Alle weinen, ich bleibe optimistisch. Von mir aus kann die Welt ruhig untergehen, niemand, wirklich niemand wird uns vermissen und vielleicht kommen wir ja alle ins Paradies. Wer’s glaubt. Ich möchte bitte nicht in das mit den Jungfrauen, sondern in das mit den willigen Männern (an die Weltuntergangsverwaltung: bitte vormerken!).
Was wird am 21.12. im Falle einer schon seit längerem anstehenden, radikalen Neuordnung der Welt passieren? Für die Aliens ist ein Spielball weniger im All unterwegs, gut, dann landen sie halt auf einem anderen Planeten. Sie werden nicht weinen (Aliens weinen sowieso nicht). Begrüßenswert ist, dass folgende Einrichtungen und Individuen mit Empfehlung der guten Maya von der Bildfläche verschwinden werden: Die Berliner S-Bahn, aus der ich an einem eisigen Winterabend kürzlich flog, weil es einem Mitarbeiter gefiel, mich aus dem Zug zu holen. Ansage in diktatorischem Ton: „So lange Sie im Zug sind, fährt er nicht.“ Oha. Mein Vergehen: Ich hatte den Herrn nach einem verspäteten (ausgefallenen?) Zug gefragt und er beschied mir, dass in Berlin keine S-Bahn-Züge ausfallen würden. Ein wirklich guter Scherz!
Der offensichtlich überforderte Mann in Uniform wurde erst unfreundlich, schließlich frech. Er schlug vor, ich solle mich doch über ihn beschweren, aber seinen Namen würde er mir nicht verraten. Ätsch. Er drohte mir, nachdem ich zur Sicherheit ein Foto gemacht hatte (alte Reporterkrankheit) Schläge an und verwies mich des Bahnhofs und als ich zurückkam- ich habe ein völlig überteuertes Monatsticket und wollte nicht zu Fuß nach Hause gehen- holte er mich unter dramatischen Gesten aus dem Zug. Halleluja! Entscheiden Sie selbst: Muss man so einem Planeten nachweinen?? Da ich gelernt habe, dass der Klügere nachgibt, Angst vor dem rabiaten Mann hatte und keinen Polizeigroßeinsatz provozieren wollte (wer soll das bezahlen?), bin ich schließlich mit dem Taxi nach Hause gefahren. Die Kosten möchte ich von der Berliner S-Bahn natürlich erstattet haben, aber wenn am 21. die Welt untergeht: Schwamm drüber, Freunde!
Mehr Glück hatte ein Pony, das kürzlich in Berlin unbehelligt S-Bahn fahren durfte, aber das Pony hat vermutlich auch keine Auskunft haben wollen. Solche Kunden schätzt man im hauptstädtischen Dienstleistungsgewerbe! Außerdem hat das Pony weder gegessen noch getrunken noch gepöbelt, womit es sich schon drastisch vom Gutteil der Gestalten unterscheidet, die man täglich in Berlin in der S-Bahn sieht. Vielleicht sollte die seit Jahren überforderte S-Bahn nur noch Vierbeiner transportieren.
Wenn die Prophezeiungen der Maya dazu führen, dass der geistesgestörte Stalker, der seit Monaten versucht, mir das Leben zur Hölle zu machen, ebendort landet, muss man auch nicht traurig sein. Tschacka! Auch alle anderen Idioten sollen endlich dort landen, wo sie schon längst hingehören: in der Versenkung. Tschacka. Auch verblödete Nachbarn, dumme Artgenossen, die Weihnachts-Geschenkekauf-Idiotie, große und kleine Lügner und schlechte Wurst und schlechten Wein wird niemand vermissen.
Hier ist mein Rezept für die letzten Tage der Menschheit: Hamburgern empfehle ich die Party im Volkskundemuseum anlässlich des Weltuntergangs, die „WeltÜBERgangsparty“. Prima Idee. Und kein Aufräumen mehr (http://www.voelkerkundemuseum.com). Whisky, Whisky. Ich werde versuchen, so viel wie möglich von den Wintervorräten auszutrinken und ein letztes Mal von Schottland träumen. Um das Volk der Schotten ist es wirklich schade, denn sie sind witzig und entspannt und die Millionen Grüntöne der herrlichen Landschaft dort sind tatsächlich ein Verlust. Sláinte! (schottisch für „Prost“). Gern würde ich noch ein letztes Mal mein Winter-Lieblingsbuch „Oblomow“ lesen, befürchte aber, dass die Zeit nicht mehr reichen könnte und greife deshalb zu „Cosi Fan Tutte“ von Alan Bennett. Oder „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus; leider auch sehr opulent.
Am 21. 12. werde ich mir ein letztes Mal die Nägel lackieren. Weil ich ein Mädchen bin. Ich wollte mir heute auch noch künstliche Wimpern kaufen, konnte mich aber angesichts des Angebots nicht entscheiden: Miniwimpern, Wimpern mit Flitter, Wimpern mit Glitter, dichte Wimpern, Wimpern in Minipackages zu je 7 Wimpern, lange Wimpern, an denen vermutlich die eingehenden Bilder schon vor Eintritt ins Gehirn gestoppt werden – wer soll sich da auskennen. Also keine Wimpern. Nach dem Lackieren der Nägel packe ich meinen kleinen Maya-Koffer, ich nehme den Weekender, denn ich brauche nicht viel. Folgende Dinge müssen mit: ein paar Printbücher, mein Kindle, Fotos von lieben Menschen, Liebesbriefe (die guten, handgeschriebenen) ein Lippenstift, die gute Dr. Hauschka-Rosencreme, zwei Kleider, Jeans, T-Shirts. Drei Paar Schuhe: eines zum Wandern, eines für schön, ein paar Ballerinas. Ich gehe davon aus, dass es auf meinem neuen Planeten ein neues, herrliches Leben geben wird. Ponys very welcome.
Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de