Gastautor / 30.05.2020 / 06:26 / Foto: NHCC / 70 / Seite ausdrucken

Zum Sprachdiktat bitte!

Von Lukas Rich.

Irritierend sind weniger die Debatten rund um die Verwendung von „gendergerechter Spra­che“ als vielmehr die Metho­den zu deren Durchsetzung.

Dem Zeitgeist verpflichtete Themen wie die Forderung nach „gendergerechter Sprache“ rücken während der Covid-19-Pandemie in den Hintergrund. Der Ruf nach stilistischen Sprach­mitteln wie Gender*sternchen, Binnen-I, Gender-x oder sub­stan­tivierten Parti­zipien ist vorläufig verstummt. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass diese Debatte mit dem Abflachen der Corona-Kurve wieder an Fahrt gewinnen wird. Wohl­gemerkt: Unter linguis­tischen Gesichtspunkten sind die sich stellenden Fragen inter­essant: Ist es tatsächlich so, wie dies feministische Stimmen pro­pagieren, dass mit der Ver­wend­ung des generischen Maskuli­nums Frauen ebenso wie nicht­­binäre Geschlechts­identitäten ausgeschlossen werden? Oder gibt es nicht viel­­mehr in der deutschen Spra­che gar keinen Zusammenhang zwischen sprach­lichem Ge­schlecht (Genus) und bio­logischem Geschlecht (Sexus)? Über solche Fragen lässt sich trefflich streiten, und das ist auch gut so.

In der Beurteilung der häufig apodiktisch vorgetragenen Forderung nach „gendergerechter Sprache“ darf man allerdings nicht blauäugig sein. Es geht dabei um weit mehr als Semantik und Grammatik. Ziel der Apologeten der Gendersprache ist es letztlich, über die Sprache das Denken der Menschen zu verändern und so den Boden für ihre Agenda zu bereiten. Mittels Verwendung von Gendersprache soll, etwas überspitzt formuliert, der neue Mensch ge­schaffen werden, sensibilisiert für alle vermeintlich genderrelevanten politischen Anliegen. Dies ent­spricht ganz den Dogmen linker Identitätspolitik (identity politics). Dabei geht es im Kern darum, dass Menschen aufgrund ihres Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder ihrer Ethnie kate­gorisiert werden.

Wie Douglas Murray in seinem lesenswerten Buch „Wahnsinn der Massen“ aufzeigt, findet anschließend ein Opferwettbewerb statt, wobei jede Gruppe aufgrund von in der Vergangenheit kollektiv erlittenem Unrecht bewertet wird. Dabei schneidet, plakativ gesagt, der weiße hetero­sexuelle Mann in moralischer Hinsicht schlecht ab, während die schwarze homo­sexuelle Frau obenaus schwingt. Derart pro­pagierte Iden­titätspolitik ist natürlich intellektueller Mumpitz. Men­schen werden so aufgrund von Krite­rien kategorisiert und beurteilt, auf die sie gar keinen Einfluss haben. Die inter­essanteste Frage nach der Persönlich­keit, dem Charakter eines jeden Individuums, bleibt so auf der Strecke.

Freiheit des Individuums immer auch Freiheit der Sprache

Das Gedankenkonstrukt der Identitätspolitik erklärt, weshalb für deren Verfechter die Fixierung auf das weibliche und das nicht-binäre Geschlecht – auch in sprachlicher Hinsicht – so wichtig ist. Irritierend ist aber der quasi-religiöse Eifer, mit welchem jede vermeintliche sprachliche Dis­­kriminierung in fast schon Orwell'scher Manier ausgemerzt werden soll. Nun mag man sol­che Vergleiche für übertrieben halten und selbst forsche Bestrebungen, der Gender­sprache zum Durchbruch zu ver­helfen, belächeln oder als irrelevant abtun. In jüngerer Zeit häufen sich aber die Versuche, Gen­der­sprache autoritativ durchzusetzen und deren Nicht­verwendung an ernstliche Nachteile zu koppeln. Ein illustratives Beispiel dafür bietet die Aus­einandersetzung zwischen dem Stadt­parlament von Zürich und der Gemeinderätin Susanne Brunner (Schweizerische Volkspartei).

