In loser Folge stelle ich hier alltägliche Orte in Kalifornien vor - und kleine Geschichten, die hinter der Fassade spielen. Wer möchte, kann den Schauplatz des Geschehens jeweils auch hier per Google-Street View aufsuchen. (der Ort liegt dieses mal ein bisschen ab vom Schuss und daher ist nur die normale Kartenansicht verfügbar).
Garberville
Das Örtchen liegt etwa vier Stunden nördlich von San Francisco. Es wird dunkel und ich beschließe hier zu übernachten. Die Temperatur liegt bei winterlichen acht Grad. Das Straßenbild wird von riesigen Pick-Up-Trucks geprägt. Der Dresscode besteht aus einer Kombination von kariertem Flanellhemd und langem Vollbart. Der örtliche Saloon ist dunkler als der tiefste nordkalifornische „Redwood-Forest“. Und die Besucher stehen noch dichter zusammen als die Redwood-Bäume, allerdings nicht so gerade.
Neben der Tankstelle, dem Zentrum der kapitalistischem Verschwörung auf der etwa 800 Meter langen Hauptstraße, hat es sich die Occupy-Garberville-Bewegung gemütlich gemacht. Ein paar Meter weiter, an der Auffahrt zum 101-Highway, steht ein Teil der Protestler und versucht nach San Francisco zu trampen. Die Solidarität der Autofahrer hält sich aber in engen Grenzen.
Das chinesische Restaurant schließt um 8 Uhr - man nennt das „Winter-Hours“. Ich finde im örtlichen Kino Unterschlupf. Von den rund 150 Plätzen sind neun belegt. Ein paar Reihen weiter vorne murmmelt ein Mann: „Ich habe in diesem Kino schon mehr Leute gesehen“ und fügt an: “Kein Wunder bei der Kälte hier drin“. Sein Gesicht kann ich nicht erkennen, nur Baseball-Cappy und Pferdeschwanz. Die Dame neben mir hat sich die Kapuze ihrer Daunenjacke tief ins Gesicht gezogen. Es ist so kalt, dass sie meinen Atem vor der Leinwand aufsteigen sieht.
Maggy, die Ticketverkäuferin tritt vor das Publikum und versichert, dass die Heizung voll aufgedreht sei und es bald wärmer würde. Und dann sagt sie noch: „Außerdem spielt unserer heutiger Film ja in der Karibik“. Auf dem Programm steht „The Rum Diary“ mit Jonny Depp in der Hauptrolle. Im Anschluss an die Vorstellung, bedankt sich Maggy mit Händedruck bei jedem Gast persönlich fürs Kommen und entschuldigt sich für den niedrigen Wirkungsgrad der Heizung: „Jetzt kommt es Dir draußen nicht mehr so kalt vor“.