Beim Klimaschutz reiten wir nicht mehr voran, heißt es. Abwechselnd sind es Deutschland oder die EU, die ihre Vorreiterrolle aufgegeben haben, hören wir. Umweltverbände wie Greenpeace, Germanwatch und wie sie alle heißen, die Grünen selbstverständlich auch, sie kritisieren mit dieser Floskel unisono jeden Beschluss hierzulande oder in der Gemeinschaft über Minderungen im Ausstoß von Kohlendioxid. Sie tun dies seit Jahr und Tag, vor entsprechenden Gipfelkonferenzen wie jetzt allerdings noch lauter und noch öfter. Egal, wie drastisch, wie hoch die Beschlüsse ausfallen, es reicht alles nicht: Die Vorreiterrolle wurde aufgegeben. Da stellen sich für Donner und Doria doch ein paar Fragen:
Erste Frage: Wenn die EU oder Deutschland die Vorreiterrolle nicht mehr innehaben, wer ist es dann? Gerade bei Vorreitern muss es doch wohl möglich sein, Ross und Reiter zu nennen. Irgendeiner muss ja den Spitzenplatz einnehmen, oder ist die ganze Welt plötzlich auf einem Einheitsniveau beim Klimaschutz, exakt die selben Vorgaben, die selben Versprechen, dieselbe Verbindlichkeit – und Deutschlands Pferd hinkt am Ende noch hinterher, auf drei Beinen vielleicht? Komisch, dass nirgendwo die Rede ist von unserem Nachfolger in der Vorreiterrolle. Hier und da wird erwähnt, dass sich auch die USA und China „inzwischen ganz schön anstrengen“, aber die Vorreiterrolle will auch ihnen niemand zubilligen. Warum eigentlich nicht? Weil dann schnell klar wäre, dass hierzulande doch erhebliche größere Anstrengungen getätigt werden als anderswo – auf Kosten der Steuerzahler, der Verbraucher, der Häuslebauer, der Nerven der Bürger?
Zweite Frage: Wenn wir jetzt schon keine Vorreiter mehr sind, wann waren wir es eigentlich, wenn jetzt deren Aufgabe beklagt wird? Wann sind EU oder Deutschland wirklich unumstritten und von den Umweltverbänden anerkannt Spitze gewesen in der Klimapolitik? Schweigen im Walde der Windspargel. Dass der Zeitpunkt des Abstiegs vom Spitzenplatz nicht genannt wird, schürt bei mir einen Verdacht: Welcher Zeitraum auch immer für unsere einstige Vorreiterrolle genannt würde, man könnte auch aus ihm dieselben Vorwürfe im öffentlichen Raum zitieren: „Deutschland muss endlich Vorreiter werden“, „Deutschland ist längst nicht mehr Vorreiter“. Seit Beginn der Klimadiskussion dieselbe Vorwurfshaltung.
Dritte Frage: Warum sollen wir eigentlich Vorreiter sein, und das auch noch auf immer und ewig? Was haben wir bitteschön von unserer Haltung „Herr Lehrer, ich bin der beste, ich bin der schnellste, ich bin der Größte“. Warum meint man, dass nur die Deutschen als Vorbild taugen? Weil unser Beitrag zum Kohlendioxidzuwachs schon bei der vierten oder fünften Stelle hinter dem Komma zu suchen ist? Weil sowieso alle immer nur auf Deutschland schauen, automatisch, seit Jahrhunderten? Sind wir wirklich besser als die ganze übrige Welt.
Vierte Frage: Meint jemand allen Ernstes, dass allein die Deutschen es waren, die die Chinesen, die Amerikaner und all die anderen Länder, die nun AUCH auf erneuerbare Energien setzen, überzeugt haben? Welch eine Hoffärtigkeit!
Fünfte Frage: Oder sollte Deutschland deshalb Vorreiter sein, weil es vor allem um Geld geht? Weil die Umweltverbände mit diesem Thema die meisten Gelder generieren können, weil es im Land kaum noch ein Forschungsvorhaben gibt, das nicht irgendwo eine Klimakomponente hat, weil die Energiekonzerne mit der Energiewende Kasse machen, die IT-, die Maschinenbaubranche, vor allem die Bioenergieerzeuger, und, und, und, weil der Klimaindustrielle Komplex zu einer inzwischen unschlagbaren Lobby herangewachsen ist?
Die Energiewende als Konjunkturprogramm? Darüber könnte man reden. Irgendwann müssen wir ohnedies weg von den fossilen Energieträgern. Und das Erwachen im Lande in den 70er-Jahren, die damalige Umstellung auf bewussteren Umgang mit Energie hat sich als wirtschaftlich vernünftig herausgestellt, hat Deutschlands wirtschaftliche Stellung in der Welt gestärkt. Eben weil es mit Bedacht und mit Maß geschah. Weil wir uns nicht von einer Weltuntergangsstimmung haben leiten lassen, weil wir nicht alle Kraftwerke abgeschaltet und auf dezentrale Energieversorgung gesetzt haben, bevor dafür überhaupt die Netze gelegt worden waren, weil wir nicht der Oma ihr klein Häuschen mit völlig unsinnigen gesetzlichen Klimaregularien überzogen haben, weil damals nicht viele Hunderttausende ihre Stromrechnung nicht mehr zahlen konnten, weil wir nicht auf Milchmädchenrechnungen wie den Stern-Report gehört haben oder auf Grüne Propagandisten, für die die Energiewende abwechselnd für ein Eis oder ein Bier zu haben sei (auch wenn die Partei früher schon mal die Verdreifachung des Benzinpreis forderte).
Vorreiterrolle in der Vernunft, das wäre doch mal was.
Nachdem die Gemeinschaft der reichen Länder ein volles halbes Jahr die Ebola-Katastrophe mehr oder weniger verpennt hat, freut sich jetzt unser Außenminister Steinmeier, dass eine Arbeitsgruppe gegründet wurde, die helfen könne, dass nichts überstürzt werde. Hat er gesagt. Da hat er am falschen Ort die Ruhe weg. Ein bisschen weniger überstürzen in Sachen Energiewende und Klimahysterie wäre da angebrachter. Bei Ebola könnte es eher etwas schneller gehen.