Marcus Ermler / 13.07.2021 / 06:05 / Foto: Pixabay / 68 / Seite ausdrucken

Twitter-Bann nach Kampf gegen Antisemitismus

Auf Twitter verbreiten „Israelkritiker" eine antisemitische Karikatur des „Palästina-Portals". Eine Rolle in dieser Posse spielte nun ausgerechnet ein Antisemitismus-Beauftragter. Und Twitter selbst.

Am vergangenen Samstag verbreiteten auf Twitter ein paar ewiggestrige „Israelkritiker“ eine antisemitische Karikatur eines sogenannten Palästina-Portals, die Benjamin Weinthal, den Europakorrespondenten der Jerusalem Post, adressierte. In dieser Karikatur wird Weinthal bildhaft in die unterste Schublade gesteckt, in der bereits eine Flagge Israels steckt. Ein willfähriger Beklatscher dieses Spottbilds ging in seiner Verschwörungsesoterik sogar so weit zu behaupten, dass Weinthal „heimlich von der NPD bezahlt werde“. 

In mehreren Tweets beantwortete der Autor dieser Zeilen diese Ungeheuerlichkeit. So mit der Frage, ob der Verbreiter der Karikatur selbst zum Palästina-Portal gehört. Warum diejenige Person, es überhaupt notwendig findet, solche Karikaturen zu verbreiten. Und warum man eine Karikatur verbreiten muss, in der Israel und Benjamin Weinthal buchstäblich in die „unterste Schublade“ gesteckt werden. Schließlich fragte ich den Autor der NPD-Unterstellung, ob er hierfür bei Weinthal um Entschuldigung bitte.

Die Antworten der jeweiligen Protagonisten ließen keine Fragen offen. So schrieb der Verbreiter des Spottbilds, dass dieses für die „Hassschleuder Weinthal“ und „sein Verhalten absolut passend“ wäre. Denn, was Weinthal „betreibt[,] ist der Sache Israels nicht dienlich“. Ein klassisches antisemitisches Schauerstück, in dem die Juden, in diesem Fall der jüdische Journalist Weinthal, selbst für das Unglück der Heimstatt der Juden verantwortlich sind.

Von der Skrupellosigkeit, antisemitische Karikaturen zu verteidigen

Aber natürlich fügte der Akteur noch wie selbstverständlich hinzu, dass er „absolut [befürworte], dass es einen eigenen Staat Israel gibt“. Angesichts der Skrupellosigkeit, antisemitische Karikaturen zu verbreiten, kann man wohl feststellen: Ein Existenzrecht gewährt er dem Staat der Juden wohl nur zu den eigenen antisemitischen Konditionen.

Doch damit nicht genug. Ein Unterstützer dieser antisemitischen Fratze ergänzte, dass man nicht nur den „Schmutz schleudernder Wichtigtuer“ Weinthal in der „unterste[n] Schublade […] findet“, sondern dass man überdies „Leute wie sie [gemeint ist der Autor dieser Zeilen] und ihren korpulenten Freund Henryk [Broder]“ bekämpfen sollte.

Der Mensch mit der NPD-Unterstellung schrieb später als Replik, ich sei entweder „böswillig“ oder ein „kompletter Vollidiot“ und hätte „kein Urteilsvermögen“. Der Mangel an Manieren dieser Menschen geht offenkundig vortrefflich einher mit der Rücksichtslosigkeit, antisemitische Zerrbilder über einen jüdischen Journalisten zu verbreiten und später noch offensiv zu verteidigen.

Dazu passt, dass ein ausdrücklicher Antizionist später am Abend noch in die Richtung von Weinthal und meiner Person ergänzte, dass „rassistische zioNaZis […] immer schon unterste Schublade“ gewesen wären. Er bezeichnet hiermit also Zionisten als Nazis und Rassisten.

Antisemitismus-Beauftragter schweigt zu Antisemitismus vor seinen Augen

Eine besondere Rolle in dieser antisemitischen Posse spielte nun ausgerechnet ein Antisemitismus-Beauftragter. Und zwar Michael Blume, ein von Baden-Württembergs Landesregierung in diese Position beförderter ausgebildeter Finanzassistent und studierter Religions- wie Politikwissenschaftler. Blume stieß diese „Diskussion“ mit einer negativen Äußerung über Weinthals journalistische Arbeit an.

Obwohl mit der antisemitischen Karikatur und der anschließenden Verteidigung und Verbreitung dieser Schmähung konfrontiert, sagte Blume nicht ein Wort dazu. Man muss sich das vor Augen führen: Ein Antisemitismus-Beauftragter schweigt, wenn Antisemitismus offen vor seinen Augen praktiziert wird. Wozu genau bekleidet Herr Blume dieses Amt eigentlich?

