112-Peterson: Der Instinkt der Bewunderung

Wenn wir jemanden bewundern, tun wir dies, weil wir im Verhalten der jeweiligen Person die Manifestation eines bestimmten Geistes sehen. Und unsere Bewunderung ist eigentlich eine Reflexion des Intinktes, durch den wir uns in der Welt orientieren.

Wenn wir also nicht wissen, was wir tun sollen, und das kommt schließlich ständig vor, haben wir oft das Bedürfnis, jemanden aufzusuchen, den wir bewundern. Dann übernimmt in uns der Teil, der sich entwickeln und diesen Geist verkörpern will und zeigt uns den Weg.

Ein solcher Mensch, den wir um Rat suchen, ist ein Anführer. Nicht, weil er Gewalt anwendet wie ein Tyrann, sondern weil er mit gutem Beispiel voran geht. Diese Vorbildfunktion besteht darin, sowohl der horizontalen als vor allem auch der vertikalen Achse zu dienen. Das gute Beispiel spricht zu denen, die es sehen. Und genau das sollte man tun: sein Licht nicht unter den Scheffel stellen, sondern Anderen damit leuchten. All das trifft aus meiner Sicht im Leben absolut zu.

Der Instinkt, jemanden zu bewundern, ist eine Spielart des Instinktes für Ehrfurcht. Die Ehrfurcht, die einen ergreift, wenn man etwas unglaublich Schönes sieht oder hört, wenn man etwa den nächtlichen Himmel betrachtet. Die Ehrfurcht, die einen im Sportstadium ergreift, wenn man einen Spieler sieht, der ungewöhnlich diszipliniert und kreativ ist und auf spektakuläre Weise das Ziel trifft. Bewunderung ist ein extrem alter Orientierungssinn.

Eine der tiefstmöglichen Reflexionen unserer Seele

Der Instinkt für Ehrfurcht geht einher mit dem Reflex der sogenannten Piloerektion: Wenn wir den Sternenhimmel betrachten oder ein wunderschönes Musikstück hören, stehen uns mitunter die Haare zu Berge und wir bekommen Gänsehaut. Beides wird dadurch ausgelöst, dass sich unsere Haare aufstellen. Warum tun sie das? Man denke nur an eine Katze, die sich beim Anblick eines Hundes aufplustert und sich zur Seite dreht, um größer zu wirken.

Der Instinkt für Ehrfurcht, den eine Katze möglicherweise beim Anblick eines Wolfes verspürt, ist 60 Millionen Jahre alt. Unser Instinkt für Bewunderung ist eine Ableitung davon. Es handelt sich dabei also keineswegs um ein kognitives Kontrukt, das in irgendeiner Form willkürlich wäre. Es ist vielmehr eine der tiefstmöglichen Reflexionen unserer Seele. Oder unserer Biologie, wenn man so will.

Ein gültiges Leitmuster

Beim biblischen Textkorpus handelt es sich um eine Erkundung der Natur dieses Geistes. Genauer genommen geht es um Verhaltensmuster und solche, die unsere Wahrnehmung prägen. Eine Reihe von Erzählhypothesen oder Charakterisierungen dieses Geistes.

Man denke nur an die Geschichte Noahs, der uns als weiser Mann präsentiert wird. Für seine Epoche ist er jemand, der sehr gut zurechtkommt. Selbstverständlich ist er ein Kind seiner Zeit mit den entsprechenden Beschränkungen. Abgesehen davon ist er auf der richtigen Fährte und hat eine gute Intuition. Hier kommt nun wieder der Geist ins Spiel, der ihm sagt, dass ein Sturm aufzieht und er sich lieber etwas bauen sollte, womit er der herannahenden Flut trotzen kann.

Ein moderner Mensch würde sagen, dass es so etwas nicht gibt. Der Weise würde sagen, dass es so etwas ständig gibt. Und außerdem darauf hinweisen, dass man sich nicht an diesen Geist halten oder auf ihn hören muss, wenn er einem sagt, dass man sich zusammenreißen und etwas Haltbares bauen soll, womit die Familie und die Gesellschaft überleben kann. Man muss diesen Rat nicht befolgen und kann diesen Geist zurückweisen. Oder man kann mit ihm kooperieren und ihm erlauben, uns innezuwohnen, um mit Glauben fortzufahren sowie in dem Wissen, dass unsere Intuition, die uns unsere Weisheit gibt, ein gültiges Leitmuster ist.

