Steffen Meltzer, Gastautor / 28.01.2021 / 13:00 / Foto: pixabay / 107 / Seite ausdrucken

Unter Feuer: Die Flucht der Polizistinnen

Als der Drogendealer Vitalij K. (37) bei einer Routine-Fahrzeugkontrolle plötzlich das Feuer auf mehrere Polizeibeamte eröffnete und einen Polizisten verletzte, liefen die zwei Polizistinnen, die mit im Einsatz waren, kopflos davon. Eine Beamtin: „Meine Kollegin schrie nur noch: Nix wie weg hier! Renn! Renn!“ Die beiden bewaffneten Frauen machten sich aus dem Staub, ohne sich um ihren verletzten Kameraden zu kümmern, der auf der Straße lag.

Wer aufmerksam die sozialen Netzwerke und die Medien verfolgt, wird auf Szenen stoßen, in denen weibliche Polizeibeamte bei körperlichen Auseinandersetzungen zusammengeschlagen werden. Andere Videos zeigen Polizistinnen, die neben ihren männlichen Kollegen „unglücklich“ agieren, bzw. von Personen aus archaischen Kulturkreisen schlicht negiert werden. Der einstige, weit verbreitete Spruch, Täter hätten gegenüber Frauen in Uniform „Beißhemmung“, beschreibt höchstens die Vergangenheit. Die zunehmende Brutalität trifft weibliche wie männliche Polizeibeamte.

Eine weitere zusätzliche Belastung ist der mittlerweile kultivierte Generalverdacht, die Polizei sei gewalttätig, rechtsextrem oder rassistisch. Einige Landesinnenminister zeigen diesbezüglich einen bemerkenswerten Aktionismus und richten allerlei anonyme Meldetelefone ein, schaffen Stellen für „Rassismusbeauftragte“ und/ oder dekretieren einen „Spitzel-Erlass“ (so Cathleen Martin, die sächsische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) ). In Berlin wurde ein sogenanntes Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet, das nichts anderes tut, als die eigenen Beamten durch eine Beweislastumkehr zu diskriminieren. Medial aufgebauschte Pseudostudien, wie die der Universität Bochum, die nach einer fragwürdigen Methodik (Internetumfragen für „Betroffene“) erstellt wurden, tragen zusätzlich zu gesellschaftlichem und psychologischem Druck bei, dem nicht mehr jeder Beamte ausreichend gewachsen ist. Hinzu kommt das übliche Mobbing untereinander. Dementsprechend hoch sind der Krankenstand und die Suizidrate in den Reihen der Polizei. Allein 2020 sind dem Autor drei Suizide in Brandenburg bekannt geworden,(die Zahl muss nicht vollständig sein), Polizisten in den besten Jahren ihres Lebens, die keinen anderen Ausweg wussten, als sich mit der eigenen Dienstwaffe zu erschießen. Darunter eine frisch ausgebildete junge Polizeikommissarin, die einen Abschiedsbrief mit einem dienstlichen Bezug hinterlassen hatte.

Zu guter Letzt werden Beamte mit überlebensnotwendigen Ausbildungsinhalten im Stich gelassen. In Brandenburg gab es zum Beispiel jahrzehntelang keine spezielle Fortbildung zum Umgang mit psychisch gestörten Straftätern im polizeilichen Einsatz. Das traurige, aber vermeidbare Ergebnis in diesem Bundesland sind mehrere getötete und schwer verletzte Polizeibeamte.

Es gibt keine Entschuldigung

Um es vorwegzunehmen, für das Verhalten der beiden Beamtinnen kann es kein dienstliches Verständnis geben. Während die Schüsse fielen, der eigene Kollege (29) verletzt auf der Straße lag und sein Streifenpartner (23) das Feuer erwiderte, sollen sich die beiden Frauen (32, 39) nach einem Medienbericht zunächst hinter ihrem Funkstreifenwagen versteckt haben. Danach hätten sie sich unauffällig entfernt. Sollte das zutreffen, ist die Frage zu stellen: Wie konnten die beiden Polizistinnen ihr Studium und die sich anschließende obligatorische Fortbildung bestehen?

Jetzt müssen zum Aus- und Fortbildungsstand sowie bei der Personalauswahl in den Assessment-Centern gründliche Ursachenforschungen betrieben werden. Die Defizite betreffen neben der individuellen Schuld der Beamtinnen vor allem die Führungsebene. Bei der Letzteren fängt es regelmäßig an, schwierig zu werden.

