Das „Neue Deutschland“ startet wieder einmal eine Leserbriefkampagne. Zuvor war bekannt geworden, dass Bärbel Bohley den ausgebürgerten Liedermacher Wolf Biermann in die DDR eingeladen hatte. Er sollte auf der für den 4. November geplanten Großdemonstration in Berlin singen. Die Empörung artikulierte sich auf entlarvende Wiese: „Welches Recht hat Frau Bohley, so etwas in die DDR einzuladen?“ Biermann revanchierte sich
auf seine Weise, mit einem Gedicht.
„Ihr müsst euch nicht, ihr verdorbenen Greise,
nun plötzlich Asche streuen aufs Haupt.
Bloß lernt es ertragen, wenn wir noch leise
An eurer Wende zweifeln. Es glaubt kein As,
wenn ihr schöne Worte drechselt
wir geben euch einen Rat:
der Worte sind genug gewechselt
was zählt, ist nur eure gute Tat.“
Zu guten Taten werden die verdorbenen Greise regelrecht durch die Ereignisse gezwungen. Wegen massiver Streikdrohungen müssen die am 3. Oktober verhängten Reisebeschränkungen in die Tschechoslowakei aufgehoben werden. Damit ist die Abriegelung der DDR durchbrochen. Außerdem muss eine Amnestie verkündet werden, für alle wegen Republikflucht Verurteilten und für verurteilte Demonstranten. Diese durch den Druck der Straße erzwungenen Maßnahmen führen zur Verwirrung bei den Sicherheitsorganen. Wozu noch Verhaftungen vornehmen, wenn die Übeltäter so schnell wieder frei kommen? Was als Befreiungsschlag gedacht ist, trägt zum massiven Autoritätsverlust der Regierung Krenz bei, vor allem in den eigenen Reihen.
In Brandenburg steht die rot-rote Regierung . Kaum hat sich das Land als letztes vom DDR-Mief befreit, darf die umbenannte SED es regieren. Ausgerechnet das Wirtschafts-, und das Finanzressort wird von der Linken übernommen. Und kein Journalist, auch kein niederländischer, stellt die Frage, ob da nicht der Bock zum Gärtner gemacht wurde. War da nicht etwas mit verschobenen Milliarden DDR-Vermögen, das unter dem letzten SED- Chef Gysi in dunkeln Kanälen verschwunden ist? Warum wiegen 100 000 DM „vergessene“ Spendengelder so viel schwerer, als geschätzte 12 Mrd. € beiseite geschafftes DDR-Vermögen? Der 20. Jahrestag des Mauerfalls wird zwar zum Mega-Medienereignis, die notwendigen Debatten werden aber immer noch nicht geführt.