Das ist Glauben. Glauben bedeutet nicht die Bereitschaft, an Märchen im Sinne eines Films zu glauben. Es handelt sich eher um eine Form von Mut sowie eine Form von Entscheidung. Wir müssen uns entscheiden, woran wir glauben, denn irgendetwas wird uns am Ende leiten. Oder vielleicht mehrere Fragmente. Wenn uns gar nichts leitet, dann sind wir vermutlich so depressiv, dass wir uns kaum bewegen können und eigentlich gar nicht mehr leben wollen.

Depression und Fragmentation wären also zwei Möglichkeiten. Die dritte Option besteht in einer vereinheitlichenden zentralen Vision, die unsere Ängste vertreibt, uns Hoffnung gibt und die Menschen vereint. Das ist alles im Angebot, und wir können uns jeweils entscheiden.

Unserem eigenen luziferischen Instinkt huldigen

Beim Turmbau zu Babel wird Gott als etwas Transzendentes, also sehr Vages präsentiert. Aber dann wollen die Menschen eine Struktur bauen, um Gott zu ersetzen und den Himmel zu erreichen. Eigentlich ein totalitäres Unternehmen. Die Idee dahinter lautet, dass wir technologisch etwas bauen können, das das Ewige ersetzen soll, um es endlich und für uns greifbar zu machen. Und die Babylonier huldigten ihrem eigenen luziferischen Intellekt, ihren eigenen technischen Fähigkeiten.

Und Gott wird als jener Geist präsentiert, der feststellt: Das wird euch so in die Irre führen, dass ihr nicht einmal mehr verstehen werdet, was ihr einander sagt. Und an diesem Punkt befinden wir uns heute. Denn wir können zum Beispiel eine Dokumentation mit dem Titel „What is a woman?“ erschaffen (ein Film der suggeriert, es könne darauf keine Antwort geben, Anm d. Red.).

Der Grund dafür, dass wir eine solche Reportage drehen können und dass Leute sich das anschauen, besteht darin, dass wir mittlerweile so sehr durch luziferische Annahmen fragmentiert sind, dass wir nicht mehr länger dieselbe Sprache sprechen.

Dies ist ein Auszug aus einem Vortrag von Jordan B. Peterson.

Foto: Shane Bart Balkowitsch CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Peter Bernhardt / 09.08.2023

Wenn Parteien ihre katastrophalen Fehler nicht mit Intelligenz umkleiden können, sind sie bloß abgewirtschaftete, impotente Clans.

Dieter Kief / 09.08.2023

Der Glaube an Präsident Joe Biden, den US-Politiker mit der schlimmsten Korruptions-Vorwurfliste aller Zeiten, schwindet rasant. Jordan B. Peterson hat sich heute per Tweet in die Reihe derer gestellt, die sich nicht mehr mit Präsident Biden einverstanden erklären. - Der Ukraine-Krieger scheint schwer angeschlagen. Überdies hat ein FBI-Mann ausgesagt, das unlängst gefundene Kokain-Päckchen im Weißen Haus lasse sich der Biden-Familie zuordnen - ein Schelm, wer da an die “Ost-Kokaine” (Annalena Baerbock) denkt…

Hans Meier / 09.08.2023

@ Herr Ralf Pöhling, ich machte ein Staatsexamen, darüber dass Psychologen am Nieder-Rhein die Intelligenten flächendeckend mit Tests, systematisch aus-siebten. Typische Charaktere: im Positiven / das schaffe ich! wieso denn nicht? Oder, ich gebe nie auf, der Erfolg ist das Ziel / und dann feiern wir! Dann musste ich aber mit den Anderen zurechtkommen! In einer Joungster-Clique von Referendaren sagte ich, jeder frontale Kurs scheitert. Die einzige Chance ist, an die Spitze der Herde dieser Bildungs-Büffel zu reiten und sie abzudrängen, damit sie mit ihrer Kraft, eher einen Kreis als ihren Kurs, ab-brennen. Die rotieren doch alle in ihrem typischen Spinn. Ich hielt es für vernünftiger quasi zu kooperieren. Welche vernünftigere Alternative hätte ich denn sonst gehabt, um selbst zu überleben, ohne nicht zertrampelt und zerstört zu werden?

