Maxeiner & Miersch / 03.03.2012 / 15:01 / 0 / Seite ausdrucken

Öl ohne Ende

Bundesbürger, die derzeit eine Tankstelle anfahren, reiben sich spätestens an der Kasse die Augen: So teuer war der Sprit noch nie. Das scheint all jene zu bestätigen, die an das baldige Ende des fossilen Zeitalters glauben. „Der Ölpreis kennt nur eine Richtung, und die zeigt nach oben“, heißt das allgemeine Mantra. Der Konsument ergibt sich in sein Schicksal, schließlich scheint hier die klassische Marktwirtschaft am Werke: Ein immer knapperes Gut wird nun mal immer teurer. Schon seit langem gilt als beschlossen, dass der „Peak Oil“ in diesen Jahren erreicht ist, also die maximale Förderrate der weltweiten Erdölproduktion. Von diesem Gipfel, so lautet ein scheinbares Naturgesetz, kann es mit der Produktion nur noch bergab gehen.

Dachten wir auch. Doch dann sauste eine Untersuchung des globalen Finanzdienstleister Citigroup in unsere Mailbox: „Der Tod der Peak Oil Hypothese“. Mit jeder Seite der dicken Analyse wuchs unser Erstaunen. Kann man sich denn auf nichts mehr verlassen?  Nicht einmal darauf, dass beim Erdöl die Halbzeit überschritten ist? Sagen wir mal so: Derjenige, der mit seinem Geld auf unaufhörlich steigende Ölpreise wettet, sollte vorsichtig sein. Und auch Wachstumskritiker, die ihre Nachhaltigkeits-Szenarien auf dem baldigen Ende des „billigen“ Öls aufbauen, könnten sich noch wundern (wie in der Vergangenheit schon öfter).

Schuld daran sind mal wieder die Ingenieure: Genau wie beim plötzlich in riesigen Mengen produzierten „Schiefergas“, könnten demnächst auch gigantische Mengen von „Schieferöl“ aus dem Gestein gepresst werden. Das zeigt ein Blick auf die USA: Dort steigt die Produktion von Schieferöl so rasant an, dass sie mühelos die nachlassenden konventionellen Quellen ausgleicht. Amerika ist derzeit der am schnellsten wachsende Ölproduzent der Welt.  Zum ersten mal seit 60 Jahren ist das Land wieder ein Netto-Exporteur von raffinierten Erdölprodukten. In Verbindung mit dem ebenfalls explodierenden Schiefergasangebot geht die „Citigroup“ davon aus, dass Amerika noch in diesem Jahrzehnt unabhängig von Energie-Importen sein wird.
Das wird Auswirkungen auf den Ölpreis haben. Auch die Bereitschaft der Amerikaner, irgendwelche Erdöl-Despotien zu schützen, wird nicht gerade wachsen. Die neuen Methoden der Erdölgewinnung dürften auch dazu führen, dass erneuerbare Energien länger brauchen, um wirtschaftlich konkurrenzfähig zu werden. Wir lernen : Die Energie-Zukunft ist keineswegs so ausgemacht, wie wir in Deutschland das gerne hätten.

Erschienen in DIE WELT vom 2.3.2012

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