Karl Pfeifer / 30.05.2008 / 18:35 / 0 / Seite ausdrucken

Einige unserer besten Freunde sind Juden

Die proislamistische Antiimperialistische Koordination (AIK) hat gleich in zwei Artikeln das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) mit Verleumdungen überschüttet. Weil man der Kritik des DÖW an der antisemitischen Agitation und Allianzbildung nichts entgegnen kann, versucht es die AIK mit der zuvor schon von Rechtsextremen erprobten Methode. Dabei macht man sich den Fehler einer APA-Mitarbeiterin zu Nutze und behauptet allen Ernstes, Brigitte Bailer, wissenschaftliche Leiterin des DÖW, hätte der AIK „Sympathie für den Holocaust“ unterstellt. In einer Stellungnahme hat Brigitte Bailer bereits auf die Falschmeldung der APA geantwortet. [1]

Schon die Tatsache, dass die staatliche Presseagantur eine solche Meldung bringt, zeigt, dass die mit Selbstmitleid gespickten Beschwerden der AIK, die in Österreich „unumschränkte Medienmacht der proamerikanischen und proisraelischen Kräfte“ [2] beklagen, nichts mit der Realität zu tun haben, sondern mit ihrer paranoiden Geisteshaltung. Die AIK teilt die Welt – wie die Manichäer – in Gute und Böse ein, auf der einen Seite die guten Antiimperialisten, zu denen natürlich alle Terrororganisationen gehören und auf der anderen Seite die USA und Israel.

