Maxeiner & Miersch / 16.11.2014 / 10:00 / 6 / Seite ausdrucken

Kuscheln im Schoße des Staates

Einst waren sie groß und mächtig: Energiekonzerne wie RWE, Eon und Vattenfall verdienten Milliarden, ihre Aktien galten als sichere Bank. Dann kam die Energiewende. Atomkraftwerke sind auf einen Schlag tabu. Und konventionelle Kraftwerke sollen künftig nur noch als Lückenbüßer Strom liefern, wenn Wind oder Sonne nicht können. Das einst zumindest rudimentär marktwirtschaftliche Geschäftsmodell der Stromgiganten ist damit nicht mehr vorhanden. An seine Stelle trat eine Mischung aus Lotterie und Planwirtschaft. Ergebnis: Große Konzerne wie Eon schreiben bereits Milliardenverluste und haben mit der Entlassung Tausender Mitarbeitern begonnen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis für Eon & Co staatliche Rettungsschirme aufgespannt werden. Das Verfahren ist nicht neu, aber immer wieder interessant: Verstaatlichung als Rettung vor staatlicher Planwirtschaft.

Den Bundesbürger werden derweil mit Durchhalteparolen beglückt. Regierung,  Politik und Behörden überbieten sich ja schon seit längerem mit Energiespar-Lyrik. Umweltministerin Barbara Hendricks bemühte unlängst wieder den Klassiker: Heizung runter, Pullover anziehen!

Da wollte der Geschäftsführer von Eon Deutschland, Rolf Fouchier, offenbar nicht zurückstehen. Und so ließ er eine Pressemitteilung mit folgender Überschrift verbreiten: „Deutschland ist eine Kuschel-Nation. Hierzulande kuscheln rund 70 Prozent mindestens einmal pro Woche. Doch, dass menschliche Wärme auch Geld spart, wissen die wenigsten“. Stimmt, wir wussten es auch nicht. Und deshalb erklärt es uns Eon: „Einfach die Heizung ein wenig herunterdrehen - das spart Energiekosten und motiviert den Partner, näher heran zu rücken.“ Herr Fouchier verspricht: „Wer unsere Energiespar-Tipps beherzt, spart im Jahr bis zu 200 Euro“.

Wir hielten das, ehrlich gesagt, erst für eine Satire. Motto: Eon kann auch subversiv, wenn es sein muss. Doch da haben wir die Befindlichkeit in der Chefetage wohl falsch eingeschätzt. Eon gab beim Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid allen Ernstes eine Repräsentativ-Befragung namens „Eon Kuschel-Studie 2014“ in Auftrag, um zu solch bahnbrechenden Erkenntnissen zu kommen: „Gekuschelt wird nicht nur mit dem Partner, den Kindern oder einem Freund, sondern auch mit dem Haustier und in wenigen Fällen sogar mit dem Stofftier“. Und wenn man Eon heißt, dann kuschelt man mit Frau Hendricks im Schoße des Staates.

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Leserpost

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Hans-Peter Hammer / 17.11.2014

Das bestätigt mich nur in der klaren Antwort auf RWE’s Werbefrage: “Ist Deutschland verückt geworden?” JA!

Gerhard Sponsel Lemvig / 16.11.2014

Gesundes Winterbaden antrainieren, Heizung abdrehen und von dem ersparten heißen Glögg kaufen. Dann können einen die beiden deutschen Volkspädagogen Rolf Fouchier und Barbara Hendricks locker den Buckel runter rutschen.

Klaus Kalweit / 16.11.2014

Nicht nur bei EON scheint wahnhaftes Denken um sich zu greifen. In der nahe gelegenen niedersächsischen Kleinstadt gibt es jetzt ein Treffen der hier so unglaublich einflußreichen Grünen, wie die zukünftige Gesellschaft auszusehen habe. Laut örtlicher Presse soll diskutiert werden, daß die Menschen wieder auf die Felder gehen sollen, um zu säen und zu ernten, sowie daß aus klima- und energieökonomischen Gründen nur noch örtlich erzeugte Produkte, angeboten auf Bauernhöfen und zeitweise von “Gemüsekisten”, gekauft werden sollen. Das käme nicht nur dem Klimawandel und der Umwelt zugute, sondern führe auch zu mehr Arbeitsplätzen. Für mich liest sich das wie ein Aufruf zur Rückkehr ins Mittelalter. Was dürfen die Grünen alles verkünden, bis die Wähler die wahre Natur dieser selbst inszenierten Naturbeglücker erkennen?

Peter Duchamp / 16.11.2014

Man möchte manchmal zu gerne Mäuschen sein, wenn Entscheidungen für solche Kampagnen fallen. Dass eine Firma bei ihren Kunden dafür wirbt, weniger von ihren Produkten (hier Energie) zu kaufen, wird es wohl nicht sein. Sowas traut man selbst mit Erfahrung in dem Bereich den Marketingabteilungen nicht zu. Aber - welch Raffinesse - EON verkauft ja Strom und kein Heizöl, und daher ist es nahezu genial, einerseits den Kunden auf steigende Stromkosten vorzubereiten (Macht nix, musste weniger heizen und mehr kuscheln, dann kostet Energie gesamt nicht mehr) und andererseits auch noch als verantwortungsvolle Firma dazustehen, die im Rahmen des Rettungsprojektes Gaia den Kunden zu weniger Energieverbrauch (Heizöl juckt uns ja nicht, merkt aber keiner) auffordert. Nach dieser genialen Idee ist man bestimmt einen wohlig wärmenden (von innen, gegen die äußere Kälte) Schluck heben gegangen.

Vaclav Endrst / 16.11.2014

Es tut mir Leid hier mitzuteilen, dass ich lieber frieren würde als mit der Frau Ministerin Hendriks zu kuscheln. Selbs wenn sie die letzte Frau auf diese Erde wird, werde ich lieber schwul.

Michael Lorenz / 16.11.2014

„Einfach die Heizung ein wenig herunterdrehen - das spart Energiekosten und motiviert den Partner, näher heran zu rücken.“ Schöne Idee. Hätte auch welche: Einfach das Lebensmittelangebot in den Supermärkten etwas verknappen, schon nehmen auch die dicken McDonalds-Kinder endlich mal ab, und die anstrengende Brigitte-Diät wird überflüssig. Einfach täglich für mehrere Stunden den Strom abstellen - und schon spart die Waschmaschine nicht nur Strom, sondern auch noch Wasser. Und wenn die Leute dann gelernt haben, seltener zu waschen, spart es auch noch Waschmittel, was dann zum knapperen Warenangebot passt. Lauter Win-Win-Situationen. Wie hat die DDR nur untergehen können?

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