Optimismus sieht anders aus. Der Westen, da sind sich alle einig, hat seine beste Zeit hinter sich. Die Ära, in der Europäer und Amerikaner die Welt beherrschten, ist vorbei. «Es geht nur noch darum, den Niedergang zu verwalten», seufzt Rod Liddle im «Spectator». Um diese Aufgabe zu bewältigen, kann es nicht schaden, von Österreich zu lernen. Wie es ist, den eigenen Bedeutungsverlust mehr oder weniger stilvoll zu verkraften, weiß man nirgendwo besser als in Wien, wo Kanzler und Minister seit 1919 in viel zu großen Regierungsgebäuden residieren. Auf dieses Missverhältnis kann man mit Selbstironie reagieren, wie es der frühere Kanzler Bruno Kreisky getan hat. Nach dem Ende seiner Amtszeit unterschrieb er ein Dokument mit den Worten «Bruno I., Kaiser von Mallorca». So blieb wenigstens ein bisschen imperialer Glanz übrig. Oder man macht es wie der Historiker Stephan Vajda, der Anfang der 80er-Jahre eine populärwissenschaftliche Geschichte seines Landes mit dem schönen Titel «Felix Austria» («Glückliches Österreich») herausbrachte. Vajdas These, die er von Rudolf IV. bis zu Kreisky immer wieder bestätigt sieht: Österreichs Politik habe sich von jeher durch Lässigkeit und Schlamperei ausgezeichnet. Den Chronisten stört das nicht im Geringsten, denn die österreichische Unfähigkeit habe ja «nie zu einer großen Katastrophe geführt». Ob das stimmt, sei dahingestellt, doch eines ist sicher: Ein gewisses Maß an selbstzufriedener Schicksalsergebenheit könnte uns Europäern helfen, über das kommende, asiatische Jahrhundert hinwegzukommen. Wie sagt man doch gleich in Wien? «Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.»
Erschienen in der „Basler Zeitung“ vom 12. Februar 2012
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