Beachten wir, was die AIK als „lächerliche Vorwürfe [des DÖW], die der einfachen Meinungsmanipulation dienen“ [2], versucht herunterzuspielen.
Anfang 2003 veröffentlichte die Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich auf der Homepage des DÖW eine gründliche, auf Aussagen der AIK basierende Auseinandersetzung, mit linkem Antisemitismus. [3] Das geschah noch vor dem Irak-Krieg und hatte im Gegensatz zu der Behauptung der AIK nichts damit zu tun. Im Sommer 2003 äußerte die AIK ihre Sympathie mit dem jordanischen Lehrer Ibrahim Alloush. Als die Aktion gegen den Antisemitismus darauf hinwies, dass Alloush nicht nur ein Holocaustleugner, sondern auch ein Mitarbeiter neonazistischer Medien ist, distanzierte sich die AIK zunächst von diesem, um dann doch Verständnis für dessen Holocaustleugnung zu äußern. 
Am 25.5.08 hat die AIK den Titel ihres Artikels vom 1.7.03 „Warum wir Ibrahim Alloush verteidigen“  abgeändert, da man „unsere ausdrückliche und dezidierte inhaltliche Distanzierung von Alloushs Position zum Holocaust par tout nicht hören will “. [4] Diese Begründung ist hanebüchen.
In ihrem ursprünglichen Artikel vom Juli 2003 rückte die AIK von einer Verurteilung von Ibrahim Alloush ab, denn: „Mit Recht meinten in der Folge Stimmen von arabischer und antiimperialistischer Seite, dass es eurozentristisch wäre, die Dinge so einfach gleichzusetzen, und es bei diesen getroffenen Maßnahmen zu belassen. Nicht die Araber seien für den Holocaust verantwortlich.“ [4]
Damit soll der Beitrag unter den Teppich gekehrt werden, den der Mufti von Jerusalem, der sich zwischen 1941 und 1945 im deutschen Exil aufhielt, zum Völkermord geleistet hat. Er hat sich in Berlin nicht nur für die Beseitigung des Jischuw, der Juden im damaligen britischen Mandatsgebiet engagiert, sondern auch für die Ausweitung des Massenmords an den europäischen Juden. Ihren Gipfelpunkt fand die deutsch-arabische Kooperation als der Mufti Muslime für eigene SS-Einheiten rekrutierte und seinen Einfluss dafür geltend machte, dass keine jüdischen Kinder aus Europa mehr nach Palästina gelangen. Araber und Muslime sind nicht die Hauptverantwortlichen für den Völkermord an den Juden, doch sind sie angesichts der Kollaboration ihres bis heute hoch verehrten Muftis auch nicht frei von Mitverantwortung.
Die AIK postulierte weiter: „Andererseits gebe es eine konkrete und reale Verfolgung und Vernichtung des palästinensischen Volkes durch Israel und mit der Unterstützung der alles beherrschenden Weltmacht USA.“ [4]
Auch hier übernahm die AIK wie so oft die virulente Rhetorik arabischer Extremisten. Die Behauptung von der „Vernichtung des palästinensischen Volkes“ oder vom „Völkermord“ den Israel begeht, hat nichts mit der Realität des Nahen Ostens zu tun, wo gerade die Palästinenser einen Bevölkerungszuwachs seit 1948 erlebten, wie kaum ein anderes Volk. Es hat aber zu tun mit dem psychologischen Bedürfnis, den jüdischen Staat zu unterstellen, er würde sich so zu den Palästinensern verhalten wie die nationalsozialistische Volksgemeinschaft zu den Juden. Das ist sekundärer Antisemitismus.
Doch damit nicht genug, die AIK demagogisch: „Auf absehbare Zeit besteht keine Gefahr des Wiederaufstiegs des Nationalsozialismus und des mit ihm verbundenen Antisemitismus“. [4] Kein ernsthafter Mensch spricht von einer Gefahr des Wiederaufstiegs des Nationalsozialismus. Den Antisemitismus lediglich in Verbindung mit dem Nationalsozialismus zu sehen, ist eine unstatthafte Verkürzung. Lange bevor es Nationalsozialismus gab, war schon der Antisemitismus in Österreich tief verwurzelt. Und was aber auch nicht einfach wegretuschiert werden kann, auch nach dem Völkermord an Juden verschwand der Antisemitismus nicht aus österreichischer Politik und Medien. Natürlich prallen solche Argumente bei der AIK, die sich auch gegen die Traditionen der Aufklärung ausspricht, ab, wichtig ist allein der Kampf gegen die USA und Israel, die für das Elend der Welt verantwortlich gemacht werden. Und die AIK vereinfacht: „Die Armen, die heute mit antiaufklärerischen Parolen und Methoden gegen die Reichen, die sich mit den Lorbeeren der Aufklärung schmücken, vorgehen, sind historisch die einzigen, die konsequente Aufklärung gegen ihre westlichen Zerstörer durchsetzen können.“ [4]
Das heißt für die AIK auf Seite der Obskuranten und Fanatiker zu stehen, der Steiniger, Kopfabhacker, derjenigen, die Frauen Minderheiten und Homosexuelle verfolgen. Denn als Kulturrelativisten glauben sie den Islamismus als einen Kampf der Armen darstellen zu müssen. Menschenrechte fordern sie nur für Europäer. Diejenigen, die Frauen, Minderheiten und Homosexuelle in arabischen und muslimischen Ländern diskriminieren und gelegentlich foltern und ermorden sind ihre Verbündeten und dazu bekennen sie sich ganz offen.

