Alan Posener (Gastautor) / 04.10.2008 / 15:43 / 0 / Seite ausdrucken

Sympathy For The Devil

Neue Version der Schöpfungsgeschichte gelesen. Gegähnt…

Es ist ja bekannt, dass es in der Bibel zwei Schöpfungsgeschichten gibt: in der ersten erschafft Gott zuerst das Universum, dann die Pflanzen und Tiere, und schließlich den Menschen, und zwar gleich „als Mann und Weib“. (Genesis 1,1 bis 2,4a). In der zweiten erschafft Gott zuerst den Menschen, dann die Tiere und Pflanzen, und erst zum Schluss – aus Adams Rippe – das Weib (Genesis 2,4b bis 25), was der feministischen Theologie das Stichwort lieferte: „Als Gott den Mann schuf, übte sie bloß.“ Nun schlägt Ralf König eine dritte Variante dieses Ur-Mythos vor. Die theologischen Implikationen sind verzwickt, aber wenn wir die Geschichte richtig verstanden haben, wird das Weib erschaffen, damit der Mann endlich die Klappe hält.
Ralf Königs „Prototyp“, die Geschichte Adams von kurz nach der Schöpfung bis kurz vor dem Mord Kains an seinem Bruder Abel, kann neben apokryphen Schriften wie dem kürzlich entdeckten Evangelium des Judas als Versuch gelesen werden, die alten Mythen neu zu deuten, ohne ihren Wesenskern in Frage zu stellen. So stellt das Evangelium des Judas den angeblichen Verräter als Werkzeug Gottes in den Mittelpunkt der Heilsgeschichte. Bei Ralf König ist es die Schlange Luzifer. Diese deutlich an die Gestalt des Kaa aus dem Evangelium des Walt Disney angelegte, im Kern sympathische Gestalt setzt nicht nur – wie in der Bibel – die Handlung in Gang, sondern kommentiert sie auch, vornehmlich im Dialog mit Gott, der – anders als in der Bibel, wo der Weltenerschaffer in der Abendkühle gern im Garten Eden spazieren geht – unsichtbar bleibt und noch an seiner Schöpfung herumbastelt.
Genervt durch den naiven Glauben Adams, den nicht einmal die vorgezogene Sintflut erschüttern kann (wie denn auch?), und vor allem durch Adams ständige Hymnensingerei, verführt ihn schließlich die Schlange zum Biss in die verbotene Frucht. Das Ergebnis: Naturwissenschaften (vor allem Astronomie), allerlei Philosophie (vornehmlich Variationen des Platonismus), Skeptizismus und Agnostizismus. Wobei Luzifer die unangenehme Erfahrung macht, dass mit dem Verschwinden des Gottesglaubens auch der Glaube an den Teufel schwindet. So mutiert die Schlange zum Zeugen Jehovas: „Also, hör auf zu grübeln, vertrau auf Gott und gib Ruhe!“ Adam grübelt jedoch lautstark weiter. Also wird aus seiner Rippe Eva erschaffen, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Vorsorglich ist Eva nämlich intellektuell auf Hymnensingniveau programmiert worden. Freilich hat Gott die Rechnung ohne den Gärtner gemacht: Adam gibt seiner singenden Gefährtin einen Apfel – nun gut, und da nimmt das Verhängnis, das wir Weltgeschichte nennen, seinen Lauf.
Wozu aber diese Neufassung der Schöpfungsgeschichte? Ralf König sitzt im Beirat der „Giordano-Bruno-Stiftung”, und so liegt es nahe, beim großen Ketzer Bruno, den der Vatikan im Jahre 1600 verbrennen ließ, die Inspiration für Königs Comic – hatten wir noch nicht gesagt, dass es sich um einen Comic vom Schöpfer des „bewegten Mannes“ handelt? Nun, so sagen wir es jetzt – zu suchen. Allerdings war Bruno Pantheist, vertrat also die Lehre von der Unendlichkeit und Göttlichkeit der Materie. Bei König hingegen wird nirgendwo in Frage gestellt, dass Gott tatsächlich alles geschaffen hat, den treuen Luzifer und den rebellischen Adam inklusive. Gott hat auch das letzte Wort: „Gute Nacht, alte Schlange. Schlaf gut.“ Man fragt sich also eigentlich, wozu die Neufassung der Genesis gut sein soll – allenfalls bietet sie eine im Sinne der Gender Studies politisch korrekte Darstellung des Sündenfalls, an dem nicht Eva, sondern Adam schuld ist. Und übermäßig lustig ist das Ganze auch nicht, es sei denn, man besucht gerade den Konfirmandenunterricht in Bayern und sucht was zum Untermtischlesen, während vorne die Dreifaltigkeit erklärt wird.
Lustiger – schon allein weil kürzer – war Franz Münteferings Bemerkung neulich: Wären Adam und Eva Chinesen gewesen und nicht Deutsche, sie hätten die Schlange gegessen statt des Apfels, und uns wären viele Unannehmlichkeiten erspart geblieben.
Ralf König: Prototyp. Rowohlt, 112 Seiten, 14,90 Euro

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