Die schönen Zeiten in der Polizei sind nicht vorbei, es hat sie nie gegeben, auch wenn das in den Werbebroschüren immer wieder gern behauptet wird. Jeder von uns kennt die wunderbaren Hochglanzprojekte mit den attraktiven in Szene gesetzten Model-Polizistinnen. Diese Illusionen wecken falsche Erwartungen. Entsprechend groß ist die Abbruchquote im Studium (höherer Dienst) bzw. der Ausbildung (mittlerer Dienst). Davon einmal abgesehen, kann der Beruf eines Polizisten sehr erfüllend sein. Die wenigsten scheitern – wie in diesem Fall – an den Aufgaben, sondern an den inneren Verwerfungen. Das Menschenbild ist ausbaufähig.

Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn tatsächlich zwei taffe Polizistinnen in Leitungsfunktionen erlebt, die an sozialer und fachlicher Intelligenz anderen, männlichen Vorgesetzten überlegen waren bzw. sind. Die ganz große Karriere wurde es trotzdem nicht. Sie sind einfach zu klug, um ihr gesamtes Dasein vollständig an einen Apparat zu verkaufen. Das falsche Leben für Orden und bunte Bändchen leben vor allem Männer.

Die andere Seite

Viele der jungen Frauen machen eine erstklassige Arbeit im täglichen Wach-und Wechsel-Dienst (WWD) oder als Ermittlerinnen in der Kriminalpolizei. Die meisten sind nach meiner Erfahrung in der Rechtschreibung (Polizeiarbeit ist vor allem Schreibarbeit), mündlicher Ausdruckweise und dem individuellen Anpassungsvermögen gegenüber Vorgesetzten besser aufgestellt als ihre männlichen Kollegen. Sie bekommen oftmals die höheren Punktzahlen in den Beurteilungen. Die Bereitschaft, eine Leitungsfunktion zu übernehmen, ist trotz aller möglichen Förderprogramme für Frauen deutlich weniger ausgeprägt. Die sich trotzdem bewerben, werden händeringend genommen, um Quoten zu erfüllen, damit die Behörde gut dasteht. Leider sind es dadurch nicht immer die Besten der Besten. Wenn man den Beruf insgesamt betrachtet, kann man keinesfalls davon sprechen, dass Frauen die besseren Polizisten oder Vorgesetzten wären. Frauen bringen nicht nur Vorteile auf manchen Gebieten mit, sondern teilweise auch Nachteile.

Die übergroße Mehrzahl der Polizisten und Polizistinnen beherrscht ihre persönliche Waffe gut bis sehr gut. Es gibt jedoch auch diejenigen, die ihre Waffe nicht als normales Handwerkszeug betrachten, das man routiniert mit sich führt und ggf. einsetzen muss, sondern als Fremdkörper, mit dem man am liebsten nichts zu tun haben will. Verkehrskontrollen (und Verfolgungsfahrten) gehören mit zu den gefährlichsten Einsätzen und werden (normalerweise) intensiv trainiert. Wie kommt es, dass die Beamtinnen „plötzlich“ versagen und ihre mangelnde Einsatzkompetenz kaschieren konnten? Die eingangs geschilderte „Schießerei“ ist eine wahrgenommene lebensgefährliche Hochstresslage. Dann sind erlernte und gedrillte Fertigkeiten notwendig, die im Unterbewusstsein und dem Muskelgedächtnis automatisiert sind. Nur dadurch hat das Gehirn genügend Ressourcen zu Verfügung, willentlich und lageangepasst selbst auf Lebensgefahren zu reagieren.

Was hat dazu geführt, dass die erlernten Prozesse und der freie Wille durch prähistorische primitive Urinstinkte – Erstarren, Angriff und Flucht – überschrieben wurden? Dysfunktionaler Stress frisst Intelligenz durch eine beträchtliche Diskrepanz zwischen objektiven Anforderungen und subjektiven Voraussetzungen, die sich in der lagebedingten Hilflosigkeit sichtbar manifestiert hat. Angst blockiert professionelles Handeln, wer sich als Ausrede, wie in diesem Fall, darauf beruft, hat die Berufung verfehlt. Halbfertigkeiten sind Unfertigkeiten, eine Gefahr für sich selbst, das Team und die Bevölkerung.

