf ihm zurückzukommen, möchte lieber ein „Farbiger“ genannt werden. Das ist ein Zeichen seines langen Lebens in Deutschland. Hier darf man noch farbig sein. Im englischen Sprachraum ist „coloured“ kein sehr angesehener Begriff. Und im Südafrika der Apartheit war „coloured“ sogar ein Fachausdruck des staatlichen Rassismus, der die Menschen dreiteilte, in Schwarze, Farbige und Weiße.

Blanco selber ist dem spanischen Sprachraum entsprungen. Und dort, unter südlicher Sonne, ist auch das sprachliche Leben weniger kompliziert als bei uns. Da „schwarz“ auf spanisch „negro“ heißt, ist es unmöglich, zwischen einem politisch unkorrekten „Neger“ und einem politisch korrekteren „Schwarzen“ sauber zu unterscheiden. Auch die Italiener sind mit ihrem „Nero“ fein raus. Ach, hätten wir uns das Wort „Neger“ nicht von den Lateinern geborgt, auch unsere Welt sähe ganz anders aus. Nämlich einfach nur schwarz.

Ganz sicher sind wir, wenn wir es wie die Amerikaner machen und von Afro-Deutschen sprechen. Man kann natürlich auch von Menschen mit Migrationshintergrund sprechen. Aber es gibt Migrationshintergründe von unterschiedlicher Pigmentierung, was zu neuerlichen Problemen führen könnte.

Der bayerische Minister, der sich in Fragen der politischen Korrektheit lieber an der guten alten Lederhose als am Shit-Storm-Laptop orientiert, hat trotz all dieser Probleme seinen „wunderbaren Neger“ getroffen. Als Ehren-Mitglied der CSU fühlte sich Roberto Blanco trotz der medialen Neger-Empörung von seinem Minister keineswegs beleidigt. Und beim Bier verliert die politische Korrektheit sowieso ihre schneidende Schärfe. Und das ist nun wirklich gut so.

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Hjalmar Kreutzer / 07.09.2015

Auch mit dem Wort “Afro-Deutsche” könnten sich wieder diejenigen mit schwarzer Hautfarbe diskriminiert fühlen, die zwar in Deutschland leben, aber (noch) keine eingebürgerten “Pass"deutschen sind. Wer sich empören will, findet immer jemanden, der diskrimiert wird, da kann man sich noch so sprachlich politisch-ideologisch korrekt verbiegen. Nicht nur die gendergerechte Sprache s. Bernhardt Lassahn, sonder auch die um Himmels willen keinen diskriminieren wollende Sprache führt einfach zu Sprachverhunzung. Irgendwann wird auch einer das Wort “Schwarzer” schlimm finden, wenn jetzt schon die Gesinnungspolizei selbst Kinderbücher von Kästner und Lindgren schreddert.

