Politik und Handwerk scheinen sich nicht allzu gut zu vertragen. Zumindest, wenn man einigen deutschen Politikern bei der Handarbeit zuschaut.
Natürlich sollte ich mich nicht lustig machen. Politiker sind Menschen! Ja, doch, auch wenn’s nicht immer danach aussieht! Und Menschen sind nun mal fehlbar. Tapsig, trottelig. Der Tücke des Objekts ausgeliefert. Da hilft es, wenn einer Manns genug ist, um dem Objekt mit aller Willensstärke entgegenzutreten. So etwa Robert Habeck, als sich bei einer Schiffstaufe das für das Zertrümmern der Schaumweinflasche vorgesehene Gerät verweigerte. Einmal, zweimal, nein: ganze fünfmal betätigte er mit voller Kraft das Abwurfgerät, bis er schließlich zu schlichter Handarbeit griff. Bösartiger Kommentar im Netz: „Da kämpft eine Flasche mit einer anderen.“
Immerhin: Habeck blieb siegreich auf dem Schlachtfeld zurück. Respekt! Andere, die gewohnt sind, den Kontakt zu den Bundesbürgern mit einem Füllfederstrich unter einer Gesetzesvorlage herzustellen, waren jüngst weniger erfolgreich. Ja, es geht um den Bundeskanzler, der sich auf den steinigen Weg ins wirkliche Leben gemacht hatte und zum Besuch eines holzverarbeitenden Betriebs in Dresden eintraf. Dort begegnete er Zimmermännern in Kluft, die ihn lächelnd bestaunten als Wesen aus einer fernen Galaxis und ihn sogleich teilhabenließen an ihrem geheimen Wissen. So sind sie, die Männer, die schwindelfrei auf Dächern stehen können!
Doch das verlangten sie Olaf Schulz gar nicht ab, sie drückten ihm lediglich einen Akkuschrauber und eine Schraube in die büroluftgepflegten Hände und luden ihn ein, die Schraube im bereitliegenden Holzbalken zu versenken. Damit er mal sieht, wie das so ist. Im Unterschied zu Habeck ließ es Scholz an der nötigen Manneskraft fehlen, der Schrauber rutschte ab, man muss so ein Ding halt festhalten, damit es schraubt. Die umstehenden Profis lächelten milde, und nur einer lüftete das (peinliche) Geheimnis: „Das war schon ganz gut für das erste Mal.“ Das hat er richtig erkannt: Scholz musste für sein erstes Mal 65 Jahre alt werden.
Nun, Politiker müssen natürlich nicht schrauben können, wenn sie ganze Sätze sprechen und die richtigen Worte finden, ist man schon beinahe zufrieden. Annalena Baerbocks „präsidenzloser“ Angriff auf die deutsche Sprache hallt also lange nach. Den Sozialdemokraten Scholz möchte man allerdings doch daran erinnern, dass einer der Gründer der deutschen Arbeiterbewegung, die in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts eher eine Handwerkerbewegung war, nämlich August Bebel, gelernter Drechsler war und dass man in diesen Kreisen höchsten Wert auf praktische und theoretische Bildung legte. Verdammt lang her. Heute weiß Scholz immerhin: „Handwerk ist wichtig, weil – irgendeiner muss die Arbeit ja machen!“
Schlechte Handarbeitsnote
Die Bescheidenheit des „Respekt“-Kanzlers sticht beinahe wohltuend ab gegen das Dicketun des deutschen Staatsoberhaupts Frank-Walter Steinmeier. Zu einem Festempfang in der Türkei brachte er einen 60 kg schweren Dönerspieß samt Dönerkoch mit. Unterstellen wir ihm mal das Allerbeste: Er wollte gewiss damit signalisieren, dass der Döner zum deutschen Nationalgericht geworden ist, dass es bei Fastfood deutsch-türkische Komplizenschaft gibt. Schön gedacht, aber insbesondere die Community in Deutschland mit türkischem Hinter- und manchmal auch Vordergrund empfand das weitgehend als instinktlos.
Gewiss nicht nur, weil die türkische Küche weit raffinierter als Döner mit scharf ist. Sondern auch, weil es eine gut integrierte und situierte türkischstämmige Mittelschicht in Deutschland gibt, die Erfolg hat und Erfolg haben will und die wenig Verständnis hat für die identitätspolitischen Kapriolen der SPD, weshalb dort mehr und mehr die AfD gewählt wird. Und wohl eher nicht die neugegründete DAVA, die zur Europawahl antreten wird. Deren Nähe zu Erdogans AKP macht sie für viele unwählbar: für Aleviten, Kurden oder Araber.
Steinmeiers Geste hat die SPD bei den Deutschtürken sicher nicht beliebter gemacht. Ungeschick? Falsch gedacht? Schlechte Berater? Oder ein weiteres Beispiel für die Wirklichkeitsferne deutscher Politiker? Auffallend ist, dass auch Steinmeier in Handarbeit eine schlechte Note bekommen dürfte – so unbeholfen, wie er an dem Riesenfleischbrocken herumsäbelte. Da möchte man doch glatt eine alte Parole aus der DDR zu revolutionären Zeiten aufgreifen: „Politiker in die Produktion!“ Aber wahrscheinlich richten sie auch dort nur Unheil an.
Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.
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