Zur Erinner­ung: Brun­ner reichte im vergangenen Sommer im Parlament eine Interpellation ein, die vom Büro des Ge­meinde­rates wegen Nicht­beachtung der „gender­gerechten Sprache“ zweimal zurück­gewiesen wurde. Beanstandet wurde, dass der Vorstoß nicht konsequent die weibliche und die männliche Form enthielt. Brunner weigerte sich, ihre Inter­pellation sprachlich anzupassen und verlangte vom Stadtparlament einen Entscheid über die Zulassung ihrer Interpellation. Doch auch das rot-grün dominierte Parlament lehnte es mit Zweidrittelmehrheit ab, die Inter­pellation zur Behandlung zuzulassen, solange diese nicht „gendergerecht“ formuliert war. Da­gegen wehrte sich Brunner auf dem Rechtsweg. Der Bezirksrat hieß ihren Rekurs gut und stellte fest, dass es keine genügende gesetzliche Grundlage für die ver­bindliche Ver­wendung von gendergerechter Sprache gab. Der Bezirksrat hielt zudem fest, es sei fraglich, ob es überhaupt zulässig wäre, das Eintreten auf politische Vorstöße vom Ein­halten von sprachformalen Vorgaben abhängig zu machen. Es sei überdies nicht ersichtlich, inwiefern die Einhaltung von sprachformalen Vorgaben für das Funktionieren des Parlaments von Bedeutung sein soll.

Und hier sind wir bei der Kernfrage: Was würde es für ein Parlament, für die Demokratie bedeuten, wenn die politische Mehrheit der Minderheit einen bestimmten Sprachgebrauch verbindlich auf­zwingen könnte? Dies verbunden mit der Konsequenz, dass nicht genehm formulierte Vor­stöße im Ratsbetrieb ignoriert und materiell nicht behandelt würden? In dieser Aus­gangs­lage gäbe es nur noch zwei Möglichkeiten: Sich den aufoktroyierten Sprach­vorschriften anzu­passen oder politisch mundtot gemacht zu werden. Das ist inakzeptabel. Die Demo­kratie lebt von der offenen politischen Debatte und dem freien Diskurs um das bessere Argument.

Parlamentsmitglieder haben die Funktion, die unterschiedlichsten politischen Mein­ungen und Weltanschauungen ihrer Wählerschaft ungefiltert in den demokratischen Prozess einzuspeisen. Dabei sind – letztlich politisch motivierte – Sprachregelungen fehl am Platz. Die erzieherische Forderung nach Gendersprache kann und darf in einer funktionier­enden Demokratie nicht bewirken, dass die politische Minderheit ihren Sprachgebrauch an die linguistischen Präferenzen der Mehrheit anpassen muss, um sich überhaupt Gehör ver­schaffen zu können. Solche Sprachdiktate sind demokratiefeindlich und letztlich totalitär. Denn Freiheit des Individuums ist immer auch Freiheit der Sprache.

 

lic. iur. Lukas Rich, LL.M., ist Rechtsanwalt bei „BEELEGAL Bösiger. Engel. Egloff“ in Zürich und hat Gemeinderätin Susanne Brunner im erwähnten Rekursverfahren gegen den Gemeinderat der Stadt Zürich vertreten.

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Karl Neumann / 30.05.2020

Die deutschen Landesparlamente würden sich glücklich schätzen, ständen nur Forderungen, wie sie Madam Brunner stellt, auf der Tagesordnung. Ist solch ein Pipi-Kram überhaupt eine Debatte wert ?

alma Ruth / 30.05.2020

Ich lebe seit über 60 Jahren im deutschen Sprachraum. Habe Deutsch erst im Erwachsenenalter gelernt. Nie fühlte ich mich von der Sprache ausgegrenzt, dabei ist die Sache in meiner Muttersprache ein wenig anders als im Deutschen. Auch sonst was ich Ausgrenzung betreffend so ziemlich beschwerdefrei. Wenn manchmal doch dieses Gefühl kurzfristig aufkam, war es jedesmal von Frauen verursacht. Dabei war ich nie besonders hübsch oder besonders klug, bei Männer nicht besonders willig, hatte auch keine besondere Positionen inne etc. Ich war einfach normal Durchschnitt. So weiß ich bis heute nicht, warum. Die “gendergerechte” Sprache nervt mich nur. Wenn ich manchmal einen für mich interessanten Artikel kopiere, entferne ich alle diesbezügliche Zeichen. Sie verunzieren nach m.A. diese schöne präzise Sprache. Schade, sehr schade. Und dumm, wie ich es finde. lg alma Ruth

Friedrich Richter / 30.05.2020

Bei Orwell geht es ja beim “Neusprech” nicht einfach darum, den Leuten eine blödsinnige, diskriminierende Sprache aufzuzwingen. Es geht vielmehr darum, mittel des Neusprech bestimmte Dinge nicht mehr “sagbar” zu machen. Damit kann Opposition wirksam ausgeschaltet werden. Das ist das eigentlich Besorgniserregende an dieser Genderwahnsinnssprache.

