Die Zubereitung einer Bayerischen Creme erfordert etwas Übung. Hier erkläre ich, was dabei zu beachten ist. Und dann auch schon die nächste Herausforderung: eine Charlotte.
Ich habe an dieser Stelle schon mehrfach meine Sympathie für eine Süßspeise offenbart, die ich für eine der besten überhaupt halte: die Bayerische Creme, französisch Crème bavaroise, deren Grundlage wiederum eine Englische Creme ist, crème anglaise, also ziemlich international, wobei wie so oft unklar ist, woher der Name kommt.
Mir kam zuerst eine Verbindung zu Napoleon I. in den Sinn, der Bayern zum Königreich seiner Gnaden erhob. Doch möglicherweise ist das Rezept älter als man denkt. Eine Erklärung lautet, es sei am französischen Königshof von Isabeau de Bavière erfunden worden, einer Tochter des Bayernherzogs Stephan. Isabeau die Schöne heiratete im Jahr 1385 König Karl VI. von Frankreich (1368-1422) und machte sich einen Namen nicht zuletzt durch die lebendigen Briefe, die sie über die Zustände am französischen Hof schrieb, gewissermaßen eine Vorgängerin von Liselotte von der Pfalz.
In Bayern spricht man in Bezug auf eine Bayerische Creme auch von einer gesulzten Creme oder Rahmsulze, was auf die Verwendung von Gelatine zur Bindung der Speise hinweist, wobei frühe Formen der Süßspeise, wie man sie bei dem französischen Meisterkoch Marie-Antoine Carême findet, noch keine Eier enthielten und als „fromages bavarois“ bezeichnet wurden. Heute sind Eier unersetzlich, wenn man diese Creme zubereitet. Denn erst der feine Eiergeschmack, verbunden mit einem dezenten Vanillearoma und luftiger Zartheit ist es, die eine gelungene Bayerische Creme so unwiderstehlich machen.
Zwei Hürden überwinden
Wer diese Kreation der Haute Cuisine auf den Tisch zaubern will, muss zwei Hürden überwinden, was ein wenig Übung erfordert. Zunächst wird Milch mit dem ausgekratzten Mark einer Vanilleschote kurz aufgekocht. Während die Milch abkühlt, schlägt man Eigelb mit Zucker hellgelb auf, bis sich der Zucker gelöst hat. Dann gießt man die noch lauwarme Milch in die Eigelb-Zucker-Masse und erhitzt das ganze im Wasserbad. Das ist Hürde Nummer eins, denn die Masse darf nicht zu heiß werden, muss aber wiederum warm genug sein, damit das Eigelb eine Chance hat, abzubinden.
Im Idealfall hat man nach einer guten Viertelstunde ständigen Rührens eine sämige Vanillesauce hergestellt, die ihre Bindung eben nicht Dr. Oetker verdankt, sondern den besonderen Eigenschaften der Eiweißmoleküle. Diesen delikaten Vorgang nennt man „zur Rose abziehen“, weil man beim Pusten auf den mit der Creme benetzten Holzlöffel die Umrisse einer Rose erhält. Eine Crème anglaise ist in der klassischen Patisserie unverzichtbar. Sie dient nicht nur als Grundlage von allerlei Sahnecremes, die man auch in andere Richtungen als Vanille aromatisieren kann, etwa mit Kaffee oder Karamell, sondern sie ist auch unverzichtbare Basis für kunstvolle Charlottes sowie echtes Sahneeis, das man heute nur noch selten antrifft und das mit dem, was einem in den meisten Eisdielen verkauft wird, qualitäts- und geschmackmäßig rein gar nichts zu tun hat.
