Wolfram Weimer / 17.06.2012 / 11:34 / 0 / Seite ausdrucken

Sie wollen an die deutsche Kreditkarte

Francois Hollande und die europäische Linke kommen mit immer neuen Ideen: Eurobonds, Altschuldenfonds, Projektanleihen, Einlagensicherungsfonds. Das Ziel ist immer das gleiche: Deutschland soll für ihre Schulden zahlen.

Griechenland erprobt die Nahtod-Erfahrung, Portugal, Irland und Zypern liegen auf der Intensivstation, Spanien wird ins Krankenhaus eingeliefert, Italien ist schwer infiziert und Frankreich fordert die Sozialisierung des Krankenhauses auf deutsche Rechnung. Europas Schuldenkrise bekommt pathologische Züge.

Plötzlich schlagen alle Alarm. Der Bundesbankchef fleht um Einsicht, die Kanzlerin spricht von der Schicksalsstunde, die IWF-Chefin Christine Lagarde warnt, dass die Euro-Zone in drei Monaten kollabiert ist, wenn nicht rasch Entscheidendes passiert. Hastig werden Spaniens Banken 100 Milliarden versprochen, doch Spanien als Staat braucht bis 2014 mehr als 350 Milliarden Euro neues Geld, nur um seine Schulden zu refinanzieren. Italien muss sich sogar 670 Milliarden besorgen. Es sieht nicht danach aus, dass das gelingen könnte. Kurzum: Die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Die Notenbank-Legende Alan Greenspan und mit ihm die ganze angelsächsische und die halbe asiatische Welt halten den Euro schon für einen historischen Fehlschlag.

Die Lösung besteht für Südeuropa darin, dass Deutschland einfach für alles zahlt. Mit maximaler Kreativität werden immer neue Konstruktionen ersonnen: Schuldentilgungsfonds, Eurobonds, Einlagensicherungsgemeinschaft, Projektanleihen, Altlastenpool. Wie bei den Hütchenspielern auf der Straße zaubern sie immer neue Überraschungseier hervor. Doch was auch immer da an Vorschlägen kommt, es kennt nur ein Ziel: das deutsche Geld. Das ganze Bestreben von Francois Hollande ist der Zugriff auf die goldene Kreditkarte aus Berlin.

In dieser kurzsichtigen Strategie zeigt sich das eigentliche Problem Europas. Es gibt keine wirkliche Einsicht, dass die Überschuldungspolitik beendet werden muss. Dass eine Wählerbestechungsdemokratie auf Pump unseriös und unverantwortlich ist. Dass Schulden irgendwann gezahlt werden müssen und man besser gleich damit beginnt, auch wenn es eine Rezession bedeutet. Solange diese einfache aber fundamentale Erkenntnis nicht gereift ist, wird Europa an seinen Schulden zerbrechen. Die Strategie Hollandes und weiter Teile der europäischen Linken ist es, die alte Schuldenpolitik nur mit neuen Instrumenten weiter zu treiben. Er führt inmitten dieses Dramas sogar die vorgezogenen Renten ein, was nur durch neue Schulden zu finanzieren ist. Während Deutschland sein Renteneintrittsalter erhöht, will sich Frankreich das kollektive Frührentnertum gönnen. Alleine das ist ein Schlag ins Gesicht der deutschen Reformbemühungen für Europa.

Ausgerechnet in dieser dramatischen Lage wanzt sich die deutsche SPD-Troika von Möchtegernkanzlern an Hollande heran, dass es peinlich ist. Wie drei Schulbuben laufen sie dem linken Oberprimaner nach, der ihnen zeigt wie man Schuldenjoints dreht. In Wahrheit riskieren die drei Ober-Sozialdemokraten für den kleinen Auftritt im Elysee lebenswichtige deutsche Interessen. Sie fallen der Kanzlerin aus billigem Parteikalkül in den Rücken, wo diese tapfer und zusehends alleine für eine Stabilitätsunion kämpft und die Ersparnisse der Deutschen verteidigt.

Das größte Risiko sind daher weder das Wahlverhalten der Griechen noch die Bilanzen spanischer Banken. Es liegt in der fehlenden Einsicht Frankreichs zur Umkehr. Wenn sich Paris mit den Rezepten der frühen siebziger Jahre ins Schuldenfeuer stürzt und Deutschlands Geld verbrennt, dann wird man nicht mehr über einen einseitigen Austritt Griechenlands sondern über einen einseitigen Austritt Deutschlands aus dem Euro reden müssen.

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