Vera Lengsfeld / 25.08.2013 / 15:11 / 10 / Seite ausdrucken

Der “sanfte Rote”? Eine kritische Betrachtung der Nachrufe auf Lothar Bisky

Ich wollte mich zum Tod des ehemaligen Linke- Chefs Lothar Bisky eigentlich nicht äußern. In unserer Kultur gilt, dass man über Tote nichts Schlechtes sagen soll. Das wäre mit schwer gefallen, also wollte ich es bleiben lassen.

Aber nun sind Nachrufe erschienen, die ich nicht unwidersprochen lassen kann, weil sie ein Beispiel dafür sind, wie gut die Vertuschungs-, und Täuschungsstrategien der SED-PDS-Linken gewirkt haben.

Lothar Bisky hatte die Aufgabe, der umbenannten SED ein neues Image zu verpassen. Er hat das erfolgreich getan. So gut, dass er von einer Journalistin in der FAZ einmal als der „romantische Weimar-Kommunist“ bezeichnet wurde, was von der Dame als Kompliment gedacht war. Leider schien diese Kollegin nie davon gehört zu haben, dass die KPD hauptsächlich damit beschäftigt war, die demokratische Weimarer Republik und die SPD zu bekämpfen und dabei auch mit den Nazis paktiert hat.

Nun wurde Bisky als der „sanfte Rote“ porträtiert. Sanft war er vor allem als Vorsitzender des Stolpe-Untersuchungsausschusses im Brandenburger Landtag, als er maßgeblich den damaligen Ministerpräsidenten von den Stasi- Vorwürfen entlasten half.
Weniger sanft verfuhr er mit Menschen, die, wie ich, den Skandal des verschobenen SED-Vermögens in die Öffentlichkeit bringen wollten. Ich war seinerzeit Mitglied des Bundestags- Untersuchungsauschusses „Verschwundenes DDR-Vermögen“. Wir recherchierten damals geschätzten 24 Mrd. DM, also 12Mrd Euro, hinterher.

Die Hauptverantwortlichen, Gregor Gysi, Lothar Bisky, Dietmar Bartsch, André Brie, um nur die Wichtigsten zu nennen, verweigerten vor dem Ausschuss unisono die Aussage mit der Begründung, dass sie sich der Strafverfolgung aussetzen würden, wenn sie ihr Wissen offenbaren würden.

Als PDS-Vorsitzender hat der „sanfte Rote“ mich zwei Mal verklagt, weil ich es gewagt hatte, als Parlamentarierin über die Untersuchungsergebnisse des Ausschusses „Verschwundenes DDR-Vermögen“ auf öffentlichen Veranstaltungen zu berichten.
Wenn ich die Prozesse verloren hätte, wäre ich jeweils zu 500 000 DM Strafe oder ersatzweise 6 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das wäre, Ironie der Geschichte, das gleiche Strafmaß gewesen, zu dem mich der SED- Staat wegen meines Einsatzes für freie Meinungsäußerung verurteilt hatte.

Waren das die „erkennbaren Lehren aus der SED-Vergangenheit“, die Herr Bisky nach Meinung des in dieser Frage sicher ganz unbedarften Herrn Rösler gezogen hat?

Vielmehr drückte sich in Biskys Vorgehen seine Verachtung gegenüber dem Parlament aus. So hat es die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten jedenfalls gesehen, als sie sich geweigert haben, Bisky 2005 als Stellvertretenden Bundestagspräsidenten zu wählen, obwohl alle Fraktionsspitzen ihr Einverständnis gegeben hatten. Aber in diesem Fall ist es noch einmal gelungen, die historische Wahrheit über die PDS-Legende siegen zu lassen.

An der endgültigen Verklärung von Bisky hat das leider nichts geändert. In keinem Nachruf wird daran erinnert, dass Bisky nach seiner Wahl als Linke- Vorsitzender in seiner Dankesrede offen die Zerstörung der Demokratie gefordert hat :„Ich sage es für alle zum Mitschreiben: Wir wollen den Systemwechsel“.