Man kann der AIK nicht eine gewisse Konsequenz absprechen. Auch in ihrer gegen das DÖW gerichteten Polemik vom 26.5.2008 hält sie an der Verteidigung von Alloush fest, geht aber noch einen Schritt weiter: „Wir haben uns aber erlaubt, darauf hinzuweisen, dass Alloush – ähnlich wie in jüngerer Vergangenheit der iranische Präsident Ahmadinejad – den Holocaust nicht deshalb leugnet, weil er das Naziregime rehabilitieren möchte, sondern weil er das zionistische Argument, der Holocaust rechtfertige die israelische Politik, durch das Leugnen des Holocaust zu entkräften versucht.“ [2]
In Österreich ist die Leugnung oder Verharmlosung der nationalsozialistischen Verbrechen strafbar. Die AIK meint, wenn ein Araber oder ein Muslim diese Verbrechen leugnet, dann müsste man doch dafür Verständnis haben und diesen verteidigen, wegen irgendwelcher angeblichen zionistischen Argumente. Am Ende sind die Zionisten schuld, wenn Araber und Muslime sich gezwungen sehen, nationalsozialistische Verbrechen zu leugnen. So übernimmt die AIK nicht nur die Argumentation der extremistischsten Palästinenser, die wenn sie schon die Verbrechen der Nazi anerkennen, doch dafür Juden verantwortlich machen, sondern hält Araber und Muslime für nicht fähig, einzusehen, dass die Leugnung der nationalsozialistischen Verbrechen, nicht nur politisch schadet, sondern auch moralisch verwerflich ist. Die AIK, die bereit ist mit Rechtsextremisten gemeinsame Front zu machen, verteidigt– um ihre rechtsextremistischen und islamistischen Bündnispartner bei Stange zu halten – mit irrationaler Begründung auch das Verbrechen der Leugnung des nationalsozialistischen Völkermords soweit es ein Araber oder Muslim begeht.
Insofern ist es auch nicht verwunderlich, wie die AIK – im Übrigen mit einiger Verspätung – auf die Holocaustleugner-Konferenz in Teheran (Dezember 2006)reagiert hat: „Der Schaden für den antiimperialistischen Befreiungskampf ist enorm. Denn wenn der Holocaust geleugnet wird, kann der Zionismus seinen Vorwurf, dass die arabisch-islamischen Befreiungsbestrebungen antisemitisch wären, ein Stück weit glaubhafter erscheinen lassen. Wer den Genozid an den Juden leugnet, dem kann leichter unterstellt werden, etwas gegen Juden als solche im Schilde zu führen. Der legitime Widerstand gegen die zionistische Ideologie und Praxis der Vertreibung, Unterdrückung und Besatzung kann so als Judenhass delegitimiert werden. (…) Tatsache ist jedoch, dass Israel und der Westen den Holocaust missbrauchen um die eigene Politik zu rechtfertigen. Sichtbar ist dies an der Verleumdung des palästinensischen Befreiungskampfes als Antisemitismus, die sich in den westlichen Medien durchzusetzen beginnt. (…) Die Vertreibung der Palästinenser aus ihrer Heimat wird von Israel seit jeher, vom Westen zunehmend mit dem Völkermord des Nationalsozialismus an den Juden gerechtfertigt. In den Augen der arabisch-islamischen Massen bedeutet dies in zynischer Weise den aktuellen Völkermord mit dem historischen zu rechtfertigen. Israel und seine permanente koloniale Aggression wird als unantastbar dargestellt, denn es sei der Staat der Opfer des Holocaust, die es zu schützen gelte.“ [5]
Und wieder eine grobe Geschichtsfälschung: Ca. Zehn Prozent der palästinensischen Flüchtlinge wurden 1948 während Kampfhandlungen, welche von der arabischen Seite begonnen wurde, vertrieben. Wenn die AIK einen „aktuellen Völkermord“ beklagt, dann entspricht das auch der neonazistischen und fundamentalistisch-chauvinistischen arabischen Rhetorik, aber keineswegs den Tatsachen. Mit dieser Geschichtsfälschung möchte die AIK, den Staat Israel mit dem System der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft gleichstellen. Auch das ist antisemitisch.
„Um die Existenz Israels als exklusiv jüdischer Staat auf Grundlage einer historischen wie permanenten Vertreibung der ursprünglich ansässigen Bevölkerung zu rechtfertigen, sieht sich Israel genötigt, eine angebliche kollektive Täterschaft der Palästinenser zu konstruieren. Hierzu dient der Antisemitismusvorwurf gegen Palästinenser und andere Araber sowie überhaupt an alle Kritiker des Zionismus.“ Es ist einfach lächerlich den Staat Israel, in dem mehr als 1,4 Millionen arabische Bürger leben als „exklusiv“ jüdischen Staat hinzustellen. Die Mehrheit der Israelis ist bereit neben einem palästinensischen Staat zu leben. Es gibt auch keinen pauschalen Antisemitismusvorwurf gegen Palästinenser und andere Araber, wie das die AIK behauptet. Diese Behauptung ist genauso aus der Luft gegriffen, wie diejenigen, dass man allen Kritikern des Zionismus stets Antisemitismus vorwirft. Legitime Kritik unterscheidet sich von Antisemitismus, den die AIK betreibt.
Bezeichnend ist der Gleichklang mit Neonazi, wenn auch die AIK behauptet, der Holocaust stelle heute im Westen eine „Zivilreligion“ dar. Das ganze Papier könnte aus einem rechtsextremen Blatt stammen. Aber, wie es sich für richtige Linke gehört, bestreitet man leidenschaftlich, Teil einer Querfront zu sein. [8]
„Der Zionismus braucht den Antisemitismus und sucht ihn zu fördern, denn ohne ihn verlöre Israel als ‚Heimstatt der Juden als ewige Opfer’ seine Legitimation. Zionismus und Antisemitismus sind nicht Antipoden, sondern Zwillingsbrüder.“ [5]
Der Zynismus von der „Heimstatt der Juden als ewige Opfer“ ist kaum zu überbieten. Gerade in Österreich sollte man sich daran erinnern, wie man sich darum bemühte, dass Juden nicht nach Österreich zurückkehren und wie man sich zu den Überlebenden nach 1945 verhielt. Israel hat im Gegensatz dazu verfolgten, diskriminierten und wie im Falle Österreichs unerwünschten Juden eine Heimat geboten. Dieser Zynismus ist auch charakteristisch für Antisemiten. Gleiches gilt für den Vorwurf, dass die Juden selber schuld seien, wenn sie gehasst werden. Die AIK geht hier noch weiter, und macht die „Zionisten“ auch unmittelbar für Antisemitismus verantwortlich. Gleich dem befreundeten Moishe A. Friedman, der den Holocaust abwechselnd verharmlost oder rechtfertigt, erklärt man den Zionismus“ dann auch gar zum „Komplizen“ der Nazis. Daneben glaubt man in den „Imperialisten“ die wahren „Hintermänner der Antisemiten“ erkennen zu können.
In Israel leben mehr als 41 Prozent aller Juden der Welt. Eine Mehrheit von ihnen ist dort geboren und die Israelis, die eine eigene Sprache sprechen, über eine eigene Kultur und Ökonomie verfügen brauchen keinen Antisemitismus um Legitimität zu haben. Israel und die Juden der Welt könnten sehr gut ohne Antisemitismus leben. Doch es gibt diesen, auch wenn die AIK, die Neonazi und Rechtsextremisten leugnen, dass Antisemitismus noch Bedeutung hätte.

