Gastautor / 16.06.2013 / 11:25 / 0 / Seite ausdrucken

Die Inseln der Weisheit

Hansjörg Walther

Rezension des Buches
Die Inseln der Weisheit
von Alexander Moszkowski

Erfreulicherweise sind zahlreiche Werke Alexander Moszkowski wieder erhältlich und das sogar als Kindlebücher kostenlos. Dazu zählt auch das Buch “Die Inseln der Weisheit” aus dem Jahre 1922.

Als Rahmenhandlung dient eine Expedition, zu der eine bunte Schar von Abenteurern aus Berlin mit Unterstützung eines amerikanischen Millionärs aufbricht. Aus einem verschlüsselten Buch von Nostradamus erschließen sie die Existenz von unentdeckten Inseln im Pazifik. Auch wenn das etwas konstruiert erscheint, geht es weniger um das Abenteuerliche der Fahrt als um die Inseln, die es zu entdecken gilt. Diese Inseln treiben nämlich jeweils auf eigene Weise ein philosophisches Prinzip auf die Spitze, wobei sich dessen Absurdität erweist.

Erste Station ist Balëuto, die platonische Insel, auf der die Könige Philosophen sind. Sehr amüsant zieht Moszkowski dabei die totalitären Pläne Platos durch den Kakao. Nächste Stops: Vléha, die Insel der glücklichen Bedingungen, auf der das buddhistische Prinzip gepflegt wird, und Kradak, die Insel der Perversionen, deren Einwohner sich allen denkbaren Empfindungen, auch den übelsten hingeben. Auf letzterer genießt man neben Salaten aus Koka-Blättern auch getrüffelten Kaffee, in den Salzgurke getunkt wird. Auf die Schippe genommen wird nebenbei das Mittgart-Projekt des völkischen Wegbereiters der SS-Ideologie Willibald Hentschel, bei dem 1000 Frauen und 100 Männer den germanischen Menschen züchten sollten (was aber mangels Zuspruch der Damen niemals zustandekam).

Witzig ist dann die Insel Saragalla, die sich der maximalen Zeitersparnis und Mechanisierung verschrieben hat. Dank Atomkraft (das Buch stammt aus dem Jahre 1922!) kann man sich alles Mögliche leisten, wie etwa eine Art Handies. Kontrastiert wird das von Vorreia, der verfeindeten rückschrittlichen Insel, von der aus an der Unschädlichmachung der Technik gearbeitet wird.

Weiter geht es nach Helikonda, wo man nur nach der Maxime lebt, daß die Künste herrschen sollen. Dann kommt eine Serie von weniger bedeutenden Inseln, von denen besonders Atrocla im Gedächtnis bleibt, einer Insel, die sich auf byzantinische Regulierung verlegt hat. Einer der Bewohner wird auf das Schiff genommen, um ihn vor den Zuständen zu retten. Doch als man ihm von den Formalitäten in Deutschland erzählt, zieht er es vor, auf eine unbewohnte Insel zu fliehen. Eine kleine Episode sind die Pramiten, die verstreut auf den Inseln leben, aber von den Antipramiten verfolgt werden. Alexander Moszkowski, selbst aus jüdischer Familie stammend, veräppelt dabei den zeitgenössischen Antisemitismus.

Den Schluß bildet eine Schilderung der beiden ethischen Inseln Allalina und O-Blaha, die unterschiedliche Versionen des Pazifismus verfolgen (Verteidungskriege sind zulässig oder nicht), aber dann über die wahre Lehre in Streit geraten und einen Krieg beginnen. Das Buch schließt mit skeptischen Reflektionen über die verschiedenen Philsophien.

Etwas Kenntnisse in Philosophie sind sicherlich hilfreich, um die vielen Anspielungen zu verstehen, aber nicht nötig, da das Ganze amüsant erzählt ist. Manchmal hat das Philosophische etwas viel Übergewicht, besonders, wenn Moszkowski seine eigenen Überlegungen den Personen in den Mund legt. Als Kritiker ist er besser als als Philosoph. Dafür gibt es dann aber auch wieder viele satirische Schilderungen. Kenner werden einige Reminiszenzen an frühere Werke Moszkowskis haben, etwa an die “Reichsmusikalischen Zukunftsbildern” von 1895.

Insgesamt ein kurzweiliges und dabei durchaus hintersinniges Buch, das viel zu lange verschollen war.

Zuerst erschienen auf dem Blog des Eugen-Richter-Instituts. Dort finden Sie auch viele weiterführende Links zum Thema des Buches

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