Cora Stephan / 25.04.2024 / 10:00 / Foto: Raimond Spekking / 48 / Seite ausdrucken

Toxische Weis(s)heit: „Politiker in die Produktion“

Politik und Handwerk scheinen sich nicht allzu gut zu vertragen. Zumindest, wenn man einigen deutschen Politikern bei der Handarbeit zuschaut.

Natürlich sollte ich mich nicht lustig machen. Politiker sind Menschen! Ja, doch, auch wenn’s nicht immer danach aussieht! Und Menschen sind nun mal fehlbar. Tapsig, trottelig. Der Tücke des Objekts ausgeliefert. Da hilft es, wenn einer Manns genug ist, um dem Objekt mit aller Willensstärke entgegenzutreten. So etwa Robert Habeck, als sich bei einer Schiffstaufe das für das Zertrümmern der Schaumweinflasche vorgesehene Gerät verweigerte. Einmal, zweimal, nein: ganze fünfmal betätigte er mit voller Kraft das Abwurfgerät, bis er schließlich zu schlichter Handarbeit griff. Bösartiger Kommentar im Netz: „Da kämpft eine Flasche mit einer anderen.“

Immerhin: Habeck blieb siegreich auf dem Schlachtfeld zurück. Respekt! Andere, die gewohnt sind, den Kontakt zu den Bundesbürgern mit einem Füllfederstrich unter einer Gesetzesvorlage herzustellen, waren jüngst weniger erfolgreich. Ja, es geht um den Bundeskanzler, der sich auf den steinigen Weg ins wirkliche Leben gemacht hatte und zum Besuch eines holzverarbeitenden Betriebs in Dresden eintraf. Dort begegnete er Zimmermännern in Kluft, die ihn lächelnd bestaunten als Wesen aus einer fernen Galaxis und ihn sogleich teilhabenließen an ihrem geheimen Wissen. So sind sie, die Männer, die schwindelfrei auf Dächern stehen können!

Doch das verlangten sie Olaf Schulz gar nicht ab, sie drückten ihm lediglich einen Akkuschrauber und eine Schraube in die büroluftgepflegten Hände und luden ihn ein, die Schraube im bereitliegenden Holzbalken zu versenken. Damit er mal sieht, wie das so ist. Im Unterschied zu Habeck ließ es Scholz an der nötigen Manneskraft fehlen, der Schrauber rutschte ab, man muss so ein Ding halt festhalten, damit es schraubt. Die umstehenden Profis lächelten milde, und nur einer lüftete das (peinliche) Geheimnis: „Das war schon ganz gut für das erste Mal.“ Das hat er richtig erkannt: Scholz musste für sein erstes Mal 65 Jahre alt werden.

Nun, Politiker müssen natürlich nicht schrauben können, wenn sie ganze Sätze sprechen und die richtigen Worte finden, ist man schon beinahe zufrieden. Annalena Baerbocks „präsidenzloser“ Angriff auf die deutsche Sprache hallt also lange nach. Den Sozialdemokraten Scholz möchte man allerdings doch daran erinnern, dass einer der Gründer der deutschen Arbeiterbewegung, die in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts eher eine Handwerkerbewegung war, nämlich August Bebel, gelernter Drechsler war und dass man in diesen Kreisen höchsten Wert auf praktische und theoretische Bildung legte. Verdammt lang her. Heute weiß Scholz immerhin: „Handwerk ist wichtig, weil – irgendeiner muss die Arbeit ja machen!“

Schlechte Handarbeitsnote

Die Bescheidenheit des „Respekt“-Kanzlers sticht beinahe wohltuend ab gegen das Dicketun des deutschen Staatsoberhaupts Frank-Walter Steinmeier. Zu einem Festempfang in der Türkei brachte er einen 60 kg schweren Dönerspieß samt Dönerkoch mit. Unterstellen wir ihm mal das Allerbeste: Er wollte gewiss damit signalisieren, dass der Döner zum deutschen Nationalgericht geworden ist, dass es bei Fastfood deutsch-türkische Komplizenschaft gibt. Schön gedacht, aber insbesondere die Community in Deutschland mit türkischem Hinter- und manchmal auch Vordergrund empfand das weitgehend als instinktlos.