„Die um sich greifenden Verbote der freien Meinungsäußerung, einschließlich der Leugnung des Holocaust, sind eine politische Auflage, ja die einzige Existenzgrundlage für die kleine Gruppe von Apologeten des Nazi-Regimes. Deren Argument ist einfach: „Wer Meinung verbietet, muss etwas zu verbergen haben.“ Insbesondere in der arabisch-islamischen Welt wird dadurch die Empfänglichkeit der aufgebrachten und gedemütigten Massen für die Propaganda der Holocaust-Leugner aus dem Westen nur vergrößert. Meinungsfreiheit beinhaltet auch das Recht etwas Falsches behaupten zu dürfen. Und das umso mehr, als es sich dabei um eine verschwindende Minderheit handelt. Bekämen sie das Recht zu sprechen, würden ihnen noch weniger Menschen zuhören – vor allem auch nicht in der arabisch-islamischen Welt.“
Mal abgesehen vom neuerlichen Gleichklang mit rechtsextremen Diskursen: Ist das wirklich so? Gibt es nicht gerade in den Ländern, wo die Leugnung der Verbrechen des Nationalsozialismus nicht strafbar ist besonders viele Apologeten des Nazi-Regimes? In Ungarn, aus dem binnen weniger als zwei Monate Hunderttausende Juden im Frühjahr 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden, ist die Leugnung dieses Verbrechens und die gröbste antisemitische Hetze erlaubt und deswegen auch außerordentlich virulent. Die AIK geht so weit und meint, wenn in Europa die Leugnung der Verbrechen des Nationalsozialismus überall erlaubt wäre, dann würden die „aufgebrachten und gedemütigten Massen“ nichts mehr für die Propaganda der Holocaustleugner übrig haben. Auch das eine Methode, um die Holocaustleugner in der arabischen und muslimischen Welt zu entlasten.
Die Verharmlosung der Leugnung von Verbrechen durch die AIK geschieht nicht zufällig, sie agitiert gerne für Faschisten, so zum Beispiel für Vojislav Seselj, dem u. a. Mitverantwortung für den Massenmord an bosnischen Muslimen vorgeworfen wird. [5a]

