Katharina Szabo
In den letzten Tagen schießen die Spekulationen hinsichtlich der Papstnachfolge ins Kraut. Wird es ein Afrikaner werden? Ein Asiate? Ein Lateinamerikaner? Oder doch ein Europäer? Die drängensten Fragen werden nachdenklich erörtert. Ist er jung, ist er alt, sieht er gut aus? Fest steht nichts, doch eines ist fast gewiss. Es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Mann sein. Manche sagen: ein katholischer Mann.
Hoffnungen werden laut, Wünsche nach einer Zeitenwende werden postuliert. Hat Benedikt XVI mit der wichtigsten, bedeutendsten Tat seines geamten Pontifikats etwa die Tür zur Moderne aufgestossen? Nicht mehr am Amt kleben, auch mal zurück treten können? Uns nicht mit Siechtum und Alter und Tod belästigen? (Gut, wir werden vielleicht noch eine sich am Rollator vorwärts schiebende Claudia Roth erleben, sicherlich einen am Stock gehenden, murmelnden Jürgen Trittin, aber die Leute sind schließlich unverzichtbar.)
Wir hören aber auch leise, besorgte Stimmen. Stimmen die uns ermahnen wachsam zu sein, Stimmen, die uns auch während der finsteren Jahre des Benededikt-Regimes nie allein ließen.
Wie steht es um die Psychodynamik der wählenden Gruppe? Das läßt nichts Gutes erahnen, die wählende Gruppe besteht immerhin nur aus alten Männern. Keine Frau, so weit das Auge reicht. Nicht einmal eine geklonte Uta Ranke-Heinemann. Im Vatikan gibt es keine(n) Gleichstellungsbeauftragte(n). Ein Afrikaner wird es wohl nicht werden. In der Wählergruppe sind die Afrikaner in der Minderzahl, dann kommen die Lateinamerikaner, dann die Europäer. Das ist natürlich nicht gerecht, da kann kein Afrikaner rauskommen, denn seit 2005 wissen wir, das funktioniert wie beim Fußball. Jeder drückt der eigenen Mannschaft die Daumen. Die sturen, alten, europäischen Kardinäle werden sicher einen der ihren wählen.
Kommt es jetzt womöglich noch dicker? Ist der neue Papst womöglich ein erzkonservativer Erzkatholik? Ein Katholik auf dem Papststuhl ist ja schon schrecklich genug, muss es denn gleich ein Erzkatholik sein? Erz. Das klingt hart, kalt und gemein. Nicht weich, nicht rund, nicht feminin. Erz ist niemals gut. Man sehe sich nur die Wörter an, mit denen Erz eine Verbindung eingeht: Erzengel. Erzrivale. Erzbischof. Erzgebirge. Keine Frage, das Erz ist böse.
Begrifflichkeiten wie Erzfriedensaktivist oder Erzatomkraftgegner gibt es daher erst gar nicht. Hat schon mal jemand von einem Erzgesundheitsapostel gehört? Oder gar einem Erzprotestanten? Erzvegetarier? Erzradfahrer?
Das passt nicht zusammen und gehört auch nicht zusammen. Die Menschen von heute wollen kein Erz, die modernen Menschen haben Angst vor dem Erz, die Menschen unserer Zeit suchen permanent Schutz vor dem Erz.
Erz. Das läßt einem kalten Schauder über den Rücken laufen.
Sollten wir also demnächst eine Schlagzeile wie ‘Erzkatholik neuer Pontifex’ lesen, wissen wir sofort, hier findet das Übel eine Steigerung, die nur schwer zu ertragen ist. Das Übel geht eine Liaison mit dem Horror ein. Eigentlich ist hiermit alles gesagt, was es zu sagen gibt. Heiliger Zorn packt uns, immer diese Unbelehrbaren, wir wussten es ja bereits und da steht es auch:
Der neue Papst ist wieder keine Frau! Und es kommt noch schlimmer: Der neue Papst ist ein Mann! Weiter geht es: Der neue Papst ist ein katholischer Mann! Wenn das nicht erzkonservativ ist, was dann? Können diese erzklerikalen Erzkardinäle nicht sehen, welche Bereicherung eine nicht katholische Frau für den Katholizismus wäre? Eine, die nicht weltfremde Schinken schreibt wie dieser Professor, eine, die über den Tellerrand schaut, eine, die mehr aus dem Bauch raus regiert, nicht so kopflastig, eine, die halt aus unserer Zeit kommt, mit einem Wort: die Käßmann!
Eine, die sich traut, weltoffen, modern, eine, die neue Wege geht, die nah bei den Menschen ist, die auch mal geradeheraus sagen kann: “Das Leben ist kurz, wer weiß was dannach kommt, der Wein ist zum Trinken da und sollte nicht für verstaubte Rituale verplempert werden.” Eine, bei der das Erz keine Chance hat.
Man stelle sich vor, Ostern würde kein erzkonservativer Erzkatholik den Balkon des Petersdoms betreten, sondern eine frische, junge, reformwillige Frau, fernab des Erzkatholizismus. Ich sehe sie vor mir.
Da steht sie, die Arme dramatisch erhoben, ganz Gefühl, ganz Frau, der Wind bläst ihr durchs Haar, läßt die Ärmel ihres Gewandes wehen, die Augen sind geschlossen, sie sucht den Kontakt, zur Göttin, zur Mutter, zum Anti-Erz. Und dann weiß sie es, sie weiß, nach welchen Worten die Menschen dürsten. Nein, wir hören nicht das muffige ‘Urbi et Orbi’. kein lateinisches Gemurmel, kein Erz. Mit Mut und Entschlossenheit ruft diese tapfere Frau die erlösenden Worte hinab in die wartende Menge:
“Bei ALDI gibt es ein Notebook für 499.- Euro!”
Katharina Szabo, IT-Beraterin mit Migrationshintergrund, Kettenraucherin und Opernfan; lebt in München.