Dirk Maxeiner / 21.07.2017 / 06:15 / Foto: Lisa Risager / 14 / Seite ausdrucken

Grüne wollen Steuerbetrug mit Dienstfahrrädern legalisieren

Um gleich zu Anfang etwas klarzustellen: Hier geht es nicht darum, Dienstfahrräder schlecht zu machen. Es geht auch nicht darum, die steuerliche Absetzbarkeit von Dienstfahrrädern in Frage zu stellen. Es geht um etwas Anderes: Dienstfahrräder wurden zu einem Geschäftsmodell für Steuerhinterziehung, was einen Teil ihrer ungeahnten Popularität ausmachen mag (inzwischen gibt es rund 150 000 Dienstfahrräder). Und es geht darum, dass die Partei der Grünen, die besonders laut nach Steuergerechtigkeit ruft, den offensichtlichen Steuerbetrug nachträglich legalisieren will.  Der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit könnte nicht größer sein. „Mit zahlreichen Initiativen haben wir uns im Bundestag immer wieder eingesetzt für die Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerbetrug, mehr Gerechtigkeit bei der Besteuerung von Bürgerinnen und Bürgern“, schreiben die Grünen beispielsweise hier.

Dass Finanzpolitiker sich immer wieder über die Systematik unseres Steuerrechts hinwegsetzen ist nicht neu, dass sich aber einige von ihnen nicht einmal scheuen, Steuergesetze entgegen dem Wortlaut anzuwenden, ist von besonderer Qualität. Die jüngste Initiative einiger grüner Finanzpolitiker ist dafür ein Beispiel. Sie wollen auf dem Weg der Verwaltungsanweisung erreichen, dass die Anwendung der sogenannten Pauschalsteuer gemäß § 37b EStG ausgeweitet  und auch in Fällen erlaubt sein soll, die nach dem Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen sind. Damit sollen Leasinganbieter, die mit Steuervorteilen werben, die es in der behaupteten Höhe legal nicht gibt, vor Regressforderungen ihrer Kunden geschützt werden.

Den Sachverhalt hat mir ein Fachmann so erklärt: Im Jahr 2012 wurde das Dienstrad dem Dienstwagen steuerlich weitgehend gleichgestellt. Seitdem boomt der Markt für Diensträder, die im Rahmen einer Gehaltsumwandlung von Arbeitgebern geleast werden. Im Wettbewerb um die Kunden reicht vielen Leasinganbietern der „normale“ Steuervorteil, der sich durch die Gehaltsumwandlung ergibt, nicht aus. Um den Effekt zu erhöhen, wird am Ende der Leasingdauer den Arbeitnehmern das Dienstrad für 10 Prozent des Neupreises (oder zu einem noch geringeren Wert) zum Kauf angeboten. Ein Fahrrad, das den durchschnitttlichen Kaufpreis von 3.000 Euro hatte, wird also für 300 Euro abgegeben. Der niedrige Kaufpreis ist bereits in den Leasingraten und damit in der Gehaltsumwandlung berücksichtigt. Man muss kein Experte sein, um zu wissen, dass solche Kaufpreise nichts mit dem tatsächlichen Marktwert zu tun haben.

Den Leasinganbietern drohen Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe

Der bei Kauf eingeräumte Preisvorteil müsste eigentlich versteuert beziehungsweise in der Sozialversicherung berücksichtigt werden. Doch darauf weisen die Leasinganbieter nicht hin. Sie suggerieren, dass mit der Zahlung des Kaufpreises alles erledigt sei – und machen damit die Steuerhinterziehung zu ihrem Geschäftsmodell. Heute gibt es in Deutschland rund 150.000 Diensträder, die durch eine Gehaltsumwandlung finanziert und am Ende der Leasingdauer von den Arbeitnehmer gekauft werden können. Die Zahl steigt von Jahr zu Jahr. Der durchschnittliche Anschaffungspreis ebenfalls. Er liegt heute bei fast 3.000 Euro. Inzwischen haben die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder die Gefahr erkannt, dass bei diesem Geschäftsmodell Steuern hinterzogen werden. Sie haben mit einer Verfügung reagiert (siehe OFD NRW, Kurz-Info LSt. vom 17.05.2017).