Diese Fragen muss ein Gericht mit entsprechenden Gutachtern beantworten. Bis zum Urteil (Anklage im April 2021) gilt in jedem Fall die juristische Unschuldsvermutung.

Corona: Ausreichend Personal? Kein Problem!

Unabhängig vom Versagen der beiden erfahrenen (!) Beamtinnen muss konstatiert werden, dass unsere Polizei auf die Veränderungen seit 2015 suboptimal vorbereitet wurde und wird. Die zunehmende Brutalität einer sich immer mehr polarisierenden Gesellschaft wirkt sich natürlich auch massiv auf die Polizei aus. Jahrelang wurden die Polizei und damit auch der WWD durch die herrschende Politik durch einen drastischen Stellenabbau geschröpft. Je weniger Personal zur Verfügung steht, desto weniger Beamte kann der Vorgesetzte zum notwendigen Training schicken. Irgendjemand muss schließlich noch die täglichen Aufgaben absolvieren. Ergo, je weniger Beamte zur Verfügung stehen, desto größer gleichzeitig der Aufgabenaufwuchs, desto schlechter die Fortbildungsqualität.

Was andererseits möglich ist, sieht man daran, wie viel Polizei plötzlich auf den Straßen präsent ist. Allerdings vorwiegend zur Durchsetzung der Maskenpflicht und anderer Corona-Repressionen. Besonders konsequent muss gegen Demonstranten durchgegriffen werden, die die Corona-Regeln kritisieren. Dann gibt es auch von der Seite viel Lob, die ansonsten die gleiche Institution am liebsten abschaffen würde.

Das wichtigste Verhütungsmittel: eine perfekte Statistik

Nichts lässt sich willkürlicher inszenieren als statistische Erfassungen. Man kann beliebig jeden Negativ-Trend als etwas Positives verkaufen oder umgekehrt, wenn man ausgesuchte Zahlen untereinander nur selektiv ins Verhältnis setzt.

Die zunehmende Brutalisierung der Gesellschaft wird damit „kompensiert“, dass Politiker mit als Erfolgsmeldungen präsentierten Kriminalstatistiken aufwarten, um unerwünschte Entwicklungen unter den Tisch fallen zu lassen.

Beispiel: das Zitat aus einem Innenministerium: „Brandenburg ist erneut ein Stück weit sicherer geworden. Die insgesamt erfreuliche Entwicklung der Kriminalstatistik setzte sich auch im Jahr 2019 fort, die Gesamtzahl der Straftaten ist weiter zurückgegangen.“ Soweit zur Erfolgsmeldekultur.

Nun zur ungeschönten Realität dieses Bundeslandes: Der Rückgang der Diebstähle (-5,3 Prozent), insbesondere der Taschendiebstähle, wird mit den angestiegenen Wohnungseinbruchdiebstählen (+2,4 Prozent), Vergewaltigungen (+20,9 Prozent), Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (+8,6 Prozent), Raub, räuberischer Erpressung (+7,8 Prozent) verrechnet. Von der steigenden Ausländerkriminalität (+30 Prozent seit 2015) ganz zu schweigen. Schon passt die Statistik. Ähnliches kann man auch aus Berlin berichten.

Sollte sich die gesamtgesellschaftliche Entwicklung derartig fortsetzen, wird der angeführte Vorfall der Polizeibeamtinnen nicht das letzte Vorkommnis in dieser Kategorie gewesen sein.

 

Steffen Meltzer ist Buchautor von „Ratgeber Gefahrenabwehr: Wie Sie Gewalt- und Alltagskriminalität in der Gesellschaft begegnen“

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Leserpost

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Klaus Reizig / 28.01.2021

Frauen und Waffen. Man google mal Verabschiedung Transkommandeurin Bundeswehr Einhorn. Extrem widerlich und demütigend für echte Soldaten.