Doch hier war immer noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Im Laufe der Diskussion fragte der Autor dieser Zeilen, wieso es eigentlich nicht möglich ist, Blume an seinen offiziellen Twitter-Account „Private Nachrichten“ zu schicken. Denn offenkundig möchten von Antisemitismus betroffene Menschen gerne diese Vorfälle in einem privaten Rahmen mit dem Antisemitismus-Beauftragten besprechen. Eine Antwort erhielt ich von Blume trotz mehrmaligen Nachfragens nicht.

Twitter prüft, ob Profil entfernt werden soll

Das stimmt allerdings nicht ganz. Seit dem Zeitpunkt, an dem ich Blume erstmals anfragte, gab es zunehmend Probleme mit der Anmeldung bei Twitter. Etwas, was ich zuvor noch nie hatte. Mal sollte ich zur Verifikation meines Kontos zusätzlich meine E-Mail-Adresse eingeben, mal bestätigen, dass ich kein Bot bin und mal sogar meine Telefonnummer hinterlassen.

Mein Account ist nun mittlerweile „vorübergehend eingeschränkt“, „da von diesem Account einige ungewöhnliche Aktivitäten ausgegangen sind“, so Twitter. Eine Folge ist, dass meine Tweets in Threads, das heißt Diskussionsverläufen, so nicht mehr lesbar sind. Am Sonntagmorgen erhielt ich dann eine Benachrichtigung von Twitter, die den Hintergrund klarer macht. So sei mein Account „unter dem NetzDG“ bezüglich meines „Profile[s]“ gemeldet worden und Twitter wollte feststellen, ob mein Profil „der Entfernung unterliegt“.

Halten wir also fest: Ich wurde von Twitter gebannt, nachdem ich die Verbreiter einer antisemitischen Karikatur adressierte, von diesen daraufhin persönlich angegriffen wurde und schließlich in diesem Zusammenhang einen Beauftragten gegen Antisemitismus fragte, warum man ihm eigentlich keine privaten Nachrichten schicken kann. Twitter prüfte in der Folge hierbei sogar, ob man mittels Anwendung des NetzDG mein Profil entfernen könne.

Welche Rolle spielt der Antisemitismus-Beauftragte Blume?

Offen bleibt die Frage, wer nun konkret meinen Account gemeldet und so letztlich die erfolgte vorübergehende Einschränkung und überprüfte Löschung meines Profils zu verantworten hat. Eine der Personen, die die antisemitische Karikatur verbreiteten und verteidigten? Gar der baden-württembergische Antisemitismus-Beauftragte Blume selbst?

Wer auch immer es war, so sagt es doch eine Menge aus, wenn derjenige Ziel von dezidierten Einschränkungen oder gar Löschungen ist, der Antisemitismus bekämpft und als Publizist derlei Vorfälle für antisemitismuskritische Medien wie die Jüdische Rundschau, die Achse des Guten oder Audiatur-Online dokumentiert. Wohingegen derjenige unberührt bleibt, der öffentlich und ungeniert Judenfeindlichkeit betreibt: Denn die antisemitische Karikatur steht auch heute noch auf Twitter. 

Was also all das mit dem Kampf gegen Antisemitismus zu tun hat, können sowohl der betreffende Antisemitismus-Beauftragte Blume als auch Twitter selbst, das sich öffentlich gegen „Hass schürendes Verhalten“ positioniert, gerne einmal beantworten.

Ausdrucke der Tweets liegen der Achse des Guten vor.

Foto: Pixabay

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Ilona Grimm / 13.07.2021

Vielen Dank, werter @Marcus Ermler, für Ihre Aufklärungsarbeit. Diese Widerwärtigkeit wäre mir ohne Ihr Bemühen verborgen geblieben. Ich bin geneigt, hier mal wieder Max Liebermann zu zitieren; aber jeder weiß schon, was ich meine.——- @Alfred Alex: Vielen Dank für die Information über das, womit sich Herr Blume so den lieben langen Tag beschäftigt. Die Entnazifizierung der Buchstabiertafel ist also vorrangigste Aufgabe eines Antisemitismusbeauftragten (ASB). Dafür wird er fürstlich entlohnt, und das ist schließlich die Hauptsache. Ich denke aber nicht, dass Herr Blume eine Ausnahme im stetig wachsenden Kreis der ASB ist. Deshalb habe ich vorhin schon geschrieben: „Sie reden so viel von Antisemitismus – ich glaube, sie haben was gegen Juden und Israel.“ Diese scheinheiligen Feigenblätter sind ekelhaft.