Angesichts derartiger Töne sehen sich die Antiimperialisten wohl nicht zu Unrecht von Gesetzen gegen Antisemitismus und nazistische Betätigung bedroht: „Es besteht die akute Gefahr, dass ein infames Amalgam von neuer Antiterrorlegislation und historischen Nazi-Verbotsgesetzen gegen die Antiimperialisten in Stellung gebracht werden. Die EU hat bereits die grundsätzliche Kritik an Israel als einem jüdischen Separatstaat, der die Palästinenser rassistisch unterdrückt, als antisemitisch bezeichnet.“ [5]

Dem iranischen Regime wird schließlich vorgeworfen, es reite nur „rhetorische Attacken gegen Israel [...] anstatt den arabischen, aber auch afghanischen Befreiungskampf gegen die USA und Israel wirklich zu unterstützen“. Mit der offenen Leugnung des Holocaust werde den bösen „Imperialisten“ oder „Zionisten“ in die Hände gespielt, weil diese dann ihren „Vorwurf, dass die arabisch-islamischen Befreiungsbestrebungen antisemitisch wären, ein Stück weit glaubhafter erscheinen lassen“ können. Tatsächlich macht die Offenheit, mit welcher islamistische Fanatiker den Holocaust in Abrede stellen und offen einen weiteren Massenmord an Juden propagieren, den antiimperialistischen Verharmlosungen einen Strich durch die Rechnung. Aber immer noch will man bei den Objekten der bedingungslosen Solidarität nicht Antisemitismus erkennen, sondern bloß eine „Wut“ über einen angeblichen „westlich-israelischen Missbrauch des Holocaust“. Nicht zuletzt um nicht selbst in den Verdacht des Antisemitismus zu geraten, wird seine Existenz wie gesagt schlichtweg geleugnet: „Heute ist der historische Antisemitismus abgeklungen, weder seine politisch-sozialen Ursachen bestehen fort, noch erscheint er seinen ehemaligen Förderern weiterhin als politisch-soziales Instrument dienlich.“

Die AIK bringt auch Verständnis für Verbrechen an Juden im heutigen Europa auf, weil sich doch diese und ihre Institutionen mit Israel identifizieren. Die Frage, warum ein maghrebinischer Muslim wegen eines 4000 Kilometer entfernten Stück Landes sich in einer realen Konfliktsituation mit einem Juden wähnen soll – erst recht, wenn beide in Paris wohnen –  stellt die AIK nicht.

Die AIK verteidigt Holocaustleugner mit dem Argument, dass die israelische Politik daran schuld ist und übersieht dabei, dass mit der Propagierung der jüdisch-amerikanischen Verschwörung die Verantwortung für fehlende Konsummöglichkeiten über industrielle Unterentwicklung bis hin zu Pannen bei Wasser- und Stromversorgung alles, was in Wahrheit durch Korruption und bürokratische Ineffizienz verschuldet ist, Israel und den Juden unterschoben wird. Tatsächlich stehen Israel und Juden –  nicht nur für radikale Islamisten –  für alles, was an der Moderne und dem Westen verhasst ist, freizügige Mode, Popmusik, liberale Tendenzen in Kunst und Literatur, offenherziger Umgang mit Sexualität und insgesamt die Auflösung von traditionellen Wertorientierungen sowie überkommene soziale Systeme.