Danach ist ein drei Jahre altes Dienstrad steuerlich mit 40 Prozent des ursprünglichen Neupreises zu bewerten, sofern kein geringerer Wert nachgewiesen wird. Nach dem obigen Beispiel müsste es also für 1200 Euro statt 300 Euro in Rechnung gestellt werden. Hat der Arbeitnehmer das Dienstrad zu einem Kaufpreis erworben, der unter diesem Wert liegt, ist die Differenz als geldwerter Vorteil zu versteuern (Lohn- und Umsatzsteuer) und bei der Beitragshöhe der Sozialversicherung zu berücksichtigen. In unserem Beispiel wären das also 900 Euro. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Verkauf an den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber oder einen Dritten erfolgt.

Die Verfügung der obersten Finanzbehörden gilt auch für die zurückliegenden Jahre. Deshalb sind Arbeitgeber, die den Versprechungen der Leasinganbieter vertraut haben, beunruhigt. Denn wenn bei Betriebsprüfungen die Diensträder ins Visier geraten, drohen hohe Nachzahlungen. Das bliebe für die Leasinganbieter nicht ohne Folgen. Sie können sich schon jetzt auf Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe einstellen.

Knallharter Wirtschafts‐Lobbyismus

Umso bemerkenswerter ist die Initiative grüner Finanzpolitiker aus Baden‐Württemberg, Bremen und Schleswig‐Holstein. Sie setzen sich für eine Regelung ein, von der ausgerechnet diejenigen Leasinganbieter, die sich jahrelang mit falschen steuerlichen Versprechungen einen Wettbewerbsvorteil verschafft haben, profitieren. Sollte es die von den Politikern gewünschte Regelung tatsächlich geben, hätten diese Anbieter keine Regressforderungen mehr zu befürchten. Stattdessen müssten sie nur eine vergleichsweise niedrige Pauschalsteuer zahlen, die sogar als Betriebsausgabe absetzbar wäre.

Allerdings würde eine solche Regelung auch für Dienstwagen gelten – und neue Steuersparmodelle entstehen lassen. Ist den grünen Finanzpolitikern diese Nebenwirkung bewusst – oder haben sie die Sache nicht zu Ende gedacht? Warum wollen sie ausgerechnet diejenigen, die zu Lasten ihrer Kunden die Steuerhinterziehung zum Geschäftsmodell gemacht haben, dafür belohnen? Geht es dabei wirklich um die Förderung des Dienstrads als alternativem Verkehrsmittel – oder um knallharten Wirtschafts‐Lobbyismus zugunsten einzelner Leasinganbieter?

Da die beabsichtigte Regelung gegen das Gesetz verstößt, ist wohl nicht davon auszugehen, dass sie jemals zustande kommt. Auf der letzten Sitzung der Lohnsteuer‐Referatsleiter des Bundes und der Länder, die am 29. Juni 2017 stattfand, wurde der Antrag jedenfalls zurückgewiesen. Aber das macht die Sache nicht besser, denn die Initiatoren des Vorhabens lassen nicht locker. Der Schutz der Leasinganbieter scheint ihnen wichtig zu sein. Im September 2017 steht der Antrag erneut auf der Tagesordnung. Diesmal eine Etage höher, bei den Abteilungsleitern. Damit dürfte auch der politische Druck noch einmal steigen, denn grüne Politiker sind gut vernetzt.

Wie kann es sein, dass leitende Beamte eines Ministeriums politisch genötigt werden, eine Rechtsauffassung zu vertreten, die der Gesetzeslage widerspricht? Wer trägt die Verantwortung für den Versuch, das Steuerrecht zu beugen, um Steuerhinterziehung zu legalisieren? Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Finanzminister der Länder Baden‐Württemberg, Bremen und Schleswig‐Holstein?

