Vera Lengsfeld / 04.04.2012 / 12:46 / 0 / Seite ausdrucken

Gysi und die Lüge (2)

Nachdem der Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages 1998 zu dem Ergebnis gekommen war, die Stasimitarbeit des Abgeordneten Gysi sei erwiesen, versuchte Gysi die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts vor dem Verfassungsgericht zu verhindern. Er unterlag. Aber er hatte Zeit gewonnen, wie sich herausstellte, entscheidende Zeit. Inzwischen war die Legislaturperiode 1994-1998 fast zu Ende. Es begannen die Sommerferien, danach der Wahlkampf. In dieser Situation entschied sich die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth, Gysi nicht zur Niederlegung seines Mandates aufzufordern, was sie nach der Selbstverpflichtung, die sich der Bundestag gegeben hatte, hätte tun müssen. Süßmuth befürchtete den Vorwurf eines Wahlkampfmanövers. Die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts blieb also folgenlos. Entsprechend gering war das Medieninteresse. Im Wahlkampf und der anschließenden Rot-Grünen Regierungsbildung trat das Thema Gysi in den Hintergrund.
Die Rot-Grüne Regierungsmehrheit hatte kein Interesse daran, den Fall wieder auf die Tagesordnung zu setzen, so geriet das Urteil des Immunitätsausschusses in Vergessenheit.
Erst die Schwarz-Gelbe Koalition nahm sich der Sache auf Initiative der FDP wieder an. Mit mehrjähriger Verzögerung wurde endlich im Bundestagsplenum über Gysis Stasimitarbeit diskutiert. Zu einer Aufforderung, sein Mandat niederzulegen, kam es wieder nicht. Der formale Grund war, dass es ein neues Untersuchungsverfahren hätte geben müssen, was der Immunitätsausschuss nicht einleitete, weil sich keine neuen Verdachtsmomente ergeben hatten. Gysi beteuerte vor dem Plenum des Bundestages, er hätte nie mit der Stasi geredet und kam wieder damit durch.
Allerdings hatte er gelogen. Das hätten ihm aufmerksame Mitglieder des Immunitätsausschusses im Plenum vorhalten können. Es gibt in den Akten einen Vermerk aus der Zeit, wo der junge Rechtsanwalt Gysi einen seiner ersten Mandanten im Staatssicherheitsgefängnis besucht. Ein Stasioffizier schreibt in seinem Bericht, dass Rechtsanwalt Gysi ihn nach seinem Mandantengespräch unaufgefordert aufgesucht hätte, um ihn über dieses Gespräch zu informieren. Er hätte den Eindruck gehabt, schreibt der Offizier, Gysi bewerbe sich um eine Mitarbeit bei der Stasi. Damals war Gysi noch kein bekannter Anwalt, wie beim Spiegelgespräch 1989, sondern ein unbedeutender Absolvent mit großen Ambitionen.
Das ist nicht der einzige Fall, in dem Gysi mit der Stasi kooperiert hat. Ich habe seit 1992in allen meinen Büchern darauf verwiesen, dass Gysi mich während meiner Inhaftierung im Stasigefängnis Hohenschönhausen besucht hat, um die Hindernisse für meine Abschiebung in den Westen zu beseitigen. Er hatte dafür kein Mandat, weder von mir, noch von meinem damaligen Mann. Der ausführliche Bericht über Gysis Tätigkeit stand bereits auf der Achse. Wer möchte, kann das hier nachlesen.
Gysi schweigt sich bis heute darüber aus, wer ihm den Auftrag gegeben hat,  gemäß des Maßnahmeplans der Staatsicherheit , den Weg für meine Abschiebung in den Westen zu ebnen. Wenn es einen Vermerk geben würde, dass ihm dieser Auftrag vom ZK erteilt wurde, hätte er das seit zwanzig Jahren öffentlich machen können.
Im Zusammenhang mit seinem Verfahren gegen den NDR, um die zweite Ausstrahlung des Films „Die Akte Gysi“zu verhindern, hat Gysi sogar eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, dass er nie mit der Stasi geredet hat. Die von mir beschriebenen Tatsachen sprechen eine andere Sprache.
Auffällig ist, dass bei allen Prozessen, die Gysi führt, es nie zu einem Hauptsacheverfahren kommt, in dem Zeugen gehört werden müssen, die ihn in eindeutigen Situationen erlebt haben. In meinem Falle hat er eine Klage gegen die FAZ zurückgezogen und gegen den Focus auf das angedrohte Verfahren verzichtet, nachdem das Magazin seinen Artikel „Kaffeekochen bei der Stasi“ veröffentlicht hatte, in dem von seiner Rolle bei meinem Abschiebungsverfahren die Rede war. Gysi kannte sich in dem Gästehaus der Staatsicherheit, in das ich vor meiner Abschiebung gebracht wurde, so gut aus, dass er in der Küche Kaffee kochen konnte. Das darf kein fremder Gast.
Es bleibt zu hoffen, dass die Staatsanwaltschaft der Sache auf den Grund geht und Gysi für seinen Meineid belangt.

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