Rainer Niersberger / 28.01.2021

Es gibt ein grundsätzliches Problem, welches das Verstaendnis “der Polizei” bzw. ihrer Fuehrung, aber auch jedes Polizisten, von der Aufgabe und Rolle in einem “Rechtsstaat” betrifft und ein individuelles, was wiederum (auch) mit der Verfasstheit der Gesellschaft und ihrer Ideologie zu tun hat. Im ersten Fall ist wenig ueberraschend die Wende zum Buettel der Machthaber zu konstatieren und die damit zwingend verbundene Abwendung vom Recht zur bloßen Machtausuebung. Nun hat sich der (deutsche) Mensch seit 1945 zumindest evolutionär nicht veraendert und kulturell nicht zum Besseren. Individuell koennte sich die Frage des Mutes stellen oder wie faellt die Abwägung zwischen Pflicht (fuer wen und was eigentlich?) und persönlichem Risiko aus. Diese Frage betrifft keineswegs nur Polizistin en, diese aber besonders und sehr konkret. Auch hier geht es nicht allein um Schiesstechnik, eine Art Basic sozusagen, sondern um Persönlichkeit oder Charakter. Der Unterschied zwischen Scheibenschiessen und Einsatz gegen einen, der selbst schießt, ist einem   Ex - Ausbilder BW, liegt aber schon ein paar Jahrzehnte zurueck, klar. Ob man hier von Feigheit, einer der heute eher vermiedenen Begriffe, oder fehlender Beherrschung der Angst oder mangelnder Disziplin spricht, ist sekundär. Es fehlt an einer (polizeilichen) Tugend oder einer Einstellungsvoraussetzung. Ein Phänomen, das heute weitverbreitet ist, sich aber im Kampf gegen die Leute, die die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten massiv veränderten, als entscheidend(er) herausstellt. Ob die Rekrutierung der Damen die passende Antwort auf das Problem ist, koennte politisch nicht korrekt hinterfragt werden. “Bonobos” haben im Direkt kontakt gegen “Schimpansen” wenig Chancen. Und von denen gibt es in einer vorsaetzlich bonoboisierten Gesellschaft zukünftig eher mehr als weniger und ihre spezifischen “Befriedungsmittel” helfen hier nicht.

Klaus Schmid / 28.01.2021

Polizisten und Polizistinnen sind ganz einfach nur ein Querschnitt der deutschen Bevölkerung die Anführer und Anführerinnen anhimmelt und nach unten ... einfach das macht was von oben befohlen wird.

Martin Landner / 28.01.2021

Was ist eigentlich mit Rassismus gegenüber Polizisten? Ich habe da gehört, dass bestimmte Leute ein spezifisches Problem mit weißen Polizisten haben. Das sich sofort in Luft auflöst, sobald da ein Polizist der eigenen Ethnie steht.

Michael Lorenz / 28.01.2021

Jene, die sich um die Statistiken zu kümmern haben, wählen aus, ob sie die Wahrheit kundtun oder politisch gut dastehen. Beides zusammen geht nicht. Solange das so bleibt, anstatt dass Erhebung, Auswertung und Kommentrierung von völlig (!) unabhängiger Stelle vorgenommen wird, bleibt es dabei, dass im Görlitzer Park statistisch keinerlei Straftaten stattfinden, er somit das Paradies auf Erden sein muss.

Franz Klar / 28.01.2021

Nicht auszudenken , wären die 3 Verteidiger des Reichstages -*innen gewesen ! ” Brennpunkt Speziell ” , unterlegt mit dem Walkürenritt ! Die Damen mit Brustpanzer auf Werbetour .... . Es wäre sooo schööön gewesen !

Ignatius Steckermeier / 28.01.2021

Was soll man sagen? Die Wirklichkeit ist kein Kinofilm und keiner der Polizisten ist Bruce Willis. Da kann wohl nur eines helfen.: Bessere Ausbildung. .

MASCHU / 28.01.2021

Es war klar, dass so etwas irgendwann ans Tageslicht kommt. Man überlegt sich sehr genau, mit wem man eine Verkehrskontrolle durchführt und an wem. Sollen nur die Zahlen stimmen findet man genug Bürger die kontrolliert werden können. Will man wirklich etwas für den Bürger tun und es draussen für alle sicherer machen, schaut man(n) zweimal rüber im Streifenwagen. Und wenn man den richtigen Kollegen hat oder auch manchmal die richtige Kollegin muss man sich bei Problemen und die bringen solche Kontrollen automatisch mit, im Nachgang vor den Vorgesetzten rechtfertigen. Da überlegt man beim nächsten Mal nicht zweimal sondern öfter… Und oh Wunder dann ist der Verkehrsteilnehmer auch schon aus ddn Augen verschwunden.

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