Gastautor / 21.08.2012 / 19:37 / 0 / Seite ausdrucken

Berlin liest Margarita

Anna Nizza

Eine schöne Idee hat das internationale literaturfestival berlin, das vom 04. bis 16. September’12 stattfinden wird, geboren. Die Berliner (jeder) wurden aufgerufen, überall in der Stadt zum Auftakt des Festivals am 04. September um 17:00 ihre Stimme der Literatur zu verleihen und zu lesen.

Mein Herz schlug lauter und lauter, als ich sah, dass “Der Meister und Margarita” von Michail Bulgakow auf Deutsch (Schaperstr. 24 10719 Haus der Berliner Festspiele, Ulrich Schreiber), “Die Erniedrigten und Beleidigten” von F. M. Dostojewski auf Deutsch (Unter den Linden 10117 auf der Mitte der Straße, gegenüber der russischen Botschaft, Sigrid Weitemeyer), Gedichte von meinen Lieblingsdichtern Endre Ady, Attila Jozsef und Mihaly Babits auf Ungarisch (Potsdamerstr. 10783 Berlin, Adrienne Borros), Mascha Kalekos Gedichte (Bundesallee 77 12161 Buchhandlung Thaer, Erika Eller), “Das trunkende Schiff” von Arthur Rimbaud auf Deutsch (Bruchwitzerstr. 13 12247 eigene Haustür, Elisabeth Herrmann), “Wo kommen die Löcher im Käse her?” von Kurt Tucholsky (Bernstraße 17 12163 Berlin, Günther Rüdiger), Kurt Tucholsky: “Die Tagung” , auf Deutsch und Heinrich Heine: “König Harald Harfagar”, esperanto  (Grunewaldstr. 3 10823 Berlin, Philipp Sonntag), und viele weitere auf Persisch, Russisch, Türkisch usw. rezitiert werden.

Der originellste Ort wird sogar prämiert. Ob Heine auf Esperanto oder Erniedrigte vor der russischen Botschaft auserkoren werden? Alle Teilnehmer erhalten jedenfalls Tageskarten für das Festival.

Es gibt also noch Herzen, die für Lyrik und Literatur leidenschaftlich schlagen, wie meines. Mal schauen, ob es an diesem Tag um die Zeit kein Verkehrschaos geben wird, wenn jede Bahn mit den Gedichten überfüllt wird, die alle Fenstergläser der Großstadt sprengen lassen.

Den Vorgeschmack auf Meister und Margarita wiederhole ich nur zu gerne.

”(...) Sie hatte widerliche Blumen von beängstigendem Gelb in der Hand. Weiß der Teufel, wie sie heißen, aber die sind die ersten, die man in Moskau bekommt. Diese Blumen hoben sich deutlich von ihrem schwarzen Frühjahrsmantel ab. Gelbe Blumen trug sie! Eine ungute Farbe. Sie bog in eine Gasse ein und drehte sich um. ...ich schwöre Ihnen, sie sah nur mich, und ihr Blick war irgendwie krankhaft. Mich beeindruckte nicht so sehr ihre Schönheit wie die ungewöhnliche Einsamkeit in ihren Augen, eine nie gesehene Einsamkeit! ....Es war qualvoll für mich, denn mir schien, ich müsse mit ihr reden, aber ich fürchtete, ich würde kein Wort herausbringen und sie würde weggehen und ich würde sie nie wieder sehen. Und stellen Sie sich vor, plötzlich sagte sie: „Gefallen Ihnen meine Blumen?“
Ich erinnere mich genau, wie ihre Stimme klang, ziemlich tief, aber brüchig… Ich ging rasch zu ihr hinüber und antwortete: „Nein!“
Sie sah mich verwundert an, und plötzlich, völlig unerwartet, wurde mir bewusst, dass ich gerade diese Frau schon mein Leben lang geliebt habe.
Die Liebe sprang uns an, wie ein Mörder in einer dunklen Gasse sein Opfer anspringt, und traf uns beide. So schlägt ein Blitz ein, so stößt ein Finnenmesser zu! Sie pflegte übrigens später zu sagen, so sei es nicht gewesen, wir hätten einander schon seit langem geliebt, ohne uns zu kennen, ohne uns je gesehen zu haben. Sie lebte damals mit einem anderen Mann ... Und ich auch, damals… (...)”

Michail Bulgakow
„Der Meister und Margarita“ [Quelle]

Eine Liste mit den Vortragenden und den Orten findet sich hier. Lesen werden auch Autoren, Schauspieler, Buchhändler, Lehrer und  mehr. Auch eine Liste mit den Gedenkorten verstorbener Autoren gibt es, die man auch als Lesungsort auswählen könnte; zu ihnen zählen Franz Kafka, Heinrich Mann, Mascha Kaleko, Bert Brecht, Else Lasker-Schüler, Heinrich Heine und weitere. Sich für das Lesen am 04. September eintragen kann jeder unter: Anmeldung

P.S. Ich glaube, dass das erste Paar Augen, das einem entgegen schaut, wenn man die Seite des Festivals anklickt, dasjenige des wunderbaren Arno Lustiger ist, der in diesem Jahr leider gegangen ist…

© Unerträgliche Leichtigkeit des Seins

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