Günter Ederer / 01.09.2012 / 10:23 / 0 / Seite ausdrucken

Was wir von Diktatoren gelernt haben

Manchmal kommen mir unvermittelt Erlebnisse aus meiner Zeit als Fernost-Korrespondent in den Sinn. Wie die Geschichte mit der Kokosnuss. Zu meinem Berichtsgebiet gehörten auch die Philippinen. Damals herrschte dort der Diktator Ferdinand Marcos, dem es gelang, sein Land bis ins letzte Dorf auszubeuten. Kopra war das wichtigste landwirtschaftliche Exportprodukt. Kopra wird aus der Kokosnuss gewonnen. Sie wächst in jedem Dorf.

Unter dem Vorwand, der armen Landbevölkerung zu helfen, gründete Marcos eine Genossenschaft, die die Preise für den Ankauf von Kopra festsetzte und die Ausfuhr des Kokosnussöls kontrollierte. Die armen Bauern mussten an die Zwangsgenossenschaft verkaufen. Für jedes Kilo aber war eine Zwangsabgabe fällig, mit der angeblich die Genossenschaft finanziert wurde. Gleichzeitig gründete Marcos die „Coconut Planters Bank“, die das Monopol erhielt, alles, was mit der Kokosnuss zusammenhängt, zu finanzieren. Die Zinsen waren so hoch, dass ein Kokosnusspalmenbesitzer gerade so über die Runden kam. So bezahlte jeder Philippino auch noch auf der entlegendsten Insel mit seinen Zwangsabgaben die Machtstrukturen des Diktators. Als Chef des Monopols hatte Marcos den Milliardär und Großgrundbesitzer Cojuanco bestimmt. Cojuanco unterhielt eine eigene Armee, die dafür sorgte, dass keiner aus diesem System ausbrach – was wiederum die Macht und den Reichtum von Marcos sicherte.

Das Prinzip war einfach: Man schaffe ein Monopol und begründe dies mit einer hehren Absicht. Dann wird jeder zu Zwangsabgaben an das Monopol gezwungen, weil das ja einem guten Zweck dient. Millionen ungebildeter Landbewohner werden so getäuscht, und wer sich nicht täuschen lässt, wird unterdrückt.

Aber warum ist mir dieses Ausbeutungsmodell eines Diktators gerade jetzt wieder eingefallen? In dieser Woche beschloss das Bundeskabinett, dass alle Stromkunden, also alle Bürger der Republik 0,25 Cent pro Kilowattstunde bezahlen müssen, damit private Investoren in der Nord- und Ostsee Windparks bauen. Diese Windräder braucht die Regierung, damit sie ihre Energiewende retten kann, die „unumkehrbar“ ist, soll die Welt vom Hitzekollaps gerettet werden. Damit ist der gute Zweck für einen solchen Staatseingriff gesichert. Ohne guten Zweck geht es nämlich nicht. Das war es, was mich an Marcos und seine Kokosnuss-Zwangsabgaben erinnerte.

Nach der Strom-Zwangseinspeisung zugunsten von Haus-, Land-, Dach- und Kapitalbesitzern hat die Regierung wieder eine rote Linie überschritten, die Planwirtschaft und Marktwirtschaft trennt. Haben sich doch schon die Planungen der Energiewende als Wunschdenken und Hirngespinste einer von Weltuntergangsphobien durchsetzten deutschen Bürokratie erwiesen. Eine Missgeburt, typisch für die Planwirtschaft. Nachdem sich die Förderung der Photovoltaik zu einem Milliardengrab entwickelt, die Subvention der Biogasanlagen das Land in eine Maiswüste verwandelt, stellt sich heraus, dass die Meereswindparks ein noch nicht bewältigtes Technologierisiko bergen.

Was denkt sich ein „liberaler“ Wirtschaftsminister, wenn er ein Gesetz mitträgt, das den Kunden verpflichtet, dem Investor das Risiko zu bezahlen? Warum um Himmels willen soll ein Marktwirtschaftler noch dessen Partei wählen?
Nun will ich nicht unsere Regierung mit dem bizarren Diktator Marcos vergleichen. Da gibt es gravierende Unterschiede. Marcos herrschte mit brutaler Gewalt. Wir dagegen dürfen unsere Regierung wählen, die uns solche Gesetze beschert. Auf den Philippinen war die Presse überwacht. Wir haben Pressefreiheit. Bei uns übernimmt die Masse der Journalisten freiwillig die Mär von der Weltrettung durch die Energiewende. Marcos kassierte die Milliarden für sich und seine wenigen Verbrecherfreunde. In Deutschland sorgen die Parteien dafür, dass viele an der Energiewende verdienen, die schon viel haben: Die Kapital- und Landbesitzer, die Banken, die das finanzieren und die Kommunen, die dafür Pacht kassieren. Aber eines ist in beiden Ländern gleich: Die Zeche zahlen immer die kleinen Leute, wenn der Markt außer Kraft gesetzt wird. Jetzt weiß ich wieder, warum mir die Geschichte mit den Kokosnüssen eingefallen ist.

Zuerst erschienen der Fuldaer Zeitung (1. September 2012)

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