Zuletzt die eingeweichte Gelatine in die noch warme Creme geben, alles durch ein feines Sieb passieren und im Kühlschrank (!) abkühlen lassen, bis die Gelatine „anzieht“. Das ist die zweite Hürde. Wenn man die steif geschlagene Sahne unter die Vanille-Eier-Creme zieht und diese noch zu warm ist, sinkt der Gelee, die Sulz, auf den Boden und verbindet sich nicht gleichmäßig mit der Sahne. Wenn die Eiercreme schon zu hart geworden ist, gibt es Klümpchen.
Man kann eine Bayerische Creme ohne weitere Zugabe genießen, wobei wenig dagegen einzuwenden ist, zu ihr eine säuerliche Fruchtsoße zu reichen. Der Klassiker ist Himbeersauce, für die man tiefgefrorene Himbeeren – ich verwende sie lieber als frische, weil sie aromatischer sind – nach dem Auftauen durch ein Sieb streicht, was etwas mühsam ist. Dieses Püree kocht man dann mit Rotwein, einem Schuss Himbeergeist oder Kirschwasser und viel Zucker auf. Bitte sonst nichts mehr darüber streuen, keinen modischen Crumble, kein Minzeblatt, keine frischen, meist nichtssagend schmeckenden Beeren, wie es heute in vielen Restaurants Mode ist. Wenig ist mehr, nicht nur bei einer Bayerischen Creme.
Rezept für eine „Charlotte au citron vert“
Wenn man die Creme noch nicht „drauf“ hat und sie schon an Ostern servieren will, sollte man jetzt langsam mit dem Üben beginnen. Genug Zeit ist ja noch. Wenn man dann eine gewisse Meisterschaft erreicht hat, kann man sich an noch aufwendigere Kompositionen wagen, etwa eine Charlotte. Dafür wird eine Charlotteform aus Aluminium oder Edelstahl mit Löffelbiskuits ausgelegt und mit der auf welche Art auch immer aromatisierten Creme aufgefüllt. Nach dem Stürzen kann man, was die Dekoration anbelangt, seiner Fantasie freien Lauf lassen.
Hier das Rezept für eine „Charlotte au citron vert“. Ich widme es einem verstorbenen Freund, dessen französische Kochbuchsammlung ich geerbt habe. Bestandteil ist in diesem Fall auch Butter, was die Nachspeise noch gehaltvoller macht, wobei die Säure der Zitrusfrüchte ein wenig dagegenhält. Mein Freund hat sich einmal selbst daran versucht, doch irgendeinen Fehler gemacht. Jedenfalls lief die Charlotte nach dem Stürzen in alle Himmelsrichtungen auf und davon. An dem wunderbaren Geschmack der Katastrophe änderte das nichts:
Zutaten: 4 grüne Zitronen, drei Eiern, 250 Gramm Puderzucker, 125 Gramm Butter, 40 Löffelbiskuits.
Mit einem Zestenreißer Zesten von drei Zitronen schneiden. Den Saft auspressen, eine Zitrone für das Dekor aufbewahren. Eigelbe mit dem Zucker aufschlagen, Zitronensaft und Zesten dazugeben und über sanftem Feuer zu einer crème anglaise aufschlagen. Die Creme durch ein feines Sieb gießen und mit der zu Schaum geschlagenen Butter verrühren, wobei die Creme nicht zu warm sein darf. Zur weiteren Stabilisierung würde ich in Erinnerung an die geschilderte Katastrophe und in Abwandlung des Originalrezeptes noch einige Blatt Gelatine zufügen. Schließlich unter die weiter abgekühlte Creme das zu steifem Schnee geschlagene Eiweiß heben.
Am besten hat man schon vorher eine Charlotteform mit den in Zitronensirup (1 dl Saft auf 50 Gramm Zucker, vielleicht mit Limoncello aromatisieren) getränkten Biskuits ausgelegt. Dann in mehreren, jeweils durch Biskuits getrennten Lagen die Creme einfüllen und mit der Creme abschließen. Vor dem Dekorieren mit Sahne und Zitronenscheiben längere Zeit im Kühlschrank festwerden lassen.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.