Karl Baumgart / 07.09.2015

Ein guter Artikel, Herr Bonhorst. Allein die Verwendung des Begriffs ‘Shitstorm’ stört mich. In der Presse, auch der so genannten Qualitätspresse, findet man ihn immer häufiger. Ich warte jetzt auf den Tag, wo ich ihn in einem der auch von mir durch Zahlung der Demokratieabgabe finanzierten Rundfunk- und Fernsehsender zu hören bekommen. Stellen Sie sich das süß-saure Lächeln der Susanne Daubner vor, mit der sie uns in der TAGESSCHAU über den Shitstorm informiert, den die Bundeskanzlerin aufgrund ihres von den Zuschauern als ‘kalt’ bzw. bestenfalls als ‘ungelenk’ erlebten Verhaltens angesichts eines weiteren aus dem Vorderen Orient zu uns gestoßenen Mädchens erlebt, welches durch seine Tränen auf seinen und seiner Eltern unsicheren Aufenthaltsstatus hier in Deutschland aufmerksam machen will: “Als zu kühl empfanden sehr viele Zuschauerinnen und Zuschauer das Verhalten der Bundeskanzlerin auf die Tränen der vierzehnjährigen Reem XYZ. Regierungssprecher Seibert berichtete in der Bundespressekonferenz von einem größeren Shitstorm, den das Bundeskanzleramt registrierte…” Shitstorm übersetzt man mit ‘Sturm aus Scheiße’. Noch ist man in Deutschlands Qualitätsmedien noch nicht zu weit, dem Publikum diesen Begriff zuzumuten. Wahrscheinlich werden wir dies aber nicht erleben - der Drang der Deutschinnen und Deutschen zur ‘linugistic submissiveness’, zur sprachlichen Unterwürfigkeit angesichts des Englischen ist hierzulande einfach zu starkt ausgeprägt, als dass man sich der deutschen Übersetzung bediente. ‘Sprachliche Unterwürfigkeit’? Ja, diesen Ausdruck verwendete der Dortmunder Professor Walter Krämer in der von mir sehr geschätzten ‘Achse des Guten’ in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des ‘Vereins Deutsche Sprache’, dessen Hauptanliegen die Zurückdrängung des ‘Denglischen’ aus dem deutschen Sprachraum ist. Lesen Sie doch mal nach, was er am 27. Mai 2015 unter dem Titel German Muschi by Christian Lindner geschrieben hat. Kürzlich verbrachte ich in Berlin einige Tage mit zwei gebildeten Amerikanern, Hochschulprofessor der eine, der andere Collegeabsolvent. Ich sprach ihnen von diesem neudeutschen Begriff und fragte sie, ob sie den denn auch in ihren Zeitungen - The New York Times und Wallstreet Journal - fänden. Sie verneinten beide. Sie konnten sich auch gar nicht vorstellen, dass eine andere respektable Zeitung ihn drucken würde: “This expression would be considered too vulgar to appear in print”, erklärte einer von ihnen. Too vulgar = zu vulgär und gleichzeitig ein Ausdruck der Unterwürfigkeit, zu der manche Deutschinnen und Deutsche bereit sind. Übrigens schrieb ich einem Redakteur meiner überregionalen Tageszeitung einen Brief, nachdem ich auch in einer seine Arbeiten auf den Begriff ‘Shitstorm’ gestoßen war. Er antwortete mir, sah in dem Begriff aber doch etwas Neuartiges, was dem von mir vorgeschlagenen Begriff ‘Proteststurm’ nicht anhafte: die auf die Vernichtung der charakterlichen und auch beruflichen Existenz des Menschen, den ein solcher Sturm aus Scheiße treffe, anhafte. Ich schrieb zurück, dass es diesen Phänomen ja auch in den USA gebe, und wahrscheinlich noch in stärkerem Maße als in Deutschland, sind die Vereinigten Staaten doch das Land, in welchem die ‘politische Korrektheit’ erfunden worden ist. Was machen also amerikanische Medien, wenn sie über eine solche Übel wollende Publikumsreaktion berichten? Der bis dahin von mir geschätzte Journalist, seit langen Jahren Redaktionsmitglied, hat darauf nicht geantwortet.

Heinz Wiese / 07.09.2015

Und es stimmt ja, dass „schwarz“ die von den Betroffenen akzeptierte Farbbezeichnung ist, während „Neger“ als despektierlich empfunden wird. So war der Begriff, als er noch üblich war, ja auch gemeint. Nein er war ganz Wertneutral gemeint.Oder meinen sie jemand hätte “Schaumküsse” nach einer Beleidigung benannt`?Auch hat sich in Deutschland früher kein Schwarzer an der Bezeichnung gestört so wie sich auch Z. selber als Z. bezeichnen und sich fragen (ausser paar Berufsz.) was es uns angeht wie sie sich nennen. In der Spanisch und Portugisisch sprechenden Welt (also auch Afrika) ist NEGRO immer noch ein ganz normaler begriff. Die Rockband Turbonegro heisst in ihrer Heimat Norwegen übrigens Turboneger und wirdehier sogar vom WDR übertragen…

Karl Schlunz / 07.09.2015

Ich kann mich an die Zeiten vor ca 1995, als das Wort Neger noch nicht tabu war, noch ganz gut erinnern. Allerdings kann ich mich nicht erinnern, daß das Wort per se eine despektierliche Bedeutung hatte. In meiner Familie hatte es jedenfalls stets die neutrale, abstrakte Bedeutung.

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