Gastautor / 08.03.2011 / 07:30 / 0 / Seite ausdrucken

Wieviel Luxus braucht der Mensch?

Mit Sissy Hewson auf Reisen

Manchmal wünscht man sich Luxus. Ganz viel. Ganz innig. Beim Skifahren zum Beispiel. Aber dann vielleicht auch wieder nicht.

Skifahren ist mühsam. Mühsam genug schon für den einzelnen Schneewütigen, der zuerst den ganzen Krempel einpacken, zum Verkehrsmittel schleppen und dann ins Hotel verfrachten muss. Der dann in überheizten Skiställen seine Ausrüstung zusammenklaubt, und schließlich, angetan wie ein Astronaut und ähnlich unbeweglich versucht, die Skischuhschnallen zu schließen ohne sich die Finger zu brechen, während das Frühstück langsam die Speiseröhre hinaufkriecht und der Schweiß den Rücken hinuntertröpfelt.

Aber wer zu seinen eigenen Skiern auch noch die des Nachwuchses, plus Stöcke, plus Rucksack, plus sich an die Skihosen klammerndes Kind, das jetzt nicht weiterwill, zum Skikurs zu bringen versuchte; wer sich schon einmal in klirrender Kälte bemüht hat, seinen bereits kreischenden Spross mit dem immer wieder entgleitenden Schleppliftbügel vertraut zu machen wird wissen, wovon ich rede, wenn ich mir Luxus wünsche: Wäre es da nicht wunderbar, jemanden zu haben, der Kinder plus Skiern nimmt, in den Schnee bringt und unterhält? Und sie auch morgens, abends, mittags immer lächelnd, immer freundlich, unendlich geduldig ablenkt, verwöhnt, beschäftigt?

Wovon ich rede ist ein Paar-mit-Kindern-Wellness-Hotel. Es steht in Südtirols St. Ulrich im Grödental, ein rosarotes Riesenhotel mit weißen Säulchen und Schnörkeln, optisch ortsbestimmend breit, mit einem passend breiten Namen: Es nennt sich Cavallino Bianco Family Spa Grand Hotel Viersterne-Superior. Seltsamerweise mit einer Riesenmaus vor dem Entrée , die einem auch im Hotel immer wieder als Maskottchen oder verkleideter Animateur begegnet: Mit meinem rudimentären Italienisch hätte ich mir gedacht, Cavallino Bianco heißt Weißes Pferdchen, aber so kann man sich täuschen. (Ganz getäuscht habe ich mich dann doch nicht, auf den Prospekten tänzelt es herum.)

Dieses auf permanentes Trockendock gesetzte Kreuzfahrschiff – immer essen, alles da – wurde von einem blondgelockten Hotelbesitzer erdacht, ein bisserl Hansi Hinterseer, ein bisserl Florian Silbereisen. Er nahm seine eigenen Familie als Vorbild und seine Vorstellung von Luxus zum Parameter – Zirbenstube und Römerschnörkel, messingbegrenzte Freitreppen und pompeianische Fresken, Mosaike und Blattvergoldung, Palmwedel und Plüsch -  und entwickelte daraus einen durchorganisierten, perfekt durchdachten Betrieb.

Der erspart Eltern genau das, was Eingangs als Mühsal geschildert wurde: Zum Skifahren werden die Kinder mit Ausrüstung von den Skilehrern in Busse geladen, die in der Garage vorfahren und wie aus einer Schleuse die Skihaserln aufnehmen und schließlich wieder abgeben. Farbige Armbänder signalisieren Essenvorschriften oder Gruppenzugehörigkeit, Gesundheitszustand, Stundenplan oder Leistungsprofil - nichts sollen die kostbaren Kleinen entbehren müssen. Aber auch vom Rest der „Kindermühsal“ wird man erlöst. Schon Babys werden in der Babylandschaft, wo man die Kleinsten ab einem Monat bereits in Schaukeln und Hängemättchen oder auf Krabbelbahnen an das zukünftige Leben in Luxus gewöhnen kann, rund um die Uhr unterhalten, beschäftigt, ernährt und versorgt. Für die älteren gibt es von Prinzessinnen/Barbie-Schönheitssalons mit Massage für die elegante Fünfjährige bis zu Piratenschlachten mit Gummikanonen alles, woran der verwöhnte Nachwuchs gewöhnt ist: Biergärten für die kleinen Limotrinker, Kinderküchen und Kletterwänden, Theatersaal und Spielsälen, Bastelzimmern und Wasserspielprogrammen, nicht zu vergessen die Shopping-Meile für das modische Kind, das bis zum Schnuller durchgestylt sein möchte.

Aus dem Luxus kommen und im Luxus leben diese Kleinen ziemlich sicher ohnehin schon: ein gewisses Einkommen braucht man, wenn man hier seinen Urlaub verbringen möchte. Unter 5000 Euro für eine Woche im Überfluss kommt man mit zwei Kindern nicht aus im Cavallino Bianco (Liftkarten oder Skikurskosten nicht gerechnet). Und viele Gäste kommen öfter als einmal im Jahr. (Ohne Kinder kommt man übrigens erst gar nicht hinein, denn hier werden ausschließlich Erwachsene MIT Kindern akzeptiert.) Doch money no object, Italiener überfluten das Hotel, 80% der Gäste kommen aus dem südlichen Inland und aus einer Gesellschaftsschicht, die Geschmacklosigkeiten zu schätzen weiß.

Ob Berlusconi wohl auch so aufwuchs? Mit Bunga Bunga im Luxusambiente kann man ja nicht früh genug beginnen. Und dazu gibt hier es die besten Voraussetzungen: williges Personal, glückliches Kreischen und fröhliches Haschen, Ess- und Trink- und Naschtrieb werden in vorauseilendem Gehorsam befriedigt…und man wendet sich ab mit Grauen.

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