Gastautor / 07.07.2013 / 18:57 / 4 / Seite ausdrucken

Das revolutionäre humanistische Kapital des Kapitals

Julian S. Bielicki

An diesem heißen Tag heute nahm ich wie gewöhnlich ein eher kühles Bad mit Salzen aus dem Totem Meer. Wie so oft, fiel mir dabei dieses oder jenes ein, das sonst in der Beschäftigung mit anderen Dingen untergeht.

Ich habe darüber nachgedacht, warum die edlen sozialistischen und kommunistischen Ideen jeweils ganz schlimme Diktaturen hervorgebracht haben, in denen der Mensch den Menschen schindete, in denen Menschen im sozialistischen und kommunistischen Elend millionenfach elend verkamen, in dem unedlen, egoistischen Kapitalismus jedoch die besten Beispiele der Demokratie, der Toleranz und der Meinungsfreiheit gediehen und gedeihen.

Hier kam mir Karl Marx zur Hilfe. Er schrieb, daß der Kapitalismus alles zur Ware, zum Ding, macht. Im kommunistischen Manifest heißt es: „Die Bourgeoisie, wo sie zur Herrschaft gekommen, hat alle feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört. Sie hat die buntscheckigen Feudalbande, die den Menschen an seinen natürlichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übriggelassen als das nackte Interesse, als die gefühllose ,‘bare Zahlung’. Sie hat die heiligen Schauer der frommen Schwärmerei, der ritterlichen Begeisterung, der spießbürgerlichen Wehmut in dem eiskalten Wasser egoistischer Berechnung ertränkt. Sie hat die persönliche Würde in den Tauschwert aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohlerworbenen Freiheiten die eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt. Sie hat, mit einem Wort, an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Ausbeutung die offene, unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt. Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrwürdigen und mit frommer Scheu betrachteten Tätigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet. Sie hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt.”

Und: “Die Bourgeoisie hat dem Familienverhältnis seinen rührend-sentimentalen Schleier abgerissen und es auf ein reines Geldverhältnis zurückgeführt. Die Bourgeoisie hat enthüllt, wie die brutale Kraftäußerung, die die Reaktion so sehr am Mittelalter bewundert, in der trägsten Bärenhäuterei ihre passende Ergänzung fand. Erst sie hat bewiesen, was die Tätigkeit der Menschen zustande bringen kann. Sie hat ganz andere Wunderwerke vollbracht als ägyptische Pyramiden, römische Wasserleitungen und gotische Kathedralen, sie hat ganz andere Züge ausgeführt als Völkerwanderungen und Kreuzzüge. Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die Produktionsinstrumente, also die Produktionsverhältnisse, also sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse fortwährend zu revolutionieren. Unveränderte Beibehaltung der alten Produktionsweise war dagegen die erste Existenzbedingung aller früheren industriellen Klassen. Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeoisieepoche vor allen anderen aus. Alle festen eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neugebildeten veralten, ehe sie verknöchern können. Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen. Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muss sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.“

Schön hat er das geschrieben. Und es stimmt: Der Kapitalismus macht keine Unterschiede, alles ist ihm gleich, Hauptsache man kann dabei Gewinn machen, Hauptsache der Mensch kauft. Und darin liegt das revolutionäre humanistische Kapital des Kapitals, das Kapital macht keine Unterschiede. Während die Sozialisten und die Kommunisten per definitionem eine Zuteilungswirtschaft errichten, in der jeweils ein Wizard of Oz - ob Stalin, Mao, Castro, Chaves, Morales, Honecker, wie sie alle hießen und heißen - den Seinen gibt und den Anderen nimmt, bzw. die Anderen ermordet, liquidiert, ausschließt, diskriminiert, verfolgt, ist dem Kapitalismus alles scshnuppe, so lange der Mensch kauft und konsumiert. Dem Kapitalismus ist es egal, ob es Juden, Christen, Muslime, Hindus sind, ob der Mensch weiß, gelb, rot, schwarz sei, ob er links oder rechts oder sonst wie ist, ob Hetero, Homo oder beides sei. Hauptsache man kann ihm etwas verkaufen und dabei Gewinne machen. Und der Kapitalismus sorgt dafür, daß der Konsument überlebt, gesund bleibt, sich ein bisschen bildet, dass der Konsument intakt bleibt und sich vermehrt – ansonsten kann der Konsument sich seine Religion aussuchen und jede politische Meinung haben.

Das ist aber für jeden Menschen schon sehr viel, daß er am Leben bleiben darf und bleiben soll, um zu konsumieren. Deswegen sind alle sozialistischen und kommunistischen, alle antikapitalistischen Bewegungen brandgefährlich, denn sie agitieren immer gegen andere Menschen. Und kommen sie an die Macht, dann liquidieren sie Andersdenkende, wie in der SU, im Dritten reich und in der DDR.
Das ist mir heute eingefallen und das wollte ich Ihnen mitteilen.

Julian S. Bielicki, Diplom-Aechitekt und Diplom-Psychloge, arbeitet als Psychotherapeut und schreibt über über Kunst, Architektur und Psychologie

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Leserpost

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Nicolaus Deert / 10.07.2013

@Susanne Baumstark: Sie schreiben “worauf fällt das dann?” Ganz einfach, auf Kapitalismus. Ich gebe auch nur aus, was nötig ist. Mein Haus hat nur 250 qm und fliege nicht mehr als 4-mal im Jahr in Urlaub und fahre nur 5er BMW (meine Frau 3er, wir wollen nicht übertreiben). So viel Bescheidenheit muss sein. Wenn Sie aber den Kapitalismus mit Konsum gleichsetzen, dann haben Sie den Kapitalismus nicht verstanden. Lesen Sie z.B. “Wohlstand für alle” aber aufmerksam und am besten mehrere Male.

Maximilian Gerber / 10.07.2013

Zu Ihrer Frage Frau Baumstark: Die Person die Sie beschreiben ist ein noch besserer Kapitalist als der so oft bemühte Konsument. Rückgrat des Kapitalismus ist nicht der Konsument, sondern der produzierende Geschäftsmann. Um zu produzieren benötigt dieser Kapitalgüter, also Güter die andere Güter produzieren (z.B. Maschinen oder einen Apfelbaum). Und dafür benötigt er Kapital, sprich Geld. Er benötigt also Erspartes. Die Person nun die Sie beschreiben verzichtet im Hier auf jede unnütze Ausgabe um das Geld bzw. Kapital in der Zukunft zu investieren (oder den Kindern zu geben, die es dann investieren). Dank solch vorbildlichen Kapitalisten wächst unsere Wirtschaft.

Susanne Baumstark / 08.07.2013

Und wenn jemand partout nicht mehr konsumieren will als eben nötig und trotzdem gegen Sozialismus, Kommunismus etc. ist - worunter fällt das dann?

Ulf Straubel / 07.07.2013

Sehr geehrter Herr Julian S. Bielicki, Endlich hat mal jemand Karl Marx gelesen! Die meisten Leute, die über Sozialismus und Kapitalismus reden, haben dies nämlich nicht getan. Man findet bei Karl Marx auch die Aussage, daß jeglicher Fortschritt vom Übel ist und nirgends wird erwähnt, daß es dem Arbeiter im Kommunismus besser gehen soll, sondern allen geht es gleich! m.f.G. Ulf Straubel

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