Harmlos sieht er aus, der Aufzug. Dabei ist er kürzlich, mit sieben Personen drin, sieben Stockwerke ungebremst nach unten gerast. Fotografiert hat ihn ein Unbekannter, im Jahr 1962, irgendwo in Amerika. Wen das heute interessiert?
Erstaunlicherweise eine Menge Leute. „House flipped over“ heißt ein anderes Schwarz-Weiß-Foto. Aufgenommen in Chicago, nach einem Sturm. Vier Menschen mit ratlosen Gesichtern stehen vor dem kleinen Holzhaus, das ein Sturm umgedreht hat. Vielleicht war es ihr Zuhause, vielleicht sind sie auch nur Spaziergänger. Ob man das Häuschen wieder aufstellen kann? Man kann den Fotografen leider nicht mehr dazu befragen, er ist unbekannt. Erholungssuchende im Peradeniya-Botanischen Garten von Ceylon, ein Foto auf Kollodiumpapier. Rührend ist der Vogelexperte, der einen Papageienvogel scheinbar voll im Griff hat: Das Tier scheint, auf dem Rücken liegend, über der Hand des Mannes zu schweben. Rolle rückwärts. Hier ist der Fotograf bekannt, Samuel Stacey hat das Foto im Jahr 1941 gemacht.
Der Künstler Bogomir Ecker nennt die Ausstellung „Idylle + Desaster“. Das Leben halt. Er sammelt Fotos aller Art, von Landschaftsaufnahmen aus dem 19. Jahrhundert aus aller Welt bis zur klassischen Presse- und Sensationsfotografie des 20. Jahrhunderts aus den USA. Würde die BILZ-Zeitung heute das Foto der zwei schwerverletzten jungen Männer, die nach einem Unfall verdreht in ihrem Auto hängen und auf Rettung warten, zeigen – sie hätte ein Protest-Problem. Aber in schwarz-weiß wirkt das alles nicht ganz so schlimm. Man hofft, dass die beiden gerettet wurden und vielleicht noch Leben.
Bogomir Eckart hat Schätze aus seiner Sammlung zu einer wunderbaren kleinen Schau zusammengestellt (Museum für Fotografie Berlin, bis zum 17. März 2013). Die eigenen Fotos liegen unbeachtet in der Kommode, aber die der Nachbarn oder von Fremden gar, sind umso interessanter. Das war schon immer so und auch im Zeitalter der Digitalfotografie hat sich das nicht geändert. Betrachtet man den Blitzschlag aus dem Jahr 1950, muss man festhalten, dass der Fotograf einen besonders schönen Blitzschlag erwischt hat. Irgendwo in Amerika. Dass das Foto eines schönen Tages im Museum hängen wird, damit hat er vermutlich nicht gerechnet. Das macht mit den Zauber dieser Fotos aus.
Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de