Der Fall: Im Mai 2014 veröffentlichte ich auf „Die Achse des Guten“ einen Artikel, in dem es unter anderem um Pleiten und umstrittene Geschäftsmodelle im Sektor der erneuerbaren Energien ging. Ich beschrieb das mir aus persönlicher Anschauung bekannte öffentliche Auftreten des Vorstandsvorsitzenden des norddeutschen Windpark-Entwicklers in kritischer Form und brachte auch wörtliche Zitate aus einem aktuellen Artikel der Süddeutschen Zeitung („Gegen Wind“ vom 2.5.2014), dessen Autor über die schlechte Performance einiger von dem Unternehmen entwickelten Windparks berichtet hatte.
Obwohl das Unternehmen den SZ-Artikel juristisch nicht angriff (tatsächlich wurde nicht einmal eine Gegendarstellung veröffentlicht), mahnten die Anwälte des Unternehmens im Juni 2014 eine andere Internet-Seite ab, die meinen achgut.com-Artikel nachveröffentlicht hatte. Verlangt wurde, angeblich schmähkritische Aussagen über den Vorstandsvorsitzenden, „dessen professionelle Impertinenz es leicht mit der von Carsten Maschmeyer aufnehmen kann“ (so meine Formulierung) zu unterlassen. Ferner, vorgeblich rechtswidrige Aussagen aus dem SZ-Artikel zu zitieren.
In diesen Passagen wurde u.a. der Anlegerbeirat eines von dem Unternehmen aufgestellten Windparks zitiert, der seinem Verdacht Ausdruck gab, dass in Prospekten der Firma „systematisch und gezielt“ die Gegebenheiten von Projektgesellschaften geschönt worden seien. Zudem wurde auf eine Passage Bezug genommen, wonach Anleger bei einer Reihe von Windparks des Unternehmens über Kapitalverluste geklagt hätten.
Die Internetplattform scheute einen Rechtsstreit mit dem Windpark-Unternehmen und löschte den Beitrag unverzüglich.Daraufhin wandte sich die Windparkfirma an Achgut.com, das den Artikel zuerst veröffentlicht hatte. Die Windparkfirma verlangte auch von dieser Plattform, Passagen aus meinem Artikel nicht länger zu verbreiten.
Vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Katy Ritzmann und Dr. Jonas Kahl von der Berliner Kanzlei FPS drehte ich daraufhin den Spieß um und erhob eine sogenannte „negative Feststellungsklage“ gegen das Ansinnen des Windparkunternehmens . In erster Instanz vor dem Landgericht Berlin bekam ich nur teilweise, im Berufungsverfahren vor dem Berliner Kammergericht dagegen vollumfänglich Recht.
Rechtlich interessant für die Bloggerszene: Im ersten wie auch im zweiten Verfahren vertraten die Richter im Entscheid die Auffassung, ich als Blogger hätte ursprünglich meiner „journalistischen Sorgfaltspflicht“ nicht genügt. Ich hätte den Wahrheitsgehalt der von ihm zitierten Passagen des SZ-Artikels gewissermaßen umfassend „nachrecherchieren“ müssen.
Das sei besonders für jemanden wie mich als Kläger verpflichtend, der langjährig als Journalist tätig gewesen war und sich daher nicht auf das sogenannte vom Bundesverfassungsgericht entwickelte „Laienprivileg“ berufen könne, welches Veröffentlichungen Einzelner, die journalistisch tätig sind, großzügiger beurteilt. Zudem hätte ich mir die Aussagen in der SZ „zu eigen gemacht“ und sie „nahtlos in die eigenen Tatsachenbehauptungen eingebettet.“
Diese Auffassungen halte ich mit Verlaub für realitätsfremd. Ein journalistischer Pensionär wie ich hat kaum die Möglichkeiten, wie ein Profi zu recherchieren, hinter welchem meist ein Apparat oder ein Netzwerk steht. Es ist im Journalismus seit ewig gang und gäbe, aus Berichten anderer, renommierter Medien zu zitieren, sofern keine Hinweise dafür vorliegen, das diese Berichte bestritten werden. Und dass man mit Zitaten die eigene Haltung untermauern möchte – liebe Güte, das ist so alt wie das Zitieren an sich. Und mitnichten ehrenrührig.
Hinzu kam, dass einzelne der aus der SZ übernommenen Tatsachen auch in einem Artikel der taz enthalten waren. Auch meine Kenntnis von dieser zweiten Quelle erkannte das Kammergericht nicht als ausreichende Recherchegrundlage an.
Dass mir in der Berufungsinstanz schließlich doch in allen Punkten Recht gegeben wurde, lag daran, dass ich mich in dem Verfahren nicht nur auf die Erfüllung meiner journalistischen Sorgfaltspflicht in einem zumutbarem Umfang berufen hatte, sondern ergänzend dazu in mühseliger Kleinarbeit auch noch eine Reihe von Fakten ausgrub,welche die Richtigkeit meiner Darstellung – bzw. die Richtigkeit der von mir aus der SZ zitierten Passagen – belegten. Ein Aufwand der unter den normalen Rechercheumständen eines Bloggers als völlig unverhältnismäßig anzusehen wäre. Damit habe, so das Kammergericht, „der Kläger (…) seiner Darlegungs- und Beweislast genügt.“
Fazit: Blogger leben riskant. Vor allem, wenn sie journalistisch „vorbelastet“ sind und es noch dazu mit einem kapitalstarken Gegner zu tun kriegen. Ein Blogger hält ein solches Verfahren, das zehntausende von Euro kostet, in aller Regel nicht durch. Das war, denke ich, in meinem Fall auch das Kalkül der norddeutschen Windparkfirma. An die SZ mit ihrer wehrhaften Rechtsabteilung hat sich die Firma niemals ran getraut. Aber einen kleinen Blogger glaubte sie mundtot machen zu können. Dumm gelaufen.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Branchen-Informationsdienst meedia hier. Der beanstandete Artikel auf der „Achse des Guten“ ist hier nachzulesen. Das Stück aus der SZ, aus dem Wolfgang Röhl zitiert hatte, findet sich hier.