Rainer Bonhorst / 24.12.2014 / 23:11 / 3 / Seite ausdrucken

Willkommen in unserer Kultur

Weihnachten ist die Zeit der mehr oder weniger untiefen Betrachtungen. Ich möchte da nicht zurückstehen und auch ein paar schlichte Bemerkungen liefern.

Und ich beginne mit dieser überraschenden Feststellung: Unser Grundgesetz garantiert die freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht. Dies gilt auch für die Leute, die fürchten, dass sich der Islam in unserem Land zu sehr breit macht. Und es gilt für die Leute, die sagen: Stellt euch nicht so an, ihr Angsthasen.

Wer oder was eine Schande für Deutschland ist, das zu entscheiden, ist dem freien Spiel der Argumente überlassen. Eine höhere Instanz gibt es da nicht. Eine Meinungshoheit ist auch in dieser Sache vom Grundgesetz nicht vorgesehen. Wer eine Meinungshoheit anstrebt, tut dies entweder, weil er eine Wahl gewinnen will, oder aus purer Selbstbeglückung.

Wahlkämpfer müssen sich mit ihrer Meinungshoheit im Wettbewerb mit anderen vermeintlichen Hoheiten messen. Das ist ok. Tun sich die Hoheiten aber zusammen, zum Beispiel in einer großen Koalition, ist das grenzwertig. Ein Meinungsverdrängungswettbewerb passt nicht zu unserem Grundgesetz. Eine institutionalisierte Meinungshoheit wäre der Tod der Demokratie.

Wer zur bloßen Selbstbeglückung eine Meinungshoheit anstrebt, kann sich am ehesten auf die amerikanische Unabhängigkeitserklärung berufen. Die sieht immerhin den „pursuit of happiness“ vor. Und wer sein Glück darin sieht, mehr Recht zu haben als die anderen, der soll dieses Glück ruhig anstreben. Ich finde, es gibt Besseres, aber jeder soll das Glück haben, das er verdient.

Von der Meinungsfreiheit leben die Medien. Sie nutzen das Recht auf freie Meinungsäußerung, aber sie haben kein Anrecht darauf, dafür geliebt zu werden. Wer ständig alles besser weiß als das blöde Volk, der muss sich nicht wundern, wenn er vom blöden Volk nicht geliebt wird. Das gilt für Politiker und für Journalisten.

Es gibt drei Methoden, mit dem Volk umzugehen: Man kann ihm nach dem Mund reden. Das ist billig. Man sich intellektuell über das Volk erheben. Das kann teuer werden. Den Politikern läuft dann das Volk davon, und die Möglichkeit, sich ein passendes Volk zu wählen oder es passend zu machen, sind in einer Demokratie begrenzt. Den Medien laufen im Falle der Selbsterhöhung die Leser, Hörer und Zuschauer weg. Das ist auch ein teures Vergnügen. Aber, wie gesagt, jeder soll auf seine Weise nach Glück streben.

Schließlich kann man dem Volk auch zuhören. Das geschieht gewöhnlich aus der Erkenntnis heraus, dass man selber zum Volk gehört und nicht zu einer überlegenen Spezies Außerirdischer oder Überirdischer. Wenn man dem Volk zuhört, muss man ihm trotzdem nicht nach dem Mund reden. Aber man wird sich auch nicht zu weit von ihm entfernen. Man nennt das Bodenhaftung.

Letzte Bemerkung: Unser Grundgesetz gilt für alle. Es garantiert nicht nur die Meinungsfreiheit sondern auch die Gleichheit von Mann und Frau. Wer das akzeptiert, sollte willkommen sein. Da braucht man gar nicht von Willkommenskultur zu schwafeln. Wer dieses Land und die Gebote seines Grundgesetzes nicht ausstehen kann, sollte sich fragen, warum er hier ist. Und sich nicht wundern, wenn er nicht willkommen ist. Einige Leute verdienen eben auch eine Nichtwillkommenskultur.

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Leserpost

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Helmut Driesel / 25.12.2014

Es ist ja offenbar so, dass diese Gesellschaft dabei ist, in eine immer feinzelligere Struktur von unterschiedlichen Traditionen, Meinungshoheiten und Rechtsempfinden zu zerfallen. Staaten wie Frankreich, Niederlande oder Großbritannien sind uns da ein Stück voraus gegangen. Wenn sich das Individuum in so einer Gesellschaft bewegen möchte, muss es sich quasi an jeder Ecke neu fragen, ob es willkommen ist. Das ist naturgemäß am schwierigsten für jene, die aus einer Art staatlich überwachten Einheitskultur wie der DDR kommen. Mit solchen mafiaartig kontrollierten Einflusszonen umzugehen, lernt am besten, wer hinein geboren wurde - egal in welcher Kultur auch immer. Hineingeworfen mit vierzig oder fünfzig fühlt man sich ewig fremd, betrogen und hintergangen. Das jemandem vorzuwerfen, gar gebühren- oder parteienfinanziert von staatsnaher Adresse aus, ist hochgradig unlauter. Genau so unlauter, wie den Eindruck zu verbreiten, die jungen Einwanderer sähen die Erfüllung aller ihrer Lebensträume darin, den deutschen Wohlstandsrentnern in den Pflegeheimen die Hintern abzuwischen. Am intensivsten haben uns die Multikultur eh jene gepredigt, die schon genau wussten, dass sie sich künftig nicht im übervölkerten Deutschland aufhalten würden, sondern dort, wo es noch ruhig und schön ist. Was freilich nicht bedeutet, dass es nicht auch den gefühlten Weltbürger geben darf, der sich am wohlsten fühlt, wenn in einer übervölkerten Stadt an jeder Ecke eine Überraschung auf ihn wartet. Meinetwegen. Die Aufgabe der Politik ist es doch, das inklusive aller Widersprüche zumindest zur Kenntnis zu nehmen. Wenn man schon keine guten Ideen hat.

Rupert Reiger / 25.12.2014

Wer gegen Voltaire oder Kant, gegen die Aufklärung im Allgemeinen und gegen die Errungenschaften der französischen Revolution, gegen Freiheit und Gleichheit, auch der der Geschlechter lebt, redet und predigt, kann so nicht unwidersprochen bleiben. Ob Christen, Juden und alle anderen, keiner kann die Zustände vor der Aufklärung noch einmal wollen. Aufgeklärte Religionsfreiheit ja, somit taugen aber nur Religionen, die sie akzeptieren, egal ob bei uns oder da wo sie herkommen, sonst ist die Sache nicht ehrlich und somit nicht durchzuhalten. Sollen unsere wesentlichsten, mit Schriften, Revolutionen und Kriegen erkauften Errungenschaften menschlichen und staatlichen Zusammenlebens nach Jahrtausenden der untauglichen Versuche wieder zerstört werden, wie auch schon manchmal in der jüngeren Geschichte z.B. durch die Nazis oder den Kommunismus? Alles was mit der Aufklärung konform ist, ist willkommen, alles andere nicht, denn nach all dem Blut und all den Tränen der Geschichte haben die Menschen (das ist die Hoffnung) festgestellt: Das ist für sie am besten.

Daniel Briner / 25.12.2014

Danke Herr Bonhorst für Ihre Bemerkungen, denn nach dem vorangehenden Text “Aufmarsch der digital Erregten” wollte ich grad einen eher wüsten Kommentar schreiben, hat sich somit erledigt ... ist am heutigen Tag auch besser so; wünsche Ihnen und dem ganzen achgut-Team und Ihren Angehörigen eine gesegnete Weihnachtszeit und ein glückliches neues Jahr.

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