Es ist ja offenbar so, dass diese Gesellschaft dabei ist, in eine immer feinzelligere Struktur von unterschiedlichen Traditionen, Meinungshoheiten und Rechtsempfinden zu zerfallen. Staaten wie Frankreich, Niederlande oder Großbritannien sind uns da ein Stück voraus gegangen. Wenn sich das Individuum in so einer Gesellschaft bewegen möchte, muss es sich quasi an jeder Ecke neu fragen, ob es willkommen ist. Das ist naturgemäß am schwierigsten für jene, die aus einer Art staatlich überwachten Einheitskultur wie der DDR kommen. Mit solchen mafiaartig kontrollierten Einflusszonen umzugehen, lernt am besten, wer hinein geboren wurde - egal in welcher Kultur auch immer. Hineingeworfen mit vierzig oder fünfzig fühlt man sich ewig fremd, betrogen und hintergangen. Das jemandem vorzuwerfen, gar gebühren- oder parteienfinanziert von staatsnaher Adresse aus, ist hochgradig unlauter. Genau so unlauter, wie den Eindruck zu verbreiten, die jungen Einwanderer sähen die Erfüllung aller ihrer Lebensträume darin, den deutschen Wohlstandsrentnern in den Pflegeheimen die Hintern abzuwischen. Am intensivsten haben uns die Multikultur eh jene gepredigt, die schon genau wussten, dass sie sich künftig nicht im übervölkerten Deutschland aufhalten würden, sondern dort, wo es noch ruhig und schön ist. Was freilich nicht bedeutet, dass es nicht auch den gefühlten Weltbürger geben darf, der sich am wohlsten fühlt, wenn in einer übervölkerten Stadt an jeder Ecke eine Überraschung auf ihn wartet. Meinetwegen. Die Aufgabe der Politik ist es doch, das inklusive aller Widersprüche zumindest zur Kenntnis zu nehmen. Wenn man schon keine guten Ideen hat.
Wer gegen Voltaire oder Kant, gegen die Aufklärung im Allgemeinen und gegen die Errungenschaften der französischen Revolution, gegen Freiheit und Gleichheit, auch der der Geschlechter lebt, redet und predigt, kann so nicht unwidersprochen bleiben. Ob Christen, Juden und alle anderen, keiner kann die Zustände vor der Aufklärung noch einmal wollen. Aufgeklärte Religionsfreiheit ja, somit taugen aber nur Religionen, die sie akzeptieren, egal ob bei uns oder da wo sie herkommen, sonst ist die Sache nicht ehrlich und somit nicht durchzuhalten. Sollen unsere wesentlichsten, mit Schriften, Revolutionen und Kriegen erkauften Errungenschaften menschlichen und staatlichen Zusammenlebens nach Jahrtausenden der untauglichen Versuche wieder zerstört werden, wie auch schon manchmal in der jüngeren Geschichte z.B. durch die Nazis oder den Kommunismus? Alles was mit der Aufklärung konform ist, ist willkommen, alles andere nicht, denn nach all dem Blut und all den Tränen der Geschichte haben die Menschen (das ist die Hoffnung) festgestellt: Das ist für sie am besten.
Danke Herr Bonhorst für Ihre Bemerkungen, denn nach dem vorangehenden Text “Aufmarsch der digital Erregten” wollte ich grad einen eher wüsten Kommentar schreiben, hat sich somit erledigt ... ist am heutigen Tag auch besser so; wünsche Ihnen und dem ganzen achgut-Team und Ihren Angehörigen eine gesegnete Weihnachtszeit und ein glückliches neues Jahr.
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