Maxeiner & Miersch / 24.11.2014 / 22:19 / 4 / Seite ausdrucken

Cash fürs Gucken

Die kulturelle Innovation des Jahres kommt aus Hamburg und wurde von einem Veganer erdacht, der seinen Mitmenschen das Fleischessen abgewöhnen möchte. Dafür hat er einen Kinosaal gemietet und zeigt dort den amerikanischen Film „Earthlings“, einen Komposition aus Bildern, die furchtbare Grausamkeiten gegen Tiere zeigen. Sein Kalkül: Wer diese Szenen sieht, wird nie wieder Fleisch essen. Nun ist es nicht jedermanns Sache, freiwillig scheußliche Bilder zu betrachten, die man sich nicht gesehen haben muss, um das Gezeigte zu verurteilen. Deshalb zahlt der vegane Missionar jedem zehn Euro, der sich „Earthlings“ bis zum Schluss antut.

Wir wünschen viel Erfolg, haben aber gewisse Bedenken, dass die Aktion anders wirken könnte, als vom Initiator erhofft. Womöglich kommen statt wankelmütiger Wurstesser, pathologische Sadisten, die sich an Torturen ergötzen, oder IS-Konvertiten die den Film als Lehrmaterial nutzen.

Die Grundidee ist aber ausbaufähig. Denn es mangelt ja nicht nur Filmen über Tier-Massaker an Publikum. Ob Filmemacher, Bildhauer oder Schriftsteller: Die meisten Künstler stehen vor dem Problem, dass sich zu wenige Menschen für ihr Werk interessieren. Und es fehlt ihnen die Macht öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, die ihr Kulturschaffen per Zwangsabgabe finanzieren. Der vegane Hamburger weist einen Ausweg: Jedem ein Zehner auf die Hand, und schon sind wesentlich mehr Menschen bereit, sich langweilige Theaterstücke oder belanglose Gemälde anzugucken.

Das Prinzip Publikumsbezahlung hätte obendrein noch den Vorteil, dass die Kunst endlich aus dem bildungsbürgerlichen Milieu ausbricht und an die weniger privilegierten Schichten rankommt. Denn der Oberstudienrat hat den Zehner ja nicht nötig. Anders der Hatz-IV-Empfänger, der sich damit nach dem Absitzen der kulturellen Darbietung einen schönen Abend macht. So sind am Ende alle glücklich. Der Zuschauer, der sich ein bisschen was dazuverdient, der Künstler, der endlich ein Publikum hat, und der Kulturpolitiker, der seine Forderung „Kultur für alle!“ erfüllt sieht. Bleibt nur die Frage, wer soll das Publikum bezahlen? Künstler sind normalerweise ziemlich klamm. Das wäre doch eine lohnende neue Staatsaufgabe.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Wolfram Ackner / 25.11.2014

DAS!!! ist für mich die Idee des Jahrtausends!!! Es gibt ja in Deutschland so viele “Augenöffner” in der Kunstszene und so viele Filmschaffende, die am 150 Jahre alten linkem Traum von der Erziehung eines neuen, bewussteren Menschentypes mitarbeiten möchten. Nur leider finden die wenigsten von denen in den rotgrünen Wärmestuben der Öffis Unterschlupf, wo solchen Sachen wie ‘miese Quote’ oder ‘Null-Zuschauer-Interesse’ keine Rolle spielen. Wenn unsere kritischen Künstler jetzt die einfachen Leute wie mich dafür bezahlen, dass wir uns ihre Sachen anschauen, wäre doch für beide Seiten etwas gewonnen. Wir Proleten hätten endlich einmal das Gefühl, von unseren Steuermilliarden, mit denen all die schöne Kultur subventioniert wird, für die sich außer den Intellektuellen und den Möchtegernintellektuellen eh nur die oberen zehn Prozent der Gesellschaft interessieren, wenigstens ein bisschen was zurückzukriegen, und die aufklärerischen Künstler hätten das Gefühl, dass sich das einfache Volk für ihre Mission interessiert. Allerdings muss es monetäre Abstufungen geben. Zehn Euro für das anschauen von Earthlings ist ok, für Michael Moore würde ich schon dreißig verlangen ... und für eine Lesung von diesem debilen Antisemiten Günther Grass will ich nen Fuffi oder ich bleibe zuhause ... Mit der Methode könnten unsere Künstler endlich mal ihren reellen Marktwert ermitteln ...

