Der Verteilungskampf in Europa wird härter und bekommt eine ideologische Note: linker Schuldensozialismus gegen bürgerliche Stabilitätsunion. Angela Merkel wehrt sich im deutschen Interesse tapfer, doch die Sozialdemokraten fallen ihr in den Rücken
Der Ton gegen Angela Merkel wird gemein. Von Athen bis London schimpft man sie im günstigen Fall Spar-Oma, eiserne Lady oder Domina. Inzwischen hört man aber auch Nero, Terminator oder “das gefährlichste deutsche Staatsoberhaupt seit Hitler” (so das britische Magazin “New Statesman”). Sie malen ihr in Karikaturen das Hitlerbärtchen an, kleiden sie in Wehrmachtsuniform und überschütten sie mit wüsten Beleidigungen. Vor allem linke Medien verfluchen sie als Folterfrau, werfen mit braunem Schlamm und vergiften das Klima in Europa. Dabei sagt die Bundeskanzlerin nur, was die Stunde geschlagen hat: der Schuldensozialismus muss ein Ende haben, und Deutschland kann nicht für alles zahlen.
Genau das aber sieht die europäische Linke unter Führung ihres neuen Herolds Francois Hollande (jener irrlichternden Mischung eines betagten Finanzbeamtenspießers mit dem jungen Lenin) ganz anders – und also machen sie Stimmung gegen Angela Merkel. Der Verteilungskampf wird nicht nur härter, er bekommt damit auch eine ideologische Note (linker Schuldensozialismus gegen bürgerliche Stabilitätsunion). Ausgerechnet Merkel, die nie eine konsequente Konservative und schon gar keine klare Wirtschaftsliberale gewesen ist, kommt plötzlich in die Rolle der Lordsiegelbewahrerin bürgerlicher Werte.
Ihre Geradlinigkeit in Sachen Fiskalpakt verblüfft zwar auch Frankreichs neuen Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault. Der frühere Deutschlehrer fordert trotzdem von Berlin ziemlich dreist das Quartett des schuldensozialistischen Programms auf deutsche Kosten: Erstens die kollektivierte Einlagensicherung von Banken mitsamt Banklizenz für den Rettungsfonds ESM. Zweitens: Eurobonds, Eurobills und Projektanleihen unter deutscher Bürgschaft. Drittens die Sozialisierung der Altschulden (Schuldentilgungsfonds) und viertens ein milliardenschweres Konjunktur- und Wachstumsprogramm mit neuen, gerne von Deutschland garantierten Schulden.
Dass die deutsche Sozialdemokratie der Kanzlerin gerade jetzt in den Rücken fällt, an diesem Programm mitschreibt und aus der angespannten Stimmung parteipolitisch Kapital schlagen will, kommt einen schäbig anderen ideologisch vor. Vor allem ist es politisch unklug – denn wer will im kommenden Jahr hierzulande eine SPD wählen, die deutsche Interessen auf offener Bühne verrät?
Schließlich haben die Deutschen schon Zigmilliarden an schwächere Europartner hergegeben – an Strukturfonds und Kohäsionsmitteln, an Agrarsubventionen und Infrastrukturgeldern, an Rettungsfonds und Schutzschirmen. Und auch die deutschen Autofahrer zahlen brav an die lieben Nachbarn - gerade jetzt im Urlaub werden sie an den Mautstellen abkassiert auf Euro komm raus. Die Grenzkontrollen sind gefallen, die Kassierhäuschen haben sich vervielfacht. Europas Vignettenwelt ist eine Transferunion ganz eigener Art. Denn bei uns fährt der Rest Europas umsonst.
Es ist daher höchste Zeit über eine faire Lastenteilung zu diskutieren anstatt immer nur am deutschen Portemonnaie herum zu zerren. Es darf nicht sein, dass die Steuern in Irland niedriger, die Autobahnen in Spanien besser, die Arbeitszeiten in Italien geringer, das Renteneintrittsalter in Frankreich niedriger, die Beamtenversorgung in Griechenland großzügiger, die Agrarsubventionen in Portugal höher und die Schulen auf Zypern besser ausgestattet sind als bei uns. Wenn Deutschland schon zahlt, darf es nicht auch noch benachteiligt werden. Auch nicht mit der Maut. Der Ruf Ramsauers ist legitim: Entweder die anderen verzichten auf ihre Wegelagerei oder sie müssen hierzulande auch zahlen. Oder wir vergemeinschaften die Einahmen der anderen, wie es sonst ja jetzt auch überall gefordert wird: Eurobonds für die Straßen gewissermaßen. Und damit es gut klingt: Wir wollen die Mautunion!
Zuerst erschienen auf HANDELSBLATT Online