Gewiss nicht nur, weil die türkische Küche weit raffinierter als Döner mit scharf ist. Sondern auch, weil es eine gut integrierte und situierte türkischstämmige Mittelschicht in Deutschland gibt, die Erfolg hat und Erfolg haben will und die wenig Verständnis hat für die identitätspolitischen Kapriolen der SPD, weshalb dort mehr und mehr die AfD gewählt wird. Und wohl eher nicht die neugegründete DAVA, die zur Europawahl antreten wird. Deren Nähe zu Erdogans AKP macht sie für viele unwählbar: für Aleviten, Kurden oder Araber.

Steinmeiers Geste hat die SPD bei den Deutschtürken sicher nicht beliebter gemacht. Ungeschick? Falsch gedacht? Schlechte Berater? Oder ein weiteres Beispiel für die Wirklichkeitsferne deutscher Politiker? Auffallend ist, dass auch Steinmeier in Handarbeit eine schlechte Note bekommen dürfte – so unbeholfen, wie er an dem Riesenfleischbrocken herumsäbelte. Da möchte man doch glatt eine alte Parole aus der DDR zu revolutionären Zeiten aufgreifen: „Politiker in die Produktion!“ Aber wahrscheinlich richten sie auch dort nur Unheil an.

 

Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.

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Foto: Raimond Spekking, CC BY-SA 4.0, Link

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Dr.Jäger / 25.04.2024

Die genannten Personen wollten keine praktische Arbeit verrichten , mit allen Nachteilen, wie Verantwortung tragen.. Geld für Unfug, ohne Konsequenzen, Politiker werden,sei schlau geh nicht zum , un in den Bau. Schwindelfreie Tätigkeiten wollte der Dauergrinser auch nicht ,  da hätte er die Probezeit nicht überstanden, der Vergessliche. Darf man überhaupt ,gehäckselte, tiefgefrorene Schlachtabfälle, die als “Fleischspiess” verkauft werden, in die Türkei einführen. Walter der Steiniger der Demokratie darf das,er bringt ja auch reichlich Bakschisch mit.

Horst Müller / 25.04.2024

“Annalena Baerbocks „präsidenzloser“ Angriff auf die deutsche Sprache hallt also lange nach.” Ist das “h” in “hallt” nicht ein Druckfehler? Müsste es nicht “lallt also lange nach” heißen? (Nur mal so gefragt…)

Peter Bauch / 25.04.2024

Also einige Zimmerleute die ich so kenne habens faustdick . Die hätten Scholz nämlich eine ausgekrakelte Schraube und einen schon demolierten Bit untergejubelt. War ja aber auch so nicht nötig. Beim Gegenbesuch bringt Erdogan sicher eine Gulaschkanone gefüllt mit leckerem Sauerkraut, Bauchfleisch, Blut-und Leberwürsten mit. So geht gelebte Toleranz.

Fred Burig / 25.04.2024

“Augen zu und durch!” scheint das Eingangsbild von Scholz zu signalisieren ..... Wer Deutschland so souverän führen kann, der wird wohl noch mit so einem, so einem ....so einem - was ist das doch gleich - ach ja, ein elektrischer Drehdingsda, umgehen können! Schließlich rotiert im Kanzleramt ja auch alles, wenn er was in die Hand nimmt .... MfG

Bernd Gottschalk / 25.04.2024

... ” Handwerk - Irgendwer muss es ja machen ” -  mehr Verachtung, als in diesen entlarvenden Scholz-Worten geht kaum !

Claudius Pappe / 25.04.2024

Olaf dreht eher die Schrauben los als fest

Claudius Pappe / 25.04.2024

Einmal Döner gegessen, würg würg…................................gut integrierte und situierte türkischstämmige Mittelschicht…........................deshalb sprechen die innerhalb der Familie türkisch ,womit die wohl ihr Geld verdienen ?................................Frau Stephan: Wo leben sie denn ? In Duisburg wohl eher nicht.

Heiko Stadler / 25.04.2024

Scholz hat den Einschaltknopf gefunden. Das ist schon ganz gut für einen SPD-Politiker.

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