Auf Twitter verbreiten „Israelkritiker" eine antisemitische Karikatur des „Palästina-Portals". Eine Rolle in dieser Posse spielte nun ausgerechnet ein Antisemitismus-Beauftragter. Und Twitter selbst.
Am vergangenen Samstag verbreiteten auf Twitter ein paar ewiggestrige „Israelkritiker“ eine antisemitische Karikatur eines sogenannten Palästina-Portals, die Benjamin Weinthal, den Europakorrespondenten der Jerusalem Post, adressierte. In dieser Karikatur wird Weinthal bildhaft in die unterste Schublade gesteckt, in der bereits eine Flagge Israels steckt. Ein willfähriger Beklatscher dieses Spottbilds ging in seiner Verschwörungsesoterik sogar so weit zu behaupten, dass Weinthal „heimlich von der NPD bezahlt werde“.
In mehreren Tweets beantwortete der Autor dieser Zeilen diese Ungeheuerlichkeit. So mit der Frage, ob der Verbreiter der Karikatur selbst zum Palästina-Portal gehört. Warum diejenige Person, es überhaupt notwendig findet, solche Karikaturen zu verbreiten. Und warum man eine Karikatur verbreiten muss, in der Israel und Benjamin Weinthal buchstäblich in die „unterste Schublade“ gesteckt werden. Schließlich fragte ich den Autor der NPD-Unterstellung, ob er hierfür bei Weinthal um Entschuldigung bitte.
Die Antworten der jeweiligen Protagonisten ließen keine Fragen offen. So schrieb der Verbreiter des Spottbilds, dass dieses für die „Hassschleuder Weinthal“ und „sein Verhalten absolut passend“ wäre. Denn, was Weinthal „betreibt[,] ist der Sache Israels nicht dienlich“. Ein klassisches antisemitisches Schauerstück, in dem die Juden, in diesem Fall der jüdische Journalist Weinthal, selbst für das Unglück der Heimstatt der Juden verantwortlich sind.
Von der Skrupellosigkeit, antisemitische Karikaturen zu verteidigen
Aber natürlich fügte der Akteur noch wie selbstverständlich hinzu, dass er „absolut [befürworte], dass es einen eigenen Staat Israel gibt“. Angesichts der Skrupellosigkeit, antisemitische Karikaturen zu verbreiten, kann man wohl feststellen: Ein Existenzrecht gewährt er dem Staat der Juden wohl nur zu den eigenen antisemitischen Konditionen.
Doch damit nicht genug. Ein Unterstützer dieser antisemitischen Fratze ergänzte, dass man nicht nur den „Schmutz schleudernder Wichtigtuer“ Weinthal in der „unterste[n] Schublade […] findet“, sondern dass man überdies „Leute wie sie [gemeint ist der Autor dieser Zeilen] und ihren korpulenten Freund Henryk [Broder]“ bekämpfen sollte.
Der Mensch mit der NPD-Unterstellung schrieb später als Replik, ich sei entweder „böswillig“ oder ein „kompletter Vollidiot“ und hätte „kein Urteilsvermögen“. Der Mangel an Manieren dieser Menschen geht offenkundig vortrefflich einher mit der Rücksichtslosigkeit, antisemitische Zerrbilder über einen jüdischen Journalisten zu verbreiten und später noch offensiv zu verteidigen.
Dazu passt, dass ein ausdrücklicher Antizionist später am Abend noch in die Richtung von Weinthal und meiner Person ergänzte, dass „rassistische zioNaZis […] immer schon unterste Schublade“ gewesen wären. Er bezeichnet hiermit also Zionisten als Nazis und Rassisten.
Antisemitismus-Beauftragter schweigt zu Antisemitismus vor seinen Augen
Eine besondere Rolle in dieser antisemitischen Posse spielte nun ausgerechnet ein Antisemitismus-Beauftragter. Und zwar Michael Blume, ein von Baden-Württembergs Landesregierung in diese Position beförderter ausgebildeter Finanzassistent und studierter Religions- wie Politikwissenschaftler. Blume stieß diese „Diskussion“ mit einer negativen Äußerung über Weinthals journalistische Arbeit an.