Siehe auch den Beitrag „Das Dienstrad als Steuerfalle“, der vor einigen Monaten in der Steuerfachzeitschrift NWB erschienen ist.

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Leserpost

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Karla Kuhn / 21.07.2017

Demokratie ade, Anarchie welcome??? (Mit oder ohne Blumen ?)

Winfried Sautter / 21.07.2017

Was sind das für Fahrräder, die 3.000 € pro Stück kosten ?! Das Äquivalent zu Oberklasse-Modellen der deutschen Premium-Autobauer?! Ich fahre seit 50 Jahren Fahrrad, 365 Tage im Jahr, natürlich auch zur Arbeit.  Mein privat beschaffter Bock ist nun neun Jahre alt, beim Kauf damals gehörte er zur gehobenen Klasse (800 €), er ist regelmässig gewartet, und wird es noch ein paar Jahre machen. Dass Fahrräder inzwischen mehr und mehr Lifestyle-Accessoires sind, mag halt so sein. Aber man muss es nicht steuerlich begünstigen.

Andreas Rochow / 21.07.2017

Klar, weshalb die Steuer nicht auf eInen Bierdeckel passt. Grüne “Ökos” kriegen den Hals nicht voll: Wenn sie schon für die Klimarettung sportlich in die Pedale teten, soll der Fiskus das gefälligst auch honorieren. Ist ja für einen guten Zweck.

Hartmut Laun / 21.07.2017

Gesetze straflos zu brechen und zu missachten dafür ist das Merkel-Regime zum Vorbild für jeden geworden.

Hans Meier / 21.07.2017

Wobei die 40% Restwert = 1200 Euro für ein 3 Jahre altes, im täglichen Verkehr benutztes Pedelec wohl völlig unrealistisch sind. Nach dieser Zeit ist spätestens ein neuer Akku fällig, der gerne einmal 500 Euro oder mehr kostet. Selbst für 300 Euro Verkaufspreis wird man da noch kämpfen müssen.

John Thompson / 21.07.2017

Habe ich richtig gelesen, dass 3000€ für ein Fahrrad gezahlt werden, und dies nicht bereits einen Korruptionsverdacht nahe legt? Was für “Arbeitsfahrräder” sind das? Womit rechtfertigt man einen Anschaffungspreis von 3000€ bei einem Straßenfahrrad, das nicht sportlich genutzt wird?! Ich fahre seit langer Zeit regelmäßig Mountainbike. Mein Fahrrad hat 1500€ gekostet, ist aus Einzelteilen zusammen gebaut, und ist von den technischen Daten her auf semiprofessionellem Niveau. Ich habe in zehn Jahren keine 3000€ dafür ausgegeben, um das Teil instand zu halten, und es sind nur XT Teile und eine Luftfedergabel daran. Laut meinem GPS bin ich damit schon über 40000km gefahren. Durch bergige Pampa. Fahrten zum Supermarkt sind nicht eingeschlossen.

Thomas Rießinger / 21.07.2017

Wie kann man auf die Idee kommen, dass diese Regierung sich an geltendes Recht hält?

Marcel Seiler / 21.07.2017

“Da die beabsichtigte Regelung gegen das Gesetz verstößt, ist wohl nicht davon auszugehen, dass sie jemals zustande kommt.” Vor drei Jahren hätte ich das auch gedacht. – Die Grünen haben sich vom Recht, das für alle gleich ist, und von der Marktwirtschaft, die durch für alle gleichermaßen geltende abstrakte Regeln charakterisiert ist, längst verabschiedet. Sie hängen einem Modell des planwirtschaftlichen Interventionismus an, der Eingriffe in Recht und Regeln immer dann rechtfertigt, wenn irgendein Marktergebnis nicht genau so ist, wie die Grünen es sich in ihrer Nirwana-Fantasie vorstellen. Die Summe solcher Eingriffe können Wirtschaft wie Rechtsgefühl einer Gesellschaft zutiefst beschädigen.

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