Peter Grimm / 18.06.2023 / 12:00 / Foto: Pixabay / 46 / Seite ausdrucken

Staatsvertragsfunk mit Ständebeirat

Die Bürger müssen zahlen, aber dürfen nicht mitbestimmen. Dennoch halten sich ARD und ZDF für Bollwerke der Demokratie. Und im skandalbelasteten RBB besteht man auf Staatsferne, wenn ein Ministerpräsident Sparsamkeit anmahnt und wählt anschließend eine Ex-Regierungssprecherin zur Intendantin.

Wenn noch halbwegs normale Maßstäbe gängig wären, dann würde man sich nur entgeistert fragen, ob die das wirklich ernst gemeint haben beim RBB mit ihrer Intendantenwahl. Die ARD-Anstalten fordern gerade, zusammen mit den Kollegen von ZDF und Deutschlandfunk, mehr Geld von den zur Zahlung genötigten Bürgern, die sich derweil immer stärker darüber beschweren, dass journalistische Qualität durch vormundschaftliche Volkserziehung ersetzt wurde und wird. Da die Gebührenzahler angesichts einer jahrzehntelang unvorstellbaren Inflation an allen Ecken und Enden sparen müssen, ist die Erhöhung einer Zwangsabgabe logischerweise nicht besonders populär. Dazu kam unlängst der Skandal um die inzwischen entlassene RBB-Intendantin Patricia Schlesinger, die das Gebührenzahlergeld bekanntlich so großzügig für luxuriöses Arbeiten und Privates ausgab, als hätte sie es nicht mit einer öffentlich-rechtlichen Anstalt, sondern mit ihrem Hofstaat zu tun. 

Sie erinnern sich, nach dieser Affäre gelobten die Führungskräfte und Funktionäre dieser Anstalten, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder geschieht. Aber dann darauf zu verweisen, wie unverzichtbar ihr teures Mitwirken an der Meinungsbildung ist, insbesondere für die Demokratie. Außerdem würde das öffentlich-rechtliche Modell wie kein anderes Medienkonstrukt die Staatsferne einer reichweitenstarken Senderkette garantieren. 

Nun sind Demokratie und Staatsferne für die öffentlich-rechtlichen offenbar ein so wertvolles Gut, dass sie im Hausgebrauch überaus sparsam damit umgehen. Anders ist es kaum zu erklären, dass der RBB-Rundfunkrat am Freitag im dritten Wahlgang ohne Gegenkandidaten mit Ulrike Demmer ausgerechnet eine vormalige Regierungssprecherin zur Intendantin gewählt hat. Welches Signal sendet die Anstalt damit an die, die sie zwangsweise finanzieren müssen?

Selektive Sorge um die Staatsferne

Die stellvertretende Regierungssprecherin in der Zeit der letzten beiden Merkel-Koalitionen mit der SPD - in der Demmer quasi als SPD-Vertreterin ins Amt einzog - hat als Intendantin der Staatsferne sicher ein großes realsatirisches Potential. Doch wer eine solche Amtsbesetzung ernsthaft vornimmt, macht sich offensichtlich über seine Legitimation keine Gedanken. Natürlich ist Demmer nicht der erste Fall eines Wechsels von der Regierungssprecherbank in einen ARD-Intendantensessel. Ulrich Wilhelm, Regierungssprecher zwischen 2005 und 2010, wurde anschließend zum Intendanten des Bayerischen Rundfunks gewählt. Nur damals war das Image der öffentlich-rechtlichen Sender noch nicht derart ramponiert wie heutzutage.

Im und um den RBB ist man - so es nicht um die Intendantenpersonalie geht - natürlich schon um die Staatsferne besorgt. Beispielsweise als wenige Tage vor der Intendantenwahl bekannt wurde, dass Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) einen "ungeheuerlichen" Versuch des Staatseingriffs in die öffentlich-rechtliche Unabhängigkeit unternommen hatte. Während sich der Rundfunkrat noch mit den Bewerbern beschäftigte soll er per handschriftlichem Brief darum gebeten haben, auch die Empfehlungen zum künftigen Gehalt des Intendanten zu "prüfen und (zu) berücksichtigen". Der Sender solle sich, so Woidke, an der noch nicht gesetzlich umgesetzten Empfehlung der Rechnungshöfe für ein Gehalt von 177.000 Euro jährlich orientieren. 