Nach 1945 wird – mit Ausnahme von Neo-, Altnazi und einigen islamistischen Fanatikern – der Rassenantisemitismus nicht mehr propagiert. Im Gegenteil, Antisemiten berufen sich immer häufiger darauf, dass ihre besten Freunde Juden sein. Gerne nennen sie auch jüdische Kronzeugen für ihre abstrusen Theorien. Daher können uns auch die folgenden Behauptungen der AIK aus ihrem aktuellen „Dossier zum Antisemitismus-Vorwurf“ nicht überraschen: „Neuerdings ist uns zu Ohren gekommen, dass uns vorgeworfen wird, uns nicht vom antizionistischen Rabbiner Moishe Friedman zu distanzieren. Bis jetzt sahen wir keine Notwendigkeit, die Welt nach Personen abzusuchen, von denen wir uns distanzieren könnten. Unser Verhältnis zu Friedman beschränkt sich im Wesentlichen auf die politische Konjunktur des Sommers 2006, in dem auf den Besuch des US-Präsidenten Bush in Wien die israelische Aggression gegen den Libanon folgte. Friedman beteiligte sich den Gegenmobilisierungen, was ihm nicht nur von uns, sondern auch von vielen anderen beteiligten Kräften nicht verwehrt wurde. Wir kennen Friedmans Positionen, die scheinbar auch nach Anlass und Gesprächspartner stark variieren, nicht umfassend. Er stellte sich jedenfalls als Vertreter eines orthodoxen Judentums vor, das den Zionismus aus religiösen Motiven ablehnt. Dessen bekanntester Vertreter ist die Neturei-Karta-Bewegung, die uns als Bündnispartner nach wie vor willkommen ist. Sie zeigt eindrucksvoll, dass das Judentum mit dem Zionismus eben nicht identisch ist und bis heute allen Usurpationsversuchen widersteht.“ [2]
Wie üblich verdreht die AIK die ihr gemachten Vorwürfe. Niemand forderte sie auf sich von irgendjemand zu distanzieren, auch nicht vom Rabbinerdarsteller Friedman. Es wurden nur seine engen Verbindungen zur rechtsextremen FPÖ beleuchtet und zitiert aus einer Rede, welche von der AIK publiziert wurde.

Ein Bericht über die Teheraner Holocaustleugnerkonferenz 2006, an der auch der französische Holocaustleugner Robert Faurisson und David Duke, ehemaliger Anführer des Ku Klux Klan, teilgenommen haben, zeigt, welche Rolle die mit der AIK verbündete Neture Karta-Sekte spielte, die durch den Wiener Rabbinerdarsteller Friedman, durch Moshe Weiss und Ahron Cohen vertreten war: „Bekannt ist ebenfalls die Identität mehrerer österreichischer Teilnehmer. Dabei sind Herbert Schaller, der seit vielen Jahren für eine einschlägige Klientel wie etwa David Irving als Rechtsanwalt arbeitet und derzeit vor dem Landgericht Mannheim als einer der Strafverteidiger den wegen Volksverhetzung angeklagten Ernst Zündel vertritt. Weitere Teilnehmer aus Österreich sind Wolfgang Fröhlich und Hans Gamlich. Aus Wien ist dazu noch Moishe Aryeh Friedman erschienen, der als Angehöriger der ultraorthodoxen und antizionistischen jüdischen Sekte ‚Neturei Karta’ in der österreichischen Hauptstadt als ‚Oberrabbi’ firmiert. Vertreter der Sekte treten schon seit Jahren regelmäßig als Gastredner oder Interviewpartner bei Veranstaltungen oder in Medien von Holocaustleugnern und Rechtsextremisten auf. Der in Wien lebende Friedman hatte sich unter anderem von der “National-Zeitung” des DVU-Chefs Gerhard Frey interviewen lassen und sich für den wegen seiner antisemitischen Ausfälle aus der CDU ausgeschlossenen Martin Hohmann eingesetzt.“ [6]

Zuletzt beteiligte sich die Obskurantengruppe um Friedmann Mitte Mai an einer Konferenz in Indonesien, bei welcher auch ein Auftritt des australische Holocaust-Leugners Fredrick Töben vom neonazistischen Adelaide-Institute angekündigt war. Das sind die „nach wie vor willkomen(en)“ Verbündeten der AIK, die auch deswegen als antisemitisch eingeschätzt wird.

