Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition trägt die klare Handschrift der SPD. Doch nicht nur darauf beschränkt sich der Einfluss der Sozialdemokraten. Wie das Auswärtige Amt am Donnerstag Bescheid gab, übernimmt Gernot Erler das Amt des Russland-Koordinators. Damit hat sich Außenminister Steinmeier gegen die Bundeskanzlerin durchgesetzt, die Andreas Schockenhoff in der Position beibehalten wollte. Erler stört sich schon lange am schlechten Verhältnis zu Moskau und wird die - in der SPD offenbar zur Tradition gewordenen - Bemühungen fortsetzen, ein partnerschaftlicheres Verhältnis zu Russland, und damit zu Putin, aufzubauen.
SPD und Putin - Eine Freundschaft mit Tradition
Seit Altkanzler Schröder kurz nach dem Ende seiner Amzteit bei einer Tochterfirma von Gazprom anheuerte, betrachtet man seine persönliche Freundschaft zum starken Mann im Kreml endlich mit der nötigen Skepsis. Aussprüche, wie dass der Kollege im Kreml ein lupenreiner Demokrat sei, stehen nun in einem anderen Licht da. Und die SPD unter Verdacht, Putins deutsche Handpuppe zu sein.
Die Ernennung Erlers zum Russland-Koordinator im Auswärtigen Amt zeigt, dass der SPD wenig daran liegt, mit solchen Verdächtigungen aufzuräumen. Erler, der das Amt bereits 2003 bis 2006 innehatte, steht für eine scheinbar widersprüchliche Russlandpolitik. Vielen gilt er als Freund des Kremls, auch wenn er nicht davor zurückschreckt, diverse politische Schritte scharf zu kritisieren. Ob die Verurteilung von Pussy Riot oder die Durchsuchungen ausländischer Stiftungen, Erler fand harte und angemessene Worte.
An anderer Stelle jedoch löste er mit Verständnisfür Putins Machtfantasien Verwirrung aus. In einem langen Artikel für die “Die Zeit” plädierte er für mehr Nachsicht bei Russlands Politik. “Schluss mit dem Russland-Bashing”, forderte Erler und meinte damit eigentlich genau das, was auch er zuvor kritisiert hatte: Menschenrechtsverletzungen, korrupte Justiz und diktatorische Verhältnisse.
Was er jedoch eigentlich im Sinn hatte, war etwas ganz anderes. Gernot Erlers Verhältnis zum Kreml definiert sich nicht über die Abwesenheit von Kritik, sondern über ihre Wirkungslosigkeit. Klare Verstöße werden kritisiert, auf ein immer weiteres Entgegenkommen - wirtschaftlich, gesellschaftlich und vor allem politisch - sollte man aber nicht verzichten.
Putin profitiert
Putin kommt eine solche Haltung sehr zugute. Mit negativer Presse hat sich der russische Präsident längst abgefunden, sogar in Russland wird mittlerweile fast offen kritisiert. Konkrete politische - oder auch symbolische - Schritte fürchtet Putin jedoch. Nach den Ankündigungen von Bundespräsident Gauck und Kanzlerin Merkel, nicht zu den Olymischen Winterspielen nach Sotschi zu fahren, reagierte er mit der Freilassung von Politgefangenen und Ex-Oligarchen Michail Chodorkowski und den jungen Künstlerinnen von Pussy Riot.
Erlers Art der Kreml-Freundschaft kommt wesentlich durchdachter daher, als die des Großmeisters Schröder, der spätestens seit dem Ausscheiden aus der Politik nur plumpe Imagepflege betreibt. Wahlfälschungen seien Unsinn, Chodorkowski ein Krimineller und alles Gute für die Zukunft, Herr Putin.
Einen zweiten Schröder können sich weder die SPD, noch Deutschland, aber auch Putin nicht leisten. Darum kümmert sich Gernot Erler um tatsächliche politische und wirtschaftliche Kooperation, während er gleichzeitig scharfe Kritik nicht scheut. Nur gelegentlich, in einzelnen Pressemitteilungen und Artikeln, lässt er seine Einstellung zum großen Land im Osten durchscheinen.
So sprach er sich für Putins Idee einer Eurasischen Union aus, die 2015 gegründet werden soll. Die Union aus Russland, Kasachstan und Weißrussland - drei mustergültigen Demokratien - liegt laut Erler in unserem Interesse, wenn sie nach “europaähnlichen Prinzipien” stattfindet. Moskaus Anspruch, den politischen Einfluss Russlands in der Region zu stärken und so tatsächlichen Demokratisierungen Einhalt zu gebieten, sieht Erler nicht.
Westen in der Bringschuld
Harte Kritik vom Westen erinnert den 69-jährigen Sozialdemokraten an Zustände wie im Kalten Krieg. Auch im Fall der Ukraine, wo er keinerlei Erpessung zu sehen scheint, dafür aber umso stärker für Verständnis für Putin wirbt.
In einer Pressemitteilung zum Jahresende sprach Erler von der Amnestie für einige Politgefangene sogar als “Krönung eines erfolgreichen Jahres für Putin”. Und wieder sieht er den Westen in der Bringschuld. Dieser solle die “jetzt entstandene Dynamik nutzen”, um internationale Probleme gemeinsam anzugehen. Internationalen Druck, wie von Gauck und Merkel ausgeübt, erwähnt er nicht.
Eines haben Gerhard Schröder und Gernot Erler gemeinsam. Immer, wenn sie von Russland sprechen, meinen sie den Kreml. Verbindungen zu Russland sind Verbindungen zu seiner poltischen Elite. Will man aber tatsächlich Beziehungen zu Russland ausbauen, gilt es, die Opposition zu stärken. Ansonsten wird sich jeglicher Austausch, ob politischer oder wirtschaftlicher Natur, auf die politische - und damit regimetreue - Elite beschränken. Dieser Elite mit noch mehr Verständnis zu begegnen, wie Erler es fordert, hieße nichts anderes, als unmoralische Zustände abseits des rhetorischen Parketts zu tolerieren. Den hohen, außenpolitischen Ansprüchen Deutschlands wird das nicht gerecht.
DIe Rückkehr der SPD in die Regierung bringt Deutschland in eine konfuse Lage. Gerade noch haben Merkel und Gauck bewiesen, dass sie ihren Reden auch Taten folgen lassen. Ihr Verzicht auf den Besuch in Sotschi hatte eine deutliche Reaktion Putins zur Folge. Nun aber, mit der Übernahme des Auswärtigen Amtes durch Frank-Walter Steinmeier und die SPD, wird die Ostpolitik sich wieder ändern. Mit den Partnern in Moskau wird man auch weiterhin rhetorisch hart ins Gericht gehen, aber die russische Zivilgesellschaft wird sich andere Unterstützer suchen müssen. Willkommen zurück in der Außenpolitik, SPD.