Das sorgte für Unruhe im Soziotop rund um den ARD-Sender für die deutsche Hauptstadt und ihr weiteres Umland. RBB-Rundfunkratsmitglied Christian Goiny (CDU) sehe darin einen Eingriff in die Unabhängigkeit des Senders, berichtete die Zeit. Woidkes Schreiben wäre als Bitte formuliert, lege aber nahe, dass der Regierungschef eine Erfüllung der Bitte erwarte, sagte Goiny. "Überspitzt kann man sagen, Ministerpräsident Woidke weist den Verwaltungsrat per Dekret an, wie er sich bei der aktuellen Intendantenwahl verhalten soll." Auch die Vorsitzende des RBB-Personalrats, Sabine Jauer, habe erklärt, das Schreiben Woidkes verstoße gegen das Gebot der Staatsferne für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 

Warum wählen nicht jene, die die Zeche zahlen müssen?

Wie gesagt, Staatsferne und Demokratie sind den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten so wichtig, dass man sie besser genau dosiert. Staatsferne gibts dann, wenn ein Vertreter des Staates das Geldausgeben begrenzen möchte. Und Demokratie? Die wollen doch die staatsvertraglich konstituierten Medienhäuser auch gegen alle Anfechtungen verteidigen. Wie sieht es denn da in den eigenen Häusern aus?

Sicher, die Intendantin wurde von den Rundfunkräten gewählt. Ein wenig Geschmäckle hat die Wahl schon, denn vor dem letzten entscheidenden Wahlgang hatten alle anderen Kandidaten ihre Bewerbung zurückgezogen. Eine nachträgliche Nominierung von Interims-Intendantin Katrin Vernau hatten die Rundfunkräte abgelehnt, wie u.a. der Tagesspiegel berichtet.

Gut, auch eine Wahl ohne Gegenkandidaten ist eine Wahl. Aber wie lässt sich ein Gremium wie der Rundfunkrat mit Demokratie vereinbaren? Er wird ja nicht von den Gebührenzahlern gewählt, sondern wie im Ständestaat entsenden Landesparlamente und ausgesuchte Vereinigungen nach einem staatsvertraglich festgelegten Schlüssel ihre Vertreter. Demokratie sieht anders aus.

Die Stimmen, die eine ersatzlose Abschaffung des Modells der zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten fordern, werden lauter. Vieles spricht dafür. Argumente, die für einen Fortbestand eines gründlich reformierten öffentlich-rechtlichen Medienbetriebs sprechen, gäbe es auch, nur finden sich die kaum noch in der tatsächlichen Arbeit von ARD und ZDF wieder. Warum kämpfen diejenigen, die ihre Medienhäuser immer zu Verteidigern der Demokratie deklarieren, nicht um Demokratie im eigenen Haus? Warum werden Rundfunkräte nicht von denen gewählt, die die Zeche zahlen müssen? Warum soll das gute alte Prinzip "No taxation without representation" nicht auch für zwangsweise erhobene Rundfunkbeiträge gelten?

Wenn sich öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht demokratisiert, dann muss er in der Tat abgeschafft werden, denn ein Staatsvertragsfunk mit Ständebeirat, der gigantische Beträge verschlingt und damit gewichtigen Einfluss auf den Medienmarkt hat, passt nicht zu einer freiheitlichen Demokratie.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Frank Danton / 18.06.2023

Mal eine Frage an die italienischen Staatsanwälte unter uns: behauptet die Mafia eigentlich auch, das sie ihr abgepresstes Geld als Demokratieabgabe versteht? Wenn nein dann sind das Anfänger gegenüber deutschen Politikern und dem öffentlich rechtlichen Rattenschwanz den sie hinter sich herziehen.

Berthold Josef / 18.06.2023

Der Gedanke , die Beitragszahler den Rundfunkrat zu wählen zu lassen,  ist zu befürworten und auf die politische Agenda zu setzen. Die Wahlunterlagen dem schriftlichen Beitragsbescheid beizufügen , dürfte logistisch zu bewältigen sein. Und bitte schön unter Wahrung der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn nicht wenigstens bei einem Sender die Vorherrschaft der Politik gebrochen werden könnte.

A. Paulsen / 18.06.2023

Diese, vom Bürger zwangsweise selbst bezahlte Propaganda gegen ihn, werden diese Halunken mit Zähnen und Klauen verteitigen! Einzige Möglichkeit, eine größere Anzahl (Tausende) von Bürgern stellt ab sofort die Zahlungen ein, ignorieren Mahnungen und schreiben, warum sie die Zahlung erweigern. Macht der deutsche Michl das?????????

