Silvia Meixner / 10.01.2016 / 22:00 / 0 / Seite ausdrucken

Silvis Culture Club (83): Misstöne in Form einer Leiche

Der Adel hat’s auch in Angeln nicht leicht: Irgendwie muss Geld hereinkommen und das ist im idyllischen Norden Deutschlands für Grafenfamilien schwierig. Sehr schwierig. Musikfestivals sind eine gute Idee. Sommer, Sonne und Sonaten. Carla Massanet ist frisch zugezogen in diese Welt, die nicht jubelt oder auch nur freundlich lächelt, wenn Fremde ein Haus beziehen. Sie schlägt sich trotzdem durch, mit Frohsinn und Optimismus – beides Eigenschaften, die den Menschen auf Gut Langen fehlen.

Krimiautorin Sophie van Lindern hat einen spannenden und amüsanten Krimi geschrieben, der in diesem schönen, aber in Literaturkreisen leider weitgehend vernachlässigten deutschen Landstrich spielt: „Die geheime Leidenschaft der Carla Moreno (BoD, 268 Seiten, 9,99 Euro). Eines Tages soll auf Gut Langen ein Konzert stattfinden, ganz in der Tradition der feinen britischen Glyndebourne-Veranstaltungen. Doch bevor auch nur ein Ton erklingt, gibt es Misstöne in Form einer Leiche. Annika, die schöne Tankwartstochter, liegt tot auf dem Teppich. Zum Glück keine Schusswunden, die dem Teppich schaden könnten, es ist nur eine Vergiftung.

Annika hat einem Erben des Gutes den Kopf verdreht. So etwas geht nicht immer gut. Sie wollte einen großen Schluck vom Leben und nahm, quasi als Einstimmung, ein Schlückchen aus dem gräflichen Portwein-Vorrat. Er war präpariert. Von wem? Und warum? Wer um alles in der Welt wollte die schöne junge Frau vergiften? Alle im Dorf rätseln – von Henriette, der Frau des Pastors, bis zu Tilly Newman, die vor 50 Jahren ihren Heimatort in Richtung Amerika verließ und nun zurückgekehrt ist. Zurück zu den Wurzeln, zurück zu den Verletzungen und einer großen Niederlage, deren Wunden noch lange nicht verheilt sind. Alle rätseln, natürlich auch Carla Massenet. „Nicht dass ich neugierig wäre“, erklärt sie ihren Freunden. „Ich bin wirklich nicht neugierig, aber ich muss einfach alles wissen.“ Sie hat das Talent, immer in dem Augenblick hinzuschauen, wenn sie etwas nicht sehen soll oder wenn jemand etwas verbergen will und es gibt viel zu verbergen auf Gut Langen und im Dorf.

Im Dorf haben einige etwas zu verbergen, die einen ein bisschen etwas, die anderen ein bisschen mehr bis sehr viel. Einer ist aus Lübeck gekommen, um alles aufzuklären. „Kleyn aus Lübeck, Kleyn mit Ypsilon“, stellt der Kommissar sich vor. Schön ist’s in Angeln, dort oben, an der See. So schön. Nach Lektüre dieses Krimis sieht man die idyllischen Sommer-Musikfestivals auf dem Lande allerdings mit anderen Augen. Vielleicht ist es gesünder, zu Hause zu bleiben und Klassik aus der Konserve zu hören.

Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de

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