Keine Rede ist auch von seinen Stasi- Verstrickungen als IMA Bienert, die er natürlich als „für meine Person übliche offizielle Kontakte“ verniedlicht hat.

Aber wir müssen gar nicht so weit in die Vergangenheit gehen, um Schattenseiten des netten Herrn Bisky zu finden. Als am 26. November 2008 im indischen Mumbai terroristische Anschläge auf das Hotel “Taj Mahal” und den Bahnhof durchgeführt wurden, hat Bisky dieses Ereignis kaltblütig genutzt, um in die Medien zu kommen. Einer seiner Söhne weilte damals in Mumbai. Zwar hatte der sich in einem weit entfernten Stadtviertel befunden und wie sein Vater aus den Medien vom Anschlag erfahren, das hinderte Bisky aber nicht, die das furchtbare Geschehen für seine Publicity zu nutzen.

Eine kritische Würdigung wäre im Fall Bisky sehr angebracht gewesen. Für seine Verklärung gibt es keinen Grund.

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Leserpost

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Martin Kopke / 28.08.2013

Dieses arme Nachgetrete hätte sie wirklich lassen können. Hat sie denn nichts von Substanz zu sagen?

Franz Hoffmann / 26.08.2013

Kann mich Ihrer Betrachtung nur anschließen. In der hiesigen “Die Rheinpfalz” stand auch ein weihräuchernder Artikel. Überschrift: Der Brückenbauer….

Günter K. Schlamp / 26.08.2013

In den Jahren 2007/2008 führten die Berliner Grünen eine großartige Veranstaltungsreihe durch: “Schön war die Zeit? Aufklären statt verklären: Alltag und Unrecht in der DDR”. Ich erinnere mich: Prof. Bisky sitzt neben Frau Birthler auf dem Podium. (Biermann sitzt im Publikum. Er wollte nicht neben Bisky sitzen.) Die Frage an alle: “Welches sind ihre Erinnerungen an die DDR? Marianne Birthler: “Ich stamme aus einer Pfarrersfamilie und durfte daher nicht Abitur machen.” Sofort danach Prof. Bisky: “Die DDR hat es mir ermöglicht, Abitur zu machen und zu studieren.” Die Zornesröte steigt in Biskys Gesicht, als Honecker kritisiert wird. Ebenso, als Biermann die Anfänge der DDR, die gerade romantisiert werden, zurechtrückt: “Die die stalinistischen Säuberungen in Moskau überlebt hatten und dann die DDR aufbauten, das waren doch die cleversten und gerissensten, die ihre Genossen denunziert hatten, um selbst zu überleben.”

Dietrich Seidler / 26.08.2013

Frau Lengsfeld, leider haben Ihre Zeilen so gut wie keinen wirklichen Inhalt. Was Sie ihm konkret vorhalten, bleibt leider im nebulösen. Wenn Sie wirklich mal Aufklärung betreiben wollen, helfen Sie doch mal mit, was eigentlich Frau Merkel während der Zeit der DDR gemacht hat bzw. wie sie in ihrer Dissertation den vorgeschriebenen Teil zur Haltung gegenüber dem DDR System gesellschaftspolitisch beurteilt hat. Wäre doch mal ganz interessant. Oder warum veröffentlicht Frau Merkel nicht ihre Doktorarbeit?? Bin kein PDS SED Mitglied…. schon immer Westbürger mit bürgerlichem Background

Walter Schwer / 25.08.2013

Es ist immer erfrischend F. Lengsfelds Kommentare in Sachen Aufarbeitung der SED-Diktatur zu lesen Es ist schon erstaunlich, wie man “den sanften Linken” Bisky in den Medien und Tageszeitungen gewürdigt hat. F. Lengsfeld hat da einiges zurecht gerückt. Gerhard Löwenthal, überzeugter Antifaschist und Antikommunist, wurde übrigens vom ZDF (und anderen Medien)  im wahrsten Sinn “totgeschwiegen”. als er verstarb. Eine kleine Anmerkung noch zu F. Lengsfeld: Ihre ursprünglichen Zweifel über L.Bisky zu schreiben sind unnötig. Die klugen! Römer sprachen nämlich mit “de mortuis nil nisi bene” nicht davon “über Tote nur Gutes zu berichten”, da es sonst hieße “de mortuis nil nisi bonum”, sondern “über Tote nur “gut” , also bene”, was auch mit “korrekt” übersetzt werden kann, zu berichten. Dieser Forderung sind Sie bestens nachgekommen.