Obwohl mit der antisemitischen Karikatur und der anschließenden Verteidigung und Verbreitung dieser Schmähung konfrontiert, sagte Blume nicht ein Wort dazu. Man muss sich das vor Augen führen: Ein Antisemitismus-Beauftragter schweigt, wenn Antisemitismus offen vor seinen Augen praktiziert wird. Wozu genau bekleidet Herr Blume dieses Amt eigentlich?
Doch hier war immer noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Im Laufe der Diskussion fragte der Autor dieser Zeilen, wieso es eigentlich nicht möglich ist, Blume an seinen offiziellen Twitter-Account „Private Nachrichten“ zu schicken. Denn offenkundig möchten von Antisemitismus betroffene Menschen gerne diese Vorfälle in einem privaten Rahmen mit dem Antisemitismus-Beauftragten besprechen. Eine Antwort erhielt ich von Blume trotz mehrmaligen Nachfragens nicht.
Twitter prüft, ob Profil entfernt werden soll
Das stimmt allerdings nicht ganz. Seit dem Zeitpunkt, an dem ich Blume erstmals anfragte, gab es zunehmend Probleme mit der Anmeldung bei Twitter. Etwas, was ich zuvor noch nie hatte. Mal sollte ich zur Verifikation meines Kontos zusätzlich meine E-Mail-Adresse eingeben, mal bestätigen, dass ich kein Bot bin und mal sogar meine Telefonnummer hinterlassen.
Mein Account ist nun mittlerweile „vorübergehend eingeschränkt“, „da von diesem Account einige ungewöhnliche Aktivitäten ausgegangen sind“, so Twitter. Eine Folge ist, dass meine Tweets in Threads, das heißt Diskussionsverläufen, so nicht mehr lesbar sind. Am Sonntagmorgen erhielt ich dann eine Benachrichtigung von Twitter, die den Hintergrund klarer macht. So sei mein Account „unter dem NetzDG“ bezüglich meines „Profile[s]“ gemeldet worden und Twitter wollte feststellen, ob mein Profil „der Entfernung unterliegt“.
Halten wir also fest: Ich wurde von Twitter gebannt, nachdem ich die Verbreiter einer antisemitischen Karikatur adressierte, von diesen daraufhin persönlich angegriffen wurde und schließlich in diesem Zusammenhang einen Beauftragten gegen Antisemitismus fragte, warum man ihm eigentlich keine privaten Nachrichten schicken kann. Twitter prüfte in der Folge hierbei sogar, ob man mittels Anwendung des NetzDG mein Profil entfernen könne.
Welche Rolle spielt der Antisemitismus-Beauftragte Blume?
Offen bleibt die Frage, wer nun konkret meinen Account gemeldet und so letztlich die erfolgte vorübergehende Einschränkung und überprüfte Löschung meines Profils zu verantworten hat. Eine der Personen, die die antisemitische Karikatur verbreiteten und verteidigten? Gar der baden-württembergische Antisemitismus-Beauftragte Blume selbst?
Wer auch immer es war, so sagt es doch eine Menge aus, wenn derjenige Ziel von dezidierten Einschränkungen oder gar Löschungen ist, der Antisemitismus bekämpft und als Publizist derlei Vorfälle für antisemitismuskritische Medien wie die Jüdische Rundschau, die Achse des Guten oder Audiatur-Online dokumentiert. Wohingegen derjenige unberührt bleibt, der öffentlich und ungeniert Judenfeindlichkeit betreibt: Denn die antisemitische Karikatur steht auch heute noch auf Twitter.
Was also all das mit dem Kampf gegen Antisemitismus zu tun hat, können sowohl der betreffende Antisemitismus-Beauftragte Blume als auch Twitter selbst, das sich öffentlich gegen „Hass schürendes Verhalten“ positioniert, gerne einmal beantworten.
Ausdrucke der Tweets liegen der Achse des Guten vor.