Während Caesar wohlbeleibte Männer um sich haben wollte, zieht es die europäischen Wähler immer mehr zu schlanken, smarten, jungen und möglichst schönen Männern hin. Die Politik der männlichen Wohlgestalt spiegelt eine gesellschaftliche Entwicklung wieder, die insgesamt immer mehr zur männlichen Anmut neigt. Wie genau sich das in der Politik spiegelt, möchte ich an ein paar schönen Beispielen vorführen.
Fangen wir mit dem jüngsten an. Den hat Österreich zu bieten. Bundeskanzler Kurz ist mit seinen noch 32 Jahren jugendlich-smart wie keiner seiner Vorgänger. Selbst der seinerzeit umstrittene Jörg Haider, den die Österreicher wegen seiner tadellosen Optik einen „Feschisten“ nannten, hätte gegen Sebastian Kurz den kürzeren gezogen. Allein die eindrucksvoll rückwärts gestriegelte Pomaden-Frisur macht dem fotogenen Regierungschef keiner nach.
Soweit Österreich. Deutlich mehr politisches Gewicht bringt natürlich Frankreich auf die Waage. Allerdings vermeidet es Präsident Emanuel Macron konsequent, sein politisches Gewicht auch körperlich zu dokumentieren. Im Gegenteil. Sein Body-Mass-Index dürfte sich nahe am idealen Bereich bewegen. Sein modischer Anzug sitzt straff und ohne jede Wölbung im Bauchbereich. Seine Gesichtszüge sind bei aller Entschlossenheit angenehm ebenmäßig. Er kann es fast mit Sebastian Kurz aufnehmen.
Auch Spanien hat sich jetzt einen ausgesprochen ansehnlichen Premierminister zugelegt. Pedro Sanchez zeichnet sich dadurch aus, dass seine Gegner ihm herablassend oder neiderfüllt den Spitznamen „el guapo“, der Hübsche verpasst haben. Man kann aber nicht sagen, dass er wegen seiner Schönheit gewählt wurde. Der Hübsche hat sich ja mit einem parlamentarischen Putsch an die Spitze seines Landes befördert. Seine attraktive Optik kann bisher die mangelnde Anziehungskraft seiner Sozialisten nicht wettmachen. Er muss statt dessen versuchen, aus einer Position der Minderheit immer wieder genügend Abgeordnete mit seinem Lächeln so zu scharmieren, dass er mit ihnen einigermaßen regieren kann.
Der einzige schöne Mann ist Sahra Wagenknecht
In Italien spielt „bella figura“ schon immer eine große Rolle, auch in der Politik. Im einzigen Land Europas, dessen Männer versuchen, noch schöner und schicker zu sein als ihre ausgesprochen schönen und schicken Frauen, hat ein Politiker mit „brutta figura“ einen schweren Wettbewerbsnachteil. Dass Silvio Berlusconi sein Seniorengesicht jugendlich glattbügeln ließ und sein Haupt mit einem Feld sorgsam eingepflanzter Fremdhaare schmückte, ist nur ein tragisches Extrembeispiel des Bella-Figura-Kultes.
So ist es nur konsequent, dass sich auch der neue, wenngleich politisch randständige Ministerpräsident Giuseppe Conte optisch einwandfrei in die Truppe der gut gestylten europäischen Spitzenmänner einreiht. Nicht so jung wie der Österreicher, und nicht so smart wie der Franzose, bietet er doch das Bild eines Mannes ganz nach der aktuellen politischen Mode.
Tja, so viel zu unseren schönen Nachbarn. Leider kann ein Bericht über die politische bellez(z)a, beauté und Feschheit unser Deutschland nicht ganz aussparen. Sagen wir es also rundheraus: Angela Merkel ist nach anderen Gesichtspunkten in ihr Amt gewählt worden. Auch die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles kann man beim besten Willen nicht als einen schönen Mann beschreiben. Der einzige schöne Mann auf dem Feld der deutschen Spitzenpolitik ist in meinen Augen Sahra Wagenknecht.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die „bella figura“ in der deutschen Politik eine untergeordnete Rolle spielt. Das mag man angesichts der europäischen Schönheitskonkurrenz bedauern. Im Verkehr mit Amerika könnte es allerdings ein Plus sein. Während die anderen Europäer den etwas grob konstruierten Donald Trump optisch in den Schatten stellen und damit womöglich verärgern, kann die deutsche Politik mit dem Mann im Weißen Haus auf gleicher visueller Ebene verhandeln.