Manfred Haferburg / 23.11.2016 / 12:14 / Foto: Coyau / 9 / Seite ausdrucken

Neue deutsche Rechenarten: Wie man ein Prozent aufbläst

Was wäre, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahlen wären?  Darüber sind die Deutschen im postfaktischen Zeitalter wohl  ziemlich genau in der Mitte geteilter Meinung. Aber für Gewissheit gibt’s ja die „INSA Meinungstrend Sonntagsfrage“, da braucht sich der noch unsichere Wähler keine Gedanken zu machen. Und diese Umfrage ergibt derzeit gute Nachrichten für Angela Merkel, zumindest, wenn man die Pressemeldungen liest, ohne mal auf die Zahlen zu schauen.

Der FOCUS jubiliert unverdrossen: „Union steigt in Umfrage enorm... Angela Merkel will im kommenden Jahr wieder als Spitzenkandidatin antreten und Bundeskanzlerin bleiben. In einer aktuellen Umfrage beschert diese Ankündigung der Union einen enormen Schub... Die Union legt in einer aktuellen Umfrage in der Wählergunst deutlich zu. Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, kämen CDU und CSU auf 31,5 Prozent der StimmenDer Anstieg steht demnach in direktem Zusammenhang mit der Ankündigung Merkels, im kommenden Jahr erneut als Kanzlerin zu kandidieren“.

Interessant ist erst mal ein Blick auf den Umfragezeitraum vom 18.11. bis zum 21.11.2016. Da die Verkündung der frohen Botschaft erst am 20.11. erfolgte, blieb den Umfragern gerade mal ein Tag, um das Ergebnis einzupreisen. Kann es dann nicht sein, dass uns noch viel enormere Zuwächse an Beliebtheit der CDU/CSU bei der nächsten Umfrage bevorstehen, wenn sich die Erkenntnis erst beim Volk so richtig in Freude umgewandelt hat?

Leicht unfroh vermeldet der gleiche Artikel weiter unten: „Die AfD legte leicht zu und käme bei einer Wahl am Sonntag laut der Umfrage auf 15 Prozent“.

Wenn man mal auf der INSA Meinungstrend Webseite die Zahlen nachschaut, ergibt sich folgendes erstaunliches Bild: Im Vormonat, am 24.10. kam die CDU laut INSA auf 30,5 Prozent  und am 22.11. auf 31,5 Prozent, macht einen Anstieg von 1 Prozent aus. Die AfD kam am 24.10 auf 14 Prozent und am 22.11. auf 15 Prozent. Macht einen Anstieg von 1 Prozent aus.

Wenn also die CDU dank Angela Merkel ein Prozent in der Wählergunst steigt, ist das „deutlich“ und „enorm“. Wenn dagegen die AfD dank Angela Merkel ein Prozent in der Wählergunst steigt, ist das „leicht“. Da ist ganz sicher der Wunsch der Vater, oder besser der Väter*innen des Gedankens. Und wenn man mal auf dieselbe Umfrage vom Januar 2015 klickt, dann hatte die CDU im Januar 2015 noch 42,5 Prozent. Das war kurz vor der Flüchtlingskrise. Und jetzt will der Journalismus uns den Monatsanstieg von 30,5% auf 31,5 Prozent als enormen Wahlankündigungserfolg von Bundeskanzlerin Angela Merkel verkaufen?

Die Journalisten überschätzen wohl ihre Macht. (Der verlinkte Clip stammt aus dem Jahre 2014 – heute unvorstellbar. Da sieht man gut, wie sich unser Land verändert und worauf wir uns freuen sollen). Deutsche Journalisten wollen, wie eine Drückerbande, politische Dinge herbeischreiben, die sie für richtig und alleinseligmachend halten. Und nun laufen die Leser in Scharen davon. Denn heutzutage kommt den Medienmonopolisten das Internet in die Quere, sozusagen eine vulgäre Demokratisierung der veröffentlichten Meinung. Da ist es kein Wunder, wenn sie die Lügen im Internet, die es zweifelsfrei gibt, furios an den Pranger stellen. Politiker wie Herr Kauder und Herr Maas: „Die Politik lässt sich nicht veräppeln“, fordern sogar die Kontrolle über das Netz, um „Lügen, Hass und Beleidigungen“ zu ahnden. Es soll ja sogar schon „Meinungsroboter“ geben, die Merkelmussweg-Kommentare im Akkord schreiben.

Wenn das Netz weiterlügt, dann ist bald Schluss mit der Freiheit!“ Klingt ein bisschen nach Erdogan. Wie mag der Herr Kauder diesen Satz wohl gemeint haben? Für mich allerdings klingt das alles ein wenig nach: „Haltet den Dieb“ und nach „Pfeifen im Wald“.

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Leserpost

netiquette:

Herwig Mankovsky / 24.11.2016

Was soll die Diskussion wegen EINES Prozentes, wenn die Bandbreite der Prognosegenauigkeit ein Vielfaches beträgt?

