“Am Donnerstag der kommenden Woche vor 200 Jahren begann der Wiener Kongreß, der Europa grundlegend umgestaltete – auf eine doch recht haltbare, friedensichernde Weise.” Ja Wahnsinn, sind Ihnen der italienische Unabhängigkeitskrieg, der griechische Unabhängigkeitskrieg, der belgische Unabhängigkeitskrieg, der Sonderbundskrieg in der Schweiz, der großpolnische Aufstand, der badische Aufstand, der sardinisch-österreichische Krieg, die ungarische Revolution, der deutsch-deutsche Krieg, der preußisch-dänische Krieg, der deutsch-dänische Krieg, der Krimkrieg und der deutsch-französische Krieg im 19. Jahrhundert so gänzlich entgangen? Wieviele Kriege dürfens denn sein, damit man nicht mehr von “stabil und friedenssichernd” sprechen kann?
Es höre doch nur jeder in sich selbst hinein. Mit jeder Kaffeemaschinen- und Staubsaugerverordnung sowie anderen Dingen, die uns aus Brüssel (aber auch aus Berlin) täglich erreichen wächst bei mir das Unbehagen und die innere Abwehr. Ich stelle mir täglich die Frage: “Brauchen wir das?” und gebe mir selbst die Antwort: “Nein, brauchen wir nicht - das braucht niemand.” Es sollen uns windschiefe Hütten, die erkennbar beim ersten lauen Lüftchen umfallen, als glanzvolle demokratische Paläste verkauft werden. Ich persönlich kann die Schotten gut verstehen - und wünsche denen ein gutes Gelingen.
Meiner Kenntnis nach wurde auf dem Wiener Kongress die Gründung einer so genannten Heiligen Allianz der Dynastien Habsburg, Hohenzollern und Romanow beschlossen. Ziel war die Zusicherung gegenseitiger Unterstützung bei der Zerschlagung den Anspruch auf Absolutismus jener Dynastien gefährdender demokratischer Bewegungen. Somit war der Wiener Kongress mitnichten ein friedenssicherndes Projekt, sondern eine reaktionäre Kampfansage gegenüber sämtlichen fortschrittlichen Kräften - eine Kampfansage zugunsten der Restauration.
Europa wurde also vor 200 Jahren “auf eine doch recht haltbare, friedensichernde Weise” umgestaltet? Wenn man vom Krieg 1871 absieht, wie kann man angesichts der Dauerberieselung mit der allgegenwärtigen “deutschen”, den Deutschen offenbar angeboreren Schuld - es müßte einen Plural dafür geben und Schulden wird bereits anderweitig verwendet - am Ersten und Zweiten Weltkrieg und an gefühlt fast (?) allen Progromen, die je begangen wurden. Die Grenzen in Europa wurden spätestens jeweils nach den beiden Weltkriegen gewaltig umgeformt.
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