Walter Schwer / 25.08.2013

Ja, ja 1945 ff haben wir sehr zaghaft eine Entnazifizierungspoitik betrieben, nach 1989 anscheinend mehr oder weniger keine.  Es wäre sehr interessant nach dem Grund zu fragen. Hatte die StaSi vielleicht nicht sehr viel mehr “Einfluss” auf “westdeutsche” Politiker , Mediengestalter etc. als wir “Normalbürger” ahnen? Von daher ist es erfreulich, dass “Verniedlichungen” von ehemaligen Führungskräften einer Diktatur entgegengetreten wird. Gerhard Löwenthal, ein überzeugter Antikommunist und Antifaschist hat übrigens von seinem Sender (ZDF) nebenbei keine Würdigung postum erfahren. Er wurde im wahrsten Sinne des Wortes totgeschwiegen. Vielleicht eine kleine Ergänzung: Liebe Frau Lengsfeld, die Römer haben per “de mortuis nil nisi bene” nicht gesagt” über die Toten nichts, wenn nicht Gutes” (sonst müsste es statt “bene” “bonum” heißen) , also nur Gutes, sondern “über die Toten nur gut/also korrekt “, also “bene” gesprochen. Insofern sind Ihre ursprünglichen Bedenken über H. Bisky zu berichten zum einen grundlos, zum anderen haben Sie “bene”, also “gut” und “korrekt” über ihn berichtet. Machen Sie weiter so, weil nur wenige so konsequent wie Sie die Aufarbeitung der SED-Diktatur einfordern und voranbringen.

Dirk Weidner / 25.08.2013

Hallo Frau Lengsfeld, Sie beginnen Ihre Ausführungen mit der Feststellung, dass man in unserer Kultur nichts Schlechtes sagen solle über Verstorbene. Logisch betrachtet führt das natürlich zu der Frage, ob man sich zu Personen wie Hitler, Pol Pot, Idi Amin, Mao Tse Tun, Ayatollah Khomeini etc. überhaupt äußern darf, ohne die Realität ad absurdum zu führen…. Nun, damit habe auch ich in meinem Leben durchaus ein Stück weit gehadert - bis ich mich mit den Wurzeln eben dieser Forderung, Erwartungshaltung auseinanderzusetzen begann: “De mortui nil nisi bene”. Dieses wird im Deutschen gerne übersetzt mit: “Über die Toten soll man nur Gutes sagen.” In der Tat aber ist dieses falsch! De facto bedeutet die in lateinischer Sprache verfasste Forderung der antiken Römer: “Über die Toten sprich nur ‘IN GUTER WEISE’”. In guter Weise über einen Menschen , ob verstorben oder nicht, zu sprechen, heißt aber im Klartext: ebendieses in einer der Wahrheit verpflichteten Weise zu tun. Und genau DAS, liebe Frau Lengsfeld, haben Sie getan! Sie schreiben nicht schlecht über Lothar Bisky. Sie schreiben einfach nur die Wahrheit. Freundliche Grüße Dirk Weidner PS: Es wird nicht lange dauern, bis die auf den Pfaden Richard David Prechts wandelnden “Experten” die Diskussion beginnen werden, was denn nun eigentlich “Wahrheit” sei….so im philosophischen Sinne…

Ivar A. Aune / 25.08.2013

12 Milliarden Euro Parteivermögen ... verschwunden als Funktionärsvermögen? Es sollte vom Staat eingezogen und den Opfern und Hinterbliebenen als Entschädigung gezahlt werden.

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