Weltweit werden mehr als 250 Millionen Christen verfolgt. Die Liste der Länder ist lang, das Leiden seit Jahren groß, das Medienecho klein. Neuestes Beispiel: Burma, das die Militärregierung 1989 in Myanmar umbenannte.
Redaktioneller Hinweis: Der Autor hat ein Mandat bei der im Text beschriebenen Schweizer Menschenrechtsorganisation „Christian Solidarity International (CSI)“, er schreibt für sie Texte.
Abseits der Aufmerksamkeit westlicher Medien und Politiker wütet in Myanmar seit Jahrzehnten ein Bürgerkrieg, angeheizt durch den buddhistischen Nationalismus einer brutalen Militärelite. Die Folgen sind für die christliche Minderheit im Land verheerend.
Die Gewalt gegen christliche Gemeinschaften hat massiv zugenommen, seit Myanmars nationalistisches Regime die hybride Regierungsvereinbarung mit den demokratischen Kräften der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi beendet hat. Seither herrscht Krieg gegen die pro-demokratische Bewegung und gegen die ethnischen und religiösen Minderheiten im Land. Seit längerem versucht man, die nationale Einheit auf der Grundlage der Vorherrschaft der burmesischen Ethnie und des Buddhismus durchzusetzen, gegen die Minderheiten, die rund ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, sechs Prozent davon Christen.
Diese sind, wie auch der muslimische Stamm der Rohingya, grausamen Säuberungsaktionen ausgesetzt. Das treibt die Menschen in den Busch, in ein Flüchtlingslager oder in Siedlungen der Nachbarländer Thailand, Bangladesch und Indien. Dort gibt es wenig Nahrungsmittel und Gesundheitsdienste, auch keine Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten. Myanmars Militärmachthaber sind bestrebt, die ethnisch und religiös Unerwünschten verarmt, unterentwickelt und machtlos zu halten.
Die Christenverfolgung bleibt ein Randthema
Die Schweizer Menschenrechtsorganisation Christian Solidarity International (CSI) organisiert vor Ort Nothilfeprogramme für Binnenflüchtlinge, auch Bildungsprogramme, und informiert Politik und Medien regelmäßig über die aktuelle Lage. Doch auch in der Schweiz stößt das Drama in Myanmar auf wenig Interesse. Was ist der Grund?
Es hat damit zu tun, dass die Narrative und Prioritäten vieler Medien den geopolitischen Interessen der westlichen Großmächte und ihrer PR-Strategien folgen. Vor diesem Hintergrund besteht mehr Interesse am Krieg in der Ukraine, an den Spannungen zwischen dem Westen einerseits und Russland und China andererseits oder am Krieg zwischen Israel und der Hamas. Neben Myanmar bleibt überhaupt die Christenverfolgung ein Randthema.
Das Christentum wurde ursprünglich im 17. Jahrhundert in das heutige Gebiet von Myanmar gebracht, von katholischen Priestern aus Portugal, im 19. Jahrhundert gefolgt von weiteren Missionaren aus Europa und den USA, unter dem Schutz der britischen Kolonialherren. Ein Schutz, der von der birmanisch-buddhistischen Elite missbilligt und nach der Unabhängigkeit im Jahr 1948 bekämpft wurde. Entstanden ist eine Militärdiktatur, welche die Missionare und Christen im Land verfolgte. Dies dauert bis heute an und hat sich 2021 verschärft, mit dem Zusammenbruch der gemischten Militär- und Zivilregierung. Allein aus der Region Sagaing, wo hunderte von Dörfern ganz oder teilweise zerstört wurden, wurden letztes Jahr 816.500 Frauen, Kinder und Männer vertrieben oder getötet.
Dennoch ist die Lage nicht hoffnungslos, aufgrund geoplitischer Veränderungen. 2023 haben China und die Vereinigten Staaten hinter den Kulissen zusammengearbeitet, um Druck auf die Militärdiktatur Myanmars auszuüben. Man möchte eine Koalition aus ethnischen Minderheiten und pro-demokratischen Birmanen. Die Großmächte sind am Frieden interessiert, weil sie Wirtschaftswachstum brauchen und der Bürgerkrieg dies verhindert. Deutschland, als Teil der von den USA geführten westlichen Allianz, handelt ebenfalls im Einklang mit Washington, um die Militärdiktatur zu Verhandlungen mit der inländischen Opposition zu zwingen.
Es ist möglich, dass die Militärmachthaber die Opposition nicht nur zu Verhandlungen auffordern, wie sie dies bisher ohne ernsthafte Absicht taten, sondern dass sie wirklich in einen Dialog treten, damit die Anliegen der Minderheiten und der pro-demokratischen Gruppen Gehör finden. Mit dem Ausschluss Myanmars von der Führung des regionalen ASEAN-Blocks im Jahr 2026 sendet die internationale Gemeinschaft inzwischen eine klare Botschaft. Der internationale Druck muss erhöht werden, soll sich die Situation für die Hunderttausenden von Verfolgten und Unterdrückten verbessern. Dazu braucht es dringend auch eine größere, lautere Öffentlichkeit.
Giuseppe Gracia, geb. 1967 in St. Gallen, ist Schriftsteller, Journalist und Kommunikationsberater. Von 2011 bis 2021 war er Beauftragter für Medien und Kommunikation im katholischen Bistum Chur. Dort wurde er Mitglied des Bischofsrates und Sprecher von Bischof Vitus Huonder sowie Bischof Peter Bürcher. Seine aktuellsten Veröffentlichungen sind die Romane „Der letzte Feind“ (2020) und „Auslöschung“ (2024) sowie das Sachbuch „Das therapeutische Kalifat: Meinungsdiktatur im Namen des Fortschritts“. Seit 2018 ist Gracia Kolumnist für die Schweizer Zeitung „Blick“.
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