U.L.Kramer / 30.05.2020

@Frau Born: ÖR-Nachrichten gucke ich so gut wie gar nicht mehr, dort ist mir das nicht aufgefallen. Aber neulich schaltete ich in eine Sendung in der konsequent das gegenderte Wort gesprochen wurde. Also z.B. sprach man nicht von Praktikanten und Praktikantinnen, sondern von Praktikant*Innen, indem man dort wo der Stern ist, eine Pause einlegte. Also: Praktikant innen. Nachdem ich mich einige Male bei solchen, doch recht häufig vorkommenden, gegenderten Worten fragte, ob es z.B. auch Praktikant außen gäbe, war mir das dann nach kurzer Zeit einfach zu dämlich und ich schaltete um. Ich kann das einfach nicht ertragen und ich weigere mich inzwischen auch, neben der männlichen die weibliche Form zu verwenden. Aus Protest sozusagen. Bei mir gibt es auch keine Studierenden, das sind für mich weiterhin (jetzt erst recht) Studenten. Außerdem: Studenten ist doch schon die weibliche Form, die männliche müsste ja Studerpel heißen. ;-)

Karla Kuhn / 30.05.2020

B. Jakob “Eure Heiligkeit*innen, ...”  Ich leg mich flach, einfach GRANDIOS. WAS soll man denn auch anderes erwarten von vielen “Grüninnen ?? ”  Bei vielen scheint die Optik auch noch das Hirn zu toppen. Dr. Rehmstack, “.... im Gegenteil, sie sind eher der Meinung, daß dieses ein sicheres Kennzeichen für die “Mitgliedschaft” in einer kognitiv niederen Kaste darstellt.”  DAS könnte auch von meiner klugen Mutter stammen. Ich finde das genial ! Na ja, wenn man sich viele von denen anschaut. WAS haben sie denn zu bieten ?? Mit Gender GAGA können sie wahrscheinlich noch Aufmerksamkeit, auch wenn NEGATIVE, erhaschen. “Solche Sprachdiktate sind demokratiefeindlich und letztlich totalitär. Denn Freiheit des Individuums ist immer auch Freiheit der Sprache.”  Demokratiefeindlich und totalitär,  na da scheinen wir ja auf sehr gutem Weg zu sein !!

Rainer C. Ment / 30.05.2020

Die Linken haben Orwells “1984” falsch verstanden, nicht als Dystopie sondern als Betriebsanleitung ... und man sollte nicht Vorsatz unterstellen, wo reine Dummheit als Erklärung ausreicht.

Renate Bahl / 30.05.2020

Es liegt doch an jedem Einzelnen, nicht jeden Blödsinn (Mist) mitzumachen, ein wenig ziviler Ungehorsam kann nicht schaden. Ich gendere jedenfalls demonstrativ nicht. Aus Jux und Dollerei hatte ich mal beim Bundestag angefragt, wie denn die feminine Form von Nazi und Flüchtling sei. Natürlich erhielt ich keine Antwort. Es würde mich mal interessieren, wie viele Hundertschaften sich mit diesem Irrsinn beschäftigen!

Reiner Steppkes / 30.05.2020

Einer Forderung nach “gendergerechter” Sprache, wer auch immer sie stellt, würde ich gerne nachkommen. Dabei würde ich eine Konsequenz an den Tag legen, die sich diejenigen, welche die Forderung aufgestellt haben, im Leben nicht haben vorstellen können: Jedes Nomen, auch all die Pronomina und so fort möchte ich in all seinen “gendergerechten” Formen - mit Sternchen, Binnen-I, und allen möglichen weiteren sprachlichen Irrwitzigkeiten - ausformulieren. Und dabei selbstverständlich kein einziges Geschlecht von den jetzt bekannten 635 - oder wieviele waren es jetzt nochmal - auslassen. Vielleicht würde ich das Briefeschreiben dann einem Computer überlassen, der das automatisch macht. Ab und an würde ich die Regeln etwas ändern, damit kein Computer der Gegenseite das wieder lesbar machen könnte. Diesen Spaß möchte ich mir erlauben.

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