H.Milde / 13.07.2021

Btw. was macht eigentlich # so beruflich? “.... Schaden abwende, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber Jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe”

Martin Müller / 13.07.2021

Klar ist, Antisemitismus wird in Deutschland wieder salonfähig!........ Nur wenn er von Rechts kommt - und Rechts das kann heute alles sein, was nicht im links-grünen Zeitgeist-Kostüm mitmacht - ist das Geschrei groß und die politischen Verantwortungsträger stellen sich demonstrativ schützend vor die sechs Millionen ermordeten Juden, nur beim Schutz für lebenden Juden kommen sie meist nicht über Lippenbekenntnisse hinaus….... Vor daher wundert es mich nicht, dass Twitter diesbezüglich Accounts sperrt, die antisemitische Umtriebe aufdecken.  Palästinenser-freundlich bedeutet eben heutzutage auch, Antisemitismus, der nicht von Rechts kommt, tolerieren, auch auf unseren Straßen…...Palästinenser-feindlich ist eben dem Staat der Juden das Existenzrecht zu legitimieren. Das ist dann wahrscheinlich Hasssprech und Hetze und wird vom Netz-DG via Twitter verfolgt, bzw. man lässt verfolgen und sperren. Und das im besten Deutschland aller Zeiten….

Burkhart Berthold / 13.07.2021

Während der jüngsten Raketenangriffe auf Israel konnten wir alle recht nachhaltige Eindrücke von der Vehemenz anti-israelischer Propaganda gewinnen. Meistens ging sie von Lagerfelds Lieblingen aus. Ich persönlich hatte vielleicht zwei- dreimal “Feindkontakt” mit Leuten, die anscheinend als Neo-Ns (bzw. Paläo-Ns) Israel angriffen. Diese Leute gibt es halt; glücklicherweise spielen sie politisch keine Rolle. Anders mit Lagerfelds Lieblingen, die doch schon recht beeindruckende Demos auf die Beine gestellt haben. Hier entsteht eine neue pressure group, die den Spielraum der deutschen Politik einschränken bzw. deren Kurs neu bestimmen will.

Frank Schubert / 13.07.2021

Ich bin absoluter Sympathisant und Verteidiger Israels und Bekämpfer des Antisemitismus. Schon aus historischer Verantwortung. Dennoch wähle ich eine Partei, die von den jüdischen Vertretern hierzulande verteufelt wird und deren Wähler stigmatisiert werden. Kritik ist sicherlich angebracht, ebenso wie sie gegenüber der israelischen Regierung angebracht ist.  Aber in Deutschland sind die Diskursbedingungen völlig aus dem Lot geraten.  Leider gibt es keine Institutionen oder Persönlichkeiten in diesem Land, um die Verhältnisse wieder in einen vernünftigen Rahmen zu bringen, ganz im Gegenteil.

Ilona Grimm / 13.07.2021

Sie reden so viel von Antisemitismus – ich glaube, sie haben was gegen Juden und Israel.

Jo Walter / 13.07.2021

Irgendwie verstehe ich nix mehr. Wer ist jetzt wofür und wer gegen was? Ist ein Antizionist ein Antisemit? Ein Antisemit ein Antizionist. Sind Linke im Besitz höherer Wahrheit und dürfen sagen was sie wollen? Ich beobachte mit großer Besorgnis, wie die Politik den jährlichen al Quds-Tag unkommentiert hinnimmt, dessen Parolen immer unmißverständlicher und dreister werden.

aaron treppe / 13.07.2021

Twitter ist eine Hasskloake und ich würde mir wünschen, dass Journalisten und Politiker es nicht mehr zu über 50% zur Meinungsbildung heranziehen würden, sondern eigentlich gar nicht beachten sollten, diese Blase der verrückten und gemeinen Ideen. ich bin immer wieder erstaunt mit was für einem Hass und mit welcher Arroganz da ganz offensichtlich professionelle Influencer, Profiblogger, oder wie auch immer sich dieser Abschaum selber nennt, auftreten. Denunziantentum gehört zum guten Ton, und von allen sozialen Medien ist Twitter am meisten zu verachten und in keiner Weise hilfreich, ausser zum Leute aufeinander hetzen, auf wütende Kommentare warten, um die dann gegen den Urheber zu verwenden, gern auch um sie dem real life Chef unter die Nase zu reiben.  Petzen und Klatschweiber mit verrückten Nullideen.  Würde eine Partei mit: Twitter ist uns egal werben, wäre das ein Argument sie zu wählen, tut aber keine, alle glauben das Medium in ihrem Sinn nutzen zu können, und alle liegen falsch.

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