Wieland Schmied / 24.11.2016

Zitat: “Für mich allerdings klingt das alles ein wenig nach: „Haltet den Dieb“ und nach “Pfeifen im Wald”.” Nein, nein, geehrter Herr Haferburg, das ist es nicht. Nach den jüngsten Auswürfen der ‘Kanzlerin’  Merkel im BuntenTag teilt sie genau diese Äußerungen ihrer Sendboten Kauder und Maas. Sehr gut nachzulesen in der heutigen Onlineausgabe der Deutschen Wirtschafts Nachrichten (DWN). Die absolute Kontrolle des Internetzes in diesem Land ist in greifbare Nähe gerückt. Da ist nichts mehr mit nur Pfeifen im Walde, da wird das Licht im Walde ausgeknipst und dem letzten wackeren Nachtwanderer Pfeifverbot erteilt. Der Wald steht schwarz und schweigend und aus den Wiesen steiget der graue Nebel wunderbar. Einst eine Zeile eines schönen deutschen Volksliedes. Heute wohl eher eine drohende Kulisse der politischen Szenerie dieses Staates.

Alexander Ledig / 23.11.2016

Nunja, sie unterschlagen aber auch, dass die Zahlen von vor einer Woche im Vergleich zu dieser Woche diese Wortwahl durchaus zulässt. Da legt die CDU 1,5 Prozentpunkte zu und die AfD nur 0,5. Das mit dem Vormonat kommt allein von ihnen. Wenn man sich natürlich die Daten so rauspickt wie man will, findet man immer was anzuprangern. Verstehen sie mich nicht falsch, ich stimme ihnen im Grundtenor zu, nur in diesem Beispiel machen sie es einfach genau so, wie sie es den anderen vorwerfen.

S. Blome / 23.11.2016

Es ist sogar noch kurioser. Der Anstieg bei der AfD von 14% auf 15% beträgt einen ProzentPUNKT, aber rund 7%. (1/14*100). Bei der CDU entspricht der selbe eine ProzentPUNKT einem Zuwachs von lediglich 3%. (1/30,5*100). Demnach hat die AfD in der Wählergunst um mehr als doppelt soviel zugelegt wie die CDU.

Dieter Schöddert / 23.11.2016

Also wenn man es genau nimmt haben wir bei der CDU einen Zuwachs von einem “Prozentpunkt” (!), was einem Zuwachs von 3,28 % bedeutet. Bei der AfD haben wir ebenfalls einen Zuwachs von einem “Prozentpunkt” (!), was einem Zuwachs von 7,14 % entspricht.

Wolfgang Schmid / 23.11.2016

Sie sollten aber bitte auch selbst die Prozentrechnung beherrschen: Es ist ein Unterschied zwischen “Prozentpunkt” und “Prozent”!!  Von 30,5 auf 31,5 ist es ein Anstieg um rund 3,3%. Von 14 auf 15 ist es ein Anstieg um 7,1%.

Michael Lorenz / 23.11.2016

Das Ungleichgewicht ist sogar noch größer: Um von 30,5 ProzentPUNKTEN auf 31,5 zu kommen, muss man mit dem Faktor 1,0327… malnehmen, das sind rund 3,3 PROZENT Zuwachs. Um von 14 auf 15 ProzentPUNKTE zu kommen, braucht man den Faktor 1,0714… und somit rund 7,1% Zuwachs. Damit hätte sich die AfD mehr als doppelt so stark verbessert wie die CDU (3,3 zu 7,1). Vorausgesetzt, man will solchen Unsinn tatsächlich als Statistik verkaufen. Wenn man 1000 zufällig ausgewählte Leute befragt (genauer: mehr oder weniger zufällig - schon mal mindestens gefiltert nach Leuten, die solchen Umfrage-Nervtötern überhaupt noch Auskunft geben. Von mir gibt’s eher weniger druckreife Bemerkungen!) - dann ist die Schwankungsbreite weit größer als das behauptete Prozent. Nimmt man noch die typisch linksgrüne Verzerrung (demnächst in der Einheit “Trump” gemessen) hinzu, glaube ich solchen Leuten noch nicht mal das Datum und schlage auch das, wie nahezu alles,  lieber noch mal selbst im Internet nach.

Carl Schäffler / 23.11.2016

Sie haben Recht Herr Haferburg, aber Sie haben das Beste übersehen. Diese Umfragen haben eine gewisse Fehlertoleranz, die i.d.R. über einem Prozentpunkt liegt, manchmal sogar über zwei. Das ist eine Information, die man in den Artikeln selten findet. Oft genug muß man erst zur Webseite des jeweiligen Instituts gehen, um sie zu bekommen. D.h. diese ganzen Gewinne/Verlust im Bereich von 1 - 2 PP über die wir im Wochentakt lesen, sind möglicherweise nur die Ungenauigkeiten der Umfragen.

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