Gerhard Sponsel Lemvig / 25.11.2014

10,00 € Schaugeld ist mir als Fleischesser zu wenig.  Ist in der Branche schon ein Preisverfall eingetreten ? Oder mangelt es gar schon an Subventionen für die Bildervorzeiger? Unter 100,00 Schaugeld geht bei mir nichts.  Um Bilder vom Parteitag von Bündnis90/Die Grünen anzuschauen brauche ich, um es besser ertragen zu können, mindestens 150,00 € Schaugeld. Als neoliberaler Schauer bin ich für alle Gewinnmaximierungen offen. Bei dem Geschäftsmodell ” Bargeld fürs klotzen” fällt manchen Deutschen es noch schwerer, seine Demokratieabgabe (früher GEZ) zu bezahlen.

Stefan O. W. Weiß / 25.11.2014

Oh, oh, am Ende werden da noch die Leser der “Achse” auf dumme Gedanken kommen! Das Risiko würde ich lieber nicht eingehen. lol.

Axel Kracke / 24.11.2014

Wecken Sie doch bitte keine schlafenden Hunde! Wenn Schäuble demnächst mal wieder einen Vorschlag für eine neue Steuer hat, wissen wir, wem er diesen Einfall zu verdanken hat…

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Maxeiner & Miersch / 16.11.2014 / 10:00 / 6

Kuscheln im Schoße des Staates

Einst waren sie groß und mächtig: Energiekonzerne wie RWE, Eon und Vattenfall verdienten Milliarden, ihre Aktien galten als sichere Bank. Dann kam die Energiewende. Atomkraftwerke…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 08.11.2014 / 19:43 / 8

Orientalische Nostalgie

Der Früher-war-alles-besser-Mythos gedeiht in Deutschland in allen Schichten. Viele glauben, Omas Welt sei sicherer, gesünder und gemütlicher gewesen. Die Grünen und die AfD leben von…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 05.11.2014 / 14:00 / 0

Buchpremiere “Alles grün und gut?”

Einladung zur Buchpremiere und Podiumsdiskussion am 6. November im taz.Café in Berlin »ALLES GRÜN UND GUT? Eine Bilanz des ökologischen Denkens« (384 Seiten, erschienen am…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 04.11.2014 / 14:00 / 5

Alles grün und gut im Taz-Café

Einladung zur Buchpremiere und Podiumsdiskussion am 6. November im taz.Café in Berlin »ALLES GRÜN UND GUT? Eine Bilanz des ökologischen Denkens« (384 Seiten, erschienen am…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 26.10.2014 / 06:00 / 1

Die Träumer waren Realisten

Nachher ist man immer klüger. Auch wir haben manchmal das Gefühl, irgendwie hätten wir den Mauerfall kommen sehen oder zumindest so ein bisschen geahnt. Gedächtnis…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 18.10.2014 / 19:31 / 13

Die Einsamkeit des Carnivoren

Das feuilletonistische Segment der globalisierten Gesellschaft zieht es jedes Jahr zur Frankfurter Buchmesse. Es versammeln sich sehr belesene und sehr schwarz gekleidete Menschen, die am…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 15.10.2014 / 12:03 / 9

Neo-Multikulti

Vor ein paar Jahren wurde der Multikulturalismus von seinen Kritikern für tot erklärt. Der sympathische Gedanke, eines friedlichen Miteinanders, in dem jeder in seine kulturelle…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 08.10.2014 / 10:24 / 1

Wir sehen uns in Frankfurt

Noch fünf Tage, dann liegt „Alles grün und gut?“ in jedem Buchladen. Wer vorher schon mal reinschauen möchte, kann dies am KNAUS-Stand auf der Buchmesse…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com