Fritz Dieterlein / 18.06.2023

Günther Jauch klagt politischen Einfluss beim ZDF an. Die CDU hat auch"die Kralle drauf” Die politische Einflussnahme sei auch bei seinem Jobangebot vom “heute journal” spürbar gewesen. Jauch habe damals die Chance gehabt, gemeinsam mit Ruprecht Eser die Show zu moderieren. “Das wäre für mich das Größte gewesen.” Doch die CDU habe auf diesem Posten “die Kralle drauf” gehabt.Das Interview mit Günther Jauch fand bereits Ende April statt, geht allerdings erst jetzt viral. Die beschriebenen Szenen sind mittlerweile nicht mehr zu finden, die besagten Ausschnitte sind aber in einem Video des YouTube-Kanals “Massengeschmack-TV” festgehalten. M.f.G.

Hans Bendix / 18.06.2023

Nun, was soll die Aufregung? Der Staatsfunk ist ein Bollwerk der Demokratie, weil (sic!) der Bürger nicht mitbestimmen darf. Denn merke: Der Staatsfunk lehrt Demokratie, aber er praktiziert sie nicht. Wo käme man denn hin, bestimmte der Bürger mit? Da wären schnell Mehrheiten zusammen, für die Wiedereinführung der Todesstrafe, für die Ausübung eines nationalen Grenzregimes, für die Wiederbewaffnung der Streitkräfte, womöglich gar für Sendebeiträge, in denen Ahnung nicht von Meinung ersetzt würde und in denen die politischen Kräfte der Republik paritätisch zu Worte kämen. Das kann niemand wollen - deshalb wollen wir auch gerne einen sich stetig erhöhenden Obolus für den ÖRR leisten, denn ohne sein beharrliches Mühen hätte die Demokratie in diesem Lande keine echte Chance mehr gegen die immer rechtsextremer werdende Schar ihrer Verächter.

Hjalmar Kreutzer / 18.06.2023

Und immer wieder und ad nauseam: Der ÖRR hat sich überlebt und gehört privatisiert. TV- und Radiosender sind Medien, wie Internetseiten und elektronische oder auf Papier gedruckte Bücher, Zeitschriften und Zeitungen. Diese haben sich durch Werbung und freiwilliges Abonnement oder freiwilligen Kauf am Markt zu finanzieren. Der Kunde entscheidet, was er sehen, hören und lesen und ggf. dafür zahlen oder Werbeberieselung in Kauf nehmen möchte. Eine angebliche Staatsferne und kritische Begleitung des Staates verträgt sich nicht mit einem Rundfunkstaatsvertrag und gesetzlich verordnetem Zwang zur Bezahlung bzw. Sanktionen eben dieses Staates gegen nicht zahlungswillige Bürger. Ich will da gar keinen wählen, da ich die Nasen alle nicht kenne. Ich wähle ja auch nicht die Redaktionen von Lügel, Schmarrn und Locus, sondern kaufe die Blätter einfach nicht, und genau so wünsche ich mir das von Radio und TV. Derzeit muss sich für die Sendungen kein Schwein interessieren, zahlen müssen wir trotzdem. Daher die abgehobene Arroganz der Herrschaften. Wenn schon Zwangsabgabe, dann einkommensabhängig mit dem Steuerbescheid oder analog zum Krankenkassenbeitrag.

Heiko Stadler / 18.06.2023

Der ÖRR sitzt in der Falle: Er MUSS Propaganda für die Kartellparteien machen, weil sonst die AfD die absolute Mehrheit bekäme und es würden dann wieder rechtsstaatliche Verhältnisse einkehren. Rechtsstaatlichkeit würden bedeuten, dass die Zwangsgebühren für den ÖRR, der den Staatsvertrag mit den Füßen tritt, entfallen. Unter marktwirtschaftlichen Bedingungen wäre das Zombieunternehmen ÖRR noch am selben Tag bankrott.

Uta Buhr / 18.06.2023

Meine Forderung: Der ÖRR-Zwangsbeitrag gehört sofort abgeschafft! Ich hoffe inständig, dass nach den nächsten BT-Wahlen 2025 - hoffentlich bereits früher - dieses Thema mit als erstes auf den Tisch kommt. Wer um alles in der Welt erträgt dieses geistig total entleerte Erziehungsfernsehen eigentlich noch? Eine Chuzpe sondergleichen, dass der bereits übermäßig gebeutelte Bürger für die staatliche Propaganda auch noch bezahlen muss. Es versteht sich von selbst, dass dieses bürgerfeindliche System unter der Trulla aus der Uckermark eingeführt wurde. Da sie jetzt gottlob weg ist vom Fenster, muss ihre Hinterlassenschaft den Weg in die Tonne gehen. Punkt.

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