Folgende Merkmale des modernen Antisemitismus [7] nannte u. a. Wolfgang Neugebauer 2003, als er den Unterschied zwischen Kritik an israelischer Politik und Antisemitismus herauszuarbeiten versuchte:
?  Antisemitismus liegt dann vor, wenn traditionelle antisemitische Stereotypen und Vorurteile zum Tragen kommen, wie z. B. Weltherrschafts- und Weltverschwörungstheorien im Sinne der (gefälschten) “Protokolle der Weisen von Zion”. Die im Zuge des Irak-Krieges stark zugenommene Antiimperialismus- und Antizionismus-Agitation arbeitet mit dem Klischee einer von der “jüdischen Lobby” beherrschten USA, die in Wirklichkeit nur ein Werkzeug Israels und der US-Juden seien.
?  Dass Terror und Gewalt gegen Menschen in Israel (und Jüdinnen und Juden anderswo) bzw. deren Gutheißen und Umdeuten zum “Befreiungskampf” als Antisemitismus zu qualifizieren sind, muss wohl nicht weiter argumentiert werden. Aber auch die bewusste Ignoranz, das Schweigen zu Terroranschlägen, das fehlende Mitgefühl für diese Opfer, die Nichterwähnung von vorangegangenen Terroranschlägen im Falle der Stellungnahmen gegen (nachfolgende) israelische Militäraktionen, die breite Darstellung verwundeter oder getöteter arabischer Kinder und die Ausblendung israelischer Opfer in Medienberichten sind - wenn diese Einseitigkeit zur Methode wird - als Indizien für eine antisemitische Grundeinstellung anzusehen. In diese Richtung weisen auch Medien-Kommentare, in denen ständig die israelische Politik für Terroranschläge von Fundamentalisten (von Pakistan über Saudi-Arabien bis Algerien) verantwortlich gemacht wird.
?  Stellungnahmen, in denen Israel das Existenzrecht bzw. sein Recht auf Selbstverteidigung abgesprochen wird bzw. der “Zionismus”, also die Idee und Bewegung, einen nationalen Staat der Juden in Palästina zu errichten, verteufelt wird. Wer auf Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen mit Kräften kooperiert, die einen “arabischen Staat Palästina” vom “Fluss bis zum Meer” fordern, und sich von solchen extremistischen Losungen nicht distanziert, muss den Antisemitismusvorwurf in Kauf nehmen. Der Wunsch zur Vernichtung Israels wird auch dadurch nicht legitim, wenn er mit linker antikolonialistischer und antiimperialistischer Phraseologie verkleidet wird.
?  Ständig einseitige Kritik an Israel, an Handlungen, Vorfällen und Zuständen und gleichzeitiges Schweigen zu weitaus ärgeren Verhältnissen in arabischen und islamischen Staaten, die sogar im Falle von Diktaturen oder Terrorförderern wie Irak, Lybien und Iran hofiert und international salonfähig gemacht wurden. Einseitige Maßstäbe, die nur gegen Israel gerichtet sind, sollen den jüdischen Staat negativ aussondern und delegitimieren. Diesem Ziel dienen auch an den Haaren herbeigezogene Vergleiche Israels mit NS-Deutschland oder mit dem Apartheidregime in Südafrika.

Alle diese Merkmale kennzeichnen die AIK.

Und ganz nebenbei: Dieser 2003 publizierte Text von Wolfgang Neugebauer macht deutlich, dass es sich um eine Lüge handelt, wenn die AIK behauptet, „DÖW und Co“ würden den Antisemitismusvorwurf „gegen sämtliche Kritiker israelischer Politik“ erheben. [9] Aber wenigstens in ihrer Paranoia als von „Zionisten“ und deren Knechten Verfolgte sind die Antiimperialisten ehrlich…


1) http://www.doew.at/aktuell/apa_aik.html

2) http://www.antiimperialista.org/index.php?option=com_content&task=view&id=5695&Itemid=237

3) http://www.doew.at/aktuell/aktion/aik.html

4) http://www.antiimperialista.org/index.php?option=com_content&task=view&id=452&Itemid=0

5) http://www.antiimperialista.org/index.php?option=com_content&task=view&id=4945&Itemid=82

5a) http://www.doew.at/aktuell/aktion/aik2.html

6) Redok, 11 12 2006 http://www.redok.de/content/view/484/36/

7) Wolfgang Neugebauer: Israelkritik als neuer Antisemitismus? veröffentlicht in: Schalom. Zeitschrift
  der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft, Nr. 3/4, Oktober 2003, S. 28-30,
  http://www.doew.at/aktuell/aktion/wn.html

8) http://www.doew.at/aktuell/aktion/aik6.html

9) http://www.antiimperialista.org/index.php?option=com_content&task=view&id=5690&Itemid=237

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