Werner Arning / 09.08.2023

Der neue Turmbau zu Babel ist schon relativ weit fortgeschritten. Die Verzettelung, das Fragmentieren, das, was uns von unserem Selbst entfernt, uns von unserem Urgrund abzieht, oder anders ausgedrückt, was uns von der Erkenntnis Gottes abhält, es wirkt. Dank neuer Techniken nimmt der Turmbau an Geschwindigkeit zu. Doch wir haben alles in uns. Es ist da. Wir können am Urgrund anknüpfen. Wir müssen vertrauen lernen. Und uns nicht verwirren lassen. Der Geist ist zu groß, um ihn zu erfassen. Aber man kann von ihm erfasst werden. Lassen wir das zu.

Ralf Pöhling / 09.08.2023

Der Schwarm sucht Orientierung. Diese findet er in Vorbildern. Vorbilder, die Begeisterung beim Schwarm auslösen müssen, damit er freiwillig folgt. Das kann mal durch Kompetenz, mal durch Redegewandtheit, mal durch beides in Kombination ausgelöst werden. Wenn das in guter Absicht und guter Vorbereitung passiert und dann kompetent begleitet wird, ist daran nichts auszusetzen. Im Gegenteil, es ist richtig, den Schwarm in eine für ihn gute Richtung zu lenken. Schwierig wird es, wenn dieses Phänomen von falschen Propheten ausgenutzt wird, um den biologischen Schwarm bzw. die biblische Herde, oder auch staatsrechtlich das Volk bezeichnet, in die falsche Richtung zu leiten. Nämlich in die Richtung, die nur gut für die falschen Propheten ist und die Herde in die Versklavung oder sogar den Untergang führt. Die Mechanismen zum steuern von Massen sind sehr gut erforscht. Und sie werden mal mit guter, mal mit schlechter Absicht eingesetzt. Man nehme einfach mal an, die Sache mit Noah und seiner Arche ist wirklich so passiert. Hätten die Menschen damals nicht auf Noah gehört, die Menschheit und das Tierreich an Land wären jetzt ausgestorben und die Erde eine Ödnis ohne Leben. Bestenfalls gäb es noch ein paar Fische und Oktopusse im Meer. Insofern hat Noah einen guten Job und seine Anhänger alles richtig gemacht, indem sie ihm geglaubt haben. Da hat das Führerprinzip funktioniert. Oft geht das aber auch schief, wenn die Propheten nur ihr eigenes Wohl im Blick haben oder einfach inkompetent sind. Und dafür gibt es in der Geschichte unzählige Beispiele. Der Schwarm/die Herde/das Volk sollte seine Anführer deshalb immer in Frage stellen und permanent das Versprochene mit dem dann gelieferten Endprodukt abgleichen. Sobald das Endprodukt den Versprechungen nicht mehr entspricht, sollte das Volk sich einen neuen Führer suchen. In der freien Wirtschaft funktioniert das. In der Politik nicht. Weil der Staat zu viel Macht hat und sich für seine eigenen Lügen niemals selbst bestraft.

Hans Meier / 09.08.2023

Ein schöner Beitrag des Psychologen Jordan Peterson. Dazu kommt mir in den Sinn, ich sitze im Cafe der Sportbar, lese den Wirtschaftsteil der Lokalpresse. Dort jammern die Schreiber über die katastrophalen Zustände der Industrie in Nordrheinwestfalen. Nebenan das junge Paar, es könnten Studenten sein, sie reden über Klimasensitivität und neue erneuerbare Energie. Ich werde sauer. Jede Menschen gemachte Katastrophe besteht aus einem praktischen Mangel an Logik und natürlicher Intelligenz. Jeder menschliche Instinkt der diesen Zusammenhang einsieht, dem fallen doch Erkenntnis-Schuppen von den Augen, falls er in der Verfassung und Lage ist, über natürliche Intelligenz zu verfügen und diese ganz praktisch, umzusetzen. Eventuell ist das diese Gottesgabe, in der sich Verantwortung für die Folgen des Handelns beweist. Da schließt sich quasi ein Kreis in logischer Harmonie.

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