Neu- SED-Chef Egon Krenz versucht mit allen Mitteln, seine frisch erlangte Macht zu festigen. Dabei ist ihm die Leitung der Evangelischen Kirche behilflich. Die DDR-Bürger sehen im Fernsehen, wie die Bischöfe Leich und Demke , aber auch Konsistorialpräsident Manfred Stolpe, sich demonstrativ im Park des Jagdschlosses Hubertusstock im Gespräch mit dem designierten neuen Staatschef ablichten lassen. Es sieht so aus, als würde die Evangelische Kirche voll hinter Krenz stehen. Dabei war der Termin ursprünglich als Krisentreffen zwischen den Kirchenvertretern und Honecker geplant gewesen. Krenz drängt die Kirchenmänner, auf ein Ende der Demonstrationen hinzuwirken. Die sind nur zu gern bereit. Sie lassen sich von der Presse zitieren mit dem Worten, die Bürger sollten den beginnenden Dialog nicht „durch unbedachte Handlungen stören“ und an der „Weiterentwicklung der sozialistischen Demokratie mitwirken“. Bei den Demonstranten verhallt dieser Appell fast ungehört. Sie haben keine Lust auf eine Demokratisierung „von oben“. Sie haben die Freude entdeckt, die es bereitet, wenn man sein Schicksal in die eigenen Hände nimmt. Ein westlicher Kirchenvertreter kommt Krenz ebenfalls indirekt zu Hilfe. Bischof Heinrich Albertz diskreditiert DDR- Ausreiser arrogant als „angepasste Aufsteiger“. Als wäre es moralisch verwerflich, nicht in Fremdbestimmung verharren zu wollen. Bei den TV-Präsentationen von Krenz geht einige schief, wie der Schriftsteller Walter Kempowski vor dem Fernseher bemerkt. Bei einer Sondersendung über Krenz lugt aus dem Bilderrahmen im Hintergrund ein Honecker-Bild heraus. In Gotha demonstrieren wieder etwa 6000 Menschen. Sie zeigen damit